Ehemaliger Präsident der Regensburger Rocker soll aussagen – Staatsanwalt will kein Tribunal gegen LKA V-Mann-Prozess: Ex-Bandidos-Chef sagt aus

Von Manfred Scherer
 Foto: red

Im V-Mann-Prozess in Würzburg wird es ein brisantes Wiedersehen geben. Ralf K., der Ex-Präsident der Regensburger „Bandidos“, soll als Zeuge aussagen. Im Prozess gegen den Mann, der ihn verraten hat: Mario F. war bekanntlich durch das Landeskriminalamt (LKA) bei den „Bandidos“ eingeschleust. Pikant: Sowohl Ralf K. als auch Mario F. stehen zurzeit unter dem Zeugenschutz des Staates.

 
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Damals, im Jahr 2011, da war Ralf K. der Boss der kriminellen Rockerbande. Mario F. kam eines Tages als Anwärter dazu, wurde erst Lieferant von Frauen, brachte Prostituierte aus Tschechien in ein „Bandido“-Puff nach Oberhausen. Später besorgte er Drogen für die Rocker. Für Ralf K. war Mario F. sehr wertvoll: Weil Mario F. nicht mit den anderen „Bandidos“ saufen und Drogen konsumieren wollte, diente er sich dem „Präsi“ als Fahrer an.

Kronzeuge für die "Blutnacht von Straubing"

Der „Präsi“ und sein Fahrer fanden – nach allem, was man bislang weiß – auf unterschiedlichen Wegen unter die Fittichen der Zeugenschutzstelle bei der Kriminalpolizei für Zentralaufgaben (KPIZ) in Regensburg. Ralf K. machte nach der Zerschlagung der am Regensburger Keilberg residierenden Rockergang den Kronzeugen. Erst kürzlich sagte er wegen der sogenannten „Blutnacht von Straubing“ – einen Überfall von „Bandidos“ auf Mitglieder der Rockergruppe „Gremium“ kurz vor Weihnachten 2010 – gegen ehemalige Kumpane aus.

Rauschgift in der Unterhose

Mario F. schied im November 2011 bei den „Bandidos“ aus. Das LKA hatte seinen V-Mann abgeschaltet, nachdem er 23. November in Waldsassen mit zehn Gramm Crystal in der Unterhose erwischt worden war. Wegen dieses und anderer Rauschgiftgeschäfte im Raum Würzburg wurde Mario F. vor Gericht gestellt. Über sieben Jahre Haft verhängte das Landgericht Würzburg im August 2013.

Kein Beweis, weil die Akten gesperrt waren

Damals begann die V-Mann-Affäre im LKA. Mario F. hatte behauptet, er habe im Auftrag des LKA die „Bandidos“ als Dealer infiltriert, das Amt habe über seine Straftaten Bescheid gewusst, ihn gar dazu ermuntert und beauftragt. Beweisen ließ sich das nicht: Die Akten zu seiner V-Mann-Tätigkeit wurden gesperrt. Übergeordnetes staatliches Interesse zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität, argumentierte das Innenministerium.

Ermittlungen im Landeskriminalamt

Doch Mario F. bekam unerwartete Hilfe: In Person eines Ermittlers der Korruptionsdienststelle der Nürnberger Kripo. Der Hauptkommissar ermittelte wegen der dubiosen Umstände eines Baggerdiebstahls durch Regensburger „Bandido“-Mitglieder in Dänemark und fand heraus: Die Straftat – Mario F. fuhr damals den Laster mit drei gestohlenen Baggern nach Deutschland – war LKA-Leuten mutmaßlich vorab bekannt und sie vertuschten es. Zurzeit wird gegen sechs, zum Teil ranghohe LKA-Beamte, wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt ermittelt.

Plötzlich und unerwartet im Zeugenschutz

Erst, nachdem die Affäre Schlagzeilen machte und der Verdacht im Raum stand, dass das LKA Meldungen von Mario F. über schwere Straftaten bei den „Bandidos“ ignoriert haben könnte, kam der Ex-V-Mann im Dezember 2015 plötzlich und unerwartet in den Zeugenschutz: Für Aussagen über ein versuchtes Tötungsdelikt, die er ursprünglich schon während seiner V-Mann-Tätigkeit gemacht hatte.

Verteidigung will Tribunal übers LKA

Die LKA-Affäre hat Mario F.’s Lage verbessert: Die Ermittlungen gegen das LKA legen nahe, dass Mario F. die Wahrheit gesagt haben und das LKA den ersten Prozess gegen den Ex-V-Mann unzulässig beeinflusst haben könnte. Seine Verteidiger wollen, dass der neu aufgerollte Fall wegen des Zehn-Gramm-Schmuggels bei Waldsassen wegen rechtsstaatswidriger Tatprovokation eingestellt wird und den Fall zum Tribunal gegen das LKA machen.

Das ist der Pferdefuß: LKA-Beamte hätten Zeugnisverweigerungsrecht

Für ein solches Tribunal, das wurde am gestrigen vierten Prozesstag deutlich, ist der Würzburger Oberstaatsanwalt Boris Raufeisen nicht zu haben. Er hält die Beweisanträge der Verteidigung, die gerne aus den Ermittlungsakten der Nürnberger Kripo gegen das LKA zitieren lassen wollen, für unzulässig. Die LKA-Beamten seien selbst als Zeugen zu hören. Dies hat einen Pferdefuß: Da die LKA-Leute in einem Ermittlungsverfahren als Beschuldigte geführt werden, haben sie ein Zeugnisverweigerungsrecht. Auch den Hauptermittler der Nürnberger Kripo braucht Oberstaatsanwalt Raufeisen nicht als Zeugen. Tribunal oder nicht – entscheiden wird das das Gericht.

Die Strafkammer unter Vorsitz von Konrad Döpfner lehnte es gestern zunächst ab, den Kronzeugen Ralf K. und seine Ehefrau mittels Videovernehmung zu befragen. Es geht um Indizien: Die zehn Gramm aus Mario F.’s Unterhose will der V-Mann im Auftrag des „Bandido“-Präsi und seiner Frau beschafft haben – für eine Übertrittsparty mit „Hells-Angels“-Rockern. Diese Party wollte das LKA angeblich unbedingt observieren.

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