Vanessa: Tote Winkel am Beckenrand

Von
Auf diesen Hinweis stießen die Badegäste im Sommer 2014. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Es ist ein mühseliges Unterfangen, die Umstände des Todes der kleinen Vanessa zu untersuchen. Gut dreieinhalb Jahre ist es nun her, seit die damals Achtjährige im Himmelkroner Freibad ertrunken ist. Drei Tage hat die Kulmbacher Strafrichterin Sieglinde Tettmann bereits verhandelt.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Zahlreiche Aussagen wurden in dem Verfahren gehört. Was inzwischen feststehen dürfte: Es wird sich wohl nicht mehr klären lassen, wie lange das Mädchen unter Wasser gewesen ist, bevor es am Boden des Schwimmbeckens entdeckt wurde. Was gestern auch deutlich wurde: Es gibt erhebliche tote Winkel in einem Freibad. Selbst jemand, der fast direkt am Beckenrand steht, kann keineswegs jede Stelle einsehen.

3-D-Scanner

Um zu klären, wer von welcher Stelle was in dem Schwimmbecken hätte sehen können, hat sich die Staatsanwaltschaft für eine noch ungewöhnliche Untersuchung entschieden. Ein Experte vom Münchner Landeskriminalamt hat das gesamte Himmelkroner Freibad mit einem 3-D-Scanner vermessen. Die Aufnahmen machten es allen Prozessbeteiligten möglich, sich virtuell vom Gerichtssaal aus an jede gewünschte Position im Schwimmbad zu begeben und aus jedem gewünschten Winkel und jeder gewünschten Höhe zu sehen, was eine Person an dieser Stelle sehen kann.

Es gab wohl kaum jemanden im Raum, der nicht staunte, wie groß die toten Winkel sind. An der Oberfläche sieht man etwas mehr. Am Beckenboden verschwinden ganze Schwimmbahnen, selbst wenn man fast unmittelbar am Beckenrand steht. Was auch deutlich wurde: Eine Aufsichtskraft allein ist niemals in der Lage, jederzeit das gesamte Bad zu überblicken, egal wie aufmerksam sie ist.

Bademeister hatte noch andere Aufgaben

Im Fall des Bademeisters von Himmelkron kommt noch hinzu: Er hatte noch andere Aufgaben, zum Beispiel Eintritt zu kassieren. Er musste sich auch auf der Liegewiese umsehen, am Sprungturm, am Volleyballfeld. Großes Augenmerk richtete das Gericht auf das Kassenhäuschen, in dem sich der Bademeister zum Zeitpunkt des Unfalls vor rund dreieinhalb Jahren befunden hatte. Eine Zeugin hatte bereits am zweiten Verhandlungstag ausgesagt, der Bademeister habe an seinem Tisch Zeitung gelesen. Eine Tageszeitung will die Frau gesehen haben.

Verteidiger Oliver Heinekamp hat daran seine Zweifel. Er hat gestern dazu eigene Fotos von dem Raum und besonders dem Tisch vorgelegt. Auf dem relativ kleinen Tisch steht eine große Registrierkasse, die Sprechanlage fürs Bad ist dort aufgestellt und noch so manches andere technische Gerät ist dort positioniert. „Eine Zeitung passt da gar nicht drauf“, hat Heinekamp dem Gericht mitgeteilt. Seine Fotos geben ihm recht.

Lehrpersonal muss Aufsicht führen

Heinekamp legte auch zwei Beweisanträge vor. Im Merkblatt der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen, das die Grundlage für die personelle Ausstattung eines Schwimmbads festlegt, sei in der zum Unfallzeitpunkt gültigen Fassung klar geregelt, dass bei Schul- und auch Vereinsschwimmen die Aufsichtspflicht allein beim Lehrpersonal liegt.

Damit ist für Heinekamp der Bademeister, den er vertritt, juristisch nicht für den Tod des Mädchens verantwortlich zu machen. Das hatte er zusammen mit seinem Kollegen Ralph Pittroff, der die Betreuerin des TSV Himmelkron vertritt, die ebenfalls auf der Anklagebank sitzt, schon vor Prozessbeginn deutlich gemacht. Aus Sicht der Anwälte sind ihre Mandanten freizusprechen, weil sie sich nichts zuschulden kommen ließen.

Zweiter Beweisantrag

In einem weiteren Beweisantrag hatte Oliver Heinekamp einen Ortstermin des Gerichts im Schwimmbad beantragt, der sich wohl nach den beeindruckenden 3-D-Bildern erübrigt haben dürfte. Der Verteidiger wollte durch den Augenschein beweisen, dass es unmöglich ist, jederzeit das ganze Bad im Blick zu haben.

Nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs könne einem Angeklagten nur dann eine pflichtwidrige Unterlassung angelastet werden, wenn der strafrechtlich relevante Vorwurf bei pflichtgemäßem Handeln mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert worden wäre, haben die Verteidiger argumentiert.

Das Verfahren wird am kommenden Donnerstag fortgesetzt.

Autor

Bilder