Veraltete Technik statt Telemedizin

Von Norbert Heimbeck
Viele Patienten machen sich heute erst über das Internet schlau und gehen dann zum Arzt. Foto: Thomas Frey/dpa Foto: red

Der technische Fortschritt geht am Gesundheitswesen vorbei, sagen Wissenschaftler der Uni Bayreuth. Der „digitale Patient“ ist den Ärzten in technischer Hinsicht weit voraus. Telemedizinische Anwendungen werden eher behindert als gefördert.

 
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Professor Thorsten Eymann und sein Team vom Lehrstuhl Wirtschaftsinformatik der Uni Bayreuth haben im Rahmen des Projektes „Healthcare“ die Gesundheitsregion Bayreuth untersucht: „Die Ausgangslage sieht so aus: Ein Patient wird vom Hausarzt in die Klinik eingewiesen. Von dort aus wird er zur Reha geschickt. Jedes Mal werden seine Daten neu erfasst.“

Die Überlegung der Wissenschaftler: Es müsste doch möglich sein, digitale Patientenakten aufzubauen und die Anbieter medizinischer Dienstleistungen zu vernetzen, so dass man sich die Mehrfacherfassung der Daten sparen könnte. Doch das sei gar nicht so trivial, sagt Matthias Kaiser, der an der Untersuchung mitgearbeitet hat: „Das Klinikum Bayreuth hat solche Akten bereits. Aber vielfach ist die technische Ausstattung auf dem Stand der Automobilindustrie vor 20 Jahren. Es gibt alleine für Arztpraxen Hunderte unterschiedliche Softwarelösungen.“

Die Krankenkassen, die Kliniken, die Pharmaindustrie – alle haben sie unterschiedliche Daten vorliegen. Und: „Keiner ist vollständig zufrieden“, sagt Kaiser. Aber es gebe auch keinen der Beteiligten, der sagt „Wir tun es endlich“, ergänzt Prof. Eymann. Wenn Ärzte, Kassen und Kliniken einmal realisieren würden, welche Investitionen in die Informationstechnik sie tätigen, könnten sie „Google vom Feld jagen“, sagt der Professor.

Gerade weil hier viel Geld auf dem Spiel steht, müsste das Interesse an einer gemeinsamen und wirtschaftlichen Lösung größer sein, meinen die Wissenschaftler. „Aber tatsächlich zeigen die Hausärzte auf die Kassen, die Kassen wiederum zeigen auf andere Kassen.“ Und so bezahlt jeder seine Investitionen in die individuelle IT.

Nicht nur veraltete Technik ist nach den Erkenntnissen der Bayreuther Forscher ein Hindernis auf dem Weg zu einer wirtschaftlichen Gesundheitsversorgung. Matthias Kaiser: „Viele Patienten suchen zunächst im Internet und gehen dann nicht zum Hausarzt, sondern zum Facharzt. Der elektronisch gebildete Patient torpediert auf diese Weise das ganze System.“ Prof. Eymann macht den Patienten gar keinen Vorwurf daraus: „Es ist ein natürliches Interesse des Menschen, mehr über sich zu wissen. Ärzte bieten gar nicht so viele Informationen, wie die Patienten sie gerne hätten.“

Um diese unterschiedlichen Interessen ein wenig zu ordnen, gibt es unterschiedliche regionale Ansätze. In Thüringen und Sachsen zum Beispiel hat die AOK angeregt, dass der Arzt nur noch einen Wirkstoff statt eines bestimmten Medikaments verschreibt. Für die Aufstellung eines allen Beteiligten bekannten Medikationsplanes sei dann der Apotheker zuständig.

In Mittelfranken gebe es ein Projekt zur Abstimmung zwischen Apotheken und Pflegeeinrichtungen. Ziel dieser Projekte sei es, dass sich Medikamente, die ein und demselben Patienten von verschiedenen Stellen verschrieben werden, nicht gegenseitig stören, sagt Prof. Eymann. Des Weiteren sollen etwa im Klinikbetrieb Leerläufe und Doppeluntersuchungen vermieden werden. Die Bayreuther Forscher haben für viele dieser Wünsche Lösungsansätze entwickelt. „Was fehlt, ist eine Instanz, die Einzelprojekte in allgemein geltende Regelungen überführt.“

Speziell für Oberfranken erhoffen sich die Forscher von der Technologie-Allianz TAO eine Erweiterung im Gesundheitsbereich. Moderne bildgebende Verfahren würden die Telemedizin voranbringen. Auch in den Bereichen Onkologie und Geriatrie könnte die Region besser vernetzt werden. Prof. Eymann: „Oberfranken eignet sich gut für ein solches Projekt, weil wir gute Internetverbindungen haben.“

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