Aber der Autor galt auch als eitler Selbstdarsteller, als „Amerikas größter Satz-für-Satz-Angeber“ („Guardian“), der genüsslich die Schwächen anderer Menschen beschrieb. Wolfe leugnete das nie. „Wenn die meisten Schriftsteller ehrlich mit sich selbst wären, würden sie zugeben, dass sie nur das erreichen wollen: Vorher nahm sie niemand wahr, jetzt schon.“
Geboren wurde Wolfe in Richmond im US-Virginia in eine reiche Professoren- und Plantagenbesitzer-Familie. Seine Mutter führte ihn in die Künste ein, ließ den kleinen Tom in Ballett- und Stepptanz ausbilden, zeichnete und las viel mit ihm. Kaum neun, soll der Junge versucht haben, eine Biografie über Napoleon sowie einen illustrierten Band über Mozarts Leben zu schreiben.
Drei Antworten auf mehr als 100 Bewerbungen
Er studierte an der Elite-Universität Yale und bewarb sich dann als Journalist. „Ich habe mehr als hundert Bewerbungen an Zeitungen geschrieben“, erzählte er einst der „Paris Review“. „Drei Antworten habe ich bekommen. Zwei Absagen.“ Die „Springfield Union“ in Massachusetts stellte ihn an.
Über einige andere Zeitungsjobs landete Wolfe schließlich in New York und bei der Belletristik. „Acht Monate lang saß ich jeden Tag an meiner Schreibmaschine und wollte das „Fegefeuer der Eitelkeiten“ anfangen und nichts passierte. Mir wurde klar, dass ich es nur schaffen kann, wenn ich mir eine Abgabefrist setze.“
Das Werk über die Geldgier von Wall-Street-Bankern und Kredithaien erschien Mitte der 80er Jahre zunächst als Fortsetzungsroman in der Zeitschrift „Rolling Stone“ und wurde dann als Roman ein Welterfolg und mit Tom Hanks, Melanie Griffith und Bruce Willis verfilmt. Später folgten Erfolge wie „Ein ganzer Kerl“ und „Ich bin Charlotte Simmons“ sowie zahlreiche Reportagen und Essays.
Selbstzweifel
Die Selbstzweifel seien geblieben, sagte der zweifache Vater Wolfe, der mit seiner Frau im 14. Stock eines eleganten Appartementhauses direkt am Central Park wohnte. „Man geht jeden Abend ins Bett und denkt, dass man die brillantesten Seiten aller Zeiten geschrieben hat, und am nächsten Tag merkst du, dass es nur Gefasel ist. Manchmal auch erst sechs Monate später. Das ist eine konstante Gefahr.“ Trotzdem sei ihm die Lust an seinem Job nie vergangen, sagte er einmal in einem Interview. „Der größte Spaß am Schreiben ist das Entdecken.“