Türkei-Wahl: Erdogan als Alleinherrscher

Eine Anhängerin des «Ja»-Lagers hält in Ankara ein Plakat mit dem Konterfei von Präsident Erdogan und der Aufschrift «Mach dir keine Sorgen, die Welt kann unser Feind sein». Die Türken stimmten bei dem Referendum zur Einführung eines Präsidialsystems nach dem vorläufigen Ergebnis der Wahlkommission knapp mit «Evet» (JA). Foto: Burhan Ozbilici/AP/dpa Foto: red

In den Wochen vor dem Referendum hat Erdogan die Türkei gespalten wie nie zuvor. Der Tag der historischen Entscheidung zeigt dies noch einmal mit aller Dramatik. Er endet mit einem knappen Ergebnis. Und bei allem Widerspruch der Opposition mit einem Gewinner: Erdogan.

 
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Am Sonntagabend schiebt sich ein Autokorso durch die Nürnberger Innenstadt, nachdem bekanntgegebenem Sieg Erdogans. News5/Bauer

Nach dem knappen Sieg von Staatschef Recep Tayyip Erdogan beim Referendum in der Türkei will die Bundesregierung so schnell wie möglich den Gesprächsfaden mit Ankara wieder aufnehmen. «Der knappe Ausgang der Abstimmung zeigt, wie tief die türkische Gesellschaft gespalten ist», erklärten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Sigmar Gabriel am Montag. «Die Bundesregierung erwartet, dass die türkische Regierung (...) einen respektvollen Dialog mit allen politischen und gesellschaftlichen Kräften des Landes sucht.»

Am Sonntag hatten 51,3 Prozent der Türken für eine Verfassungsreform gestimmt, die dem Präsidenten deutlich mehr Macht gibt. Die Opposition in der Türkei hat angekündigt, das knappe Wahlergebnis anfechten zu wollen.

Merkel und Gabriel erinnerten die türkische Regierung daran, dass sie als Mitglied des Europarats, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und als EU-Beitrittskandidat Bedenken des Europarats gegen die neue Verfassung Rechnung tragen müsse. Die Bundesregierung nehme das vorläufige Abstimmungsergebnis «zur Kenntnis», heißt es in der Erklärung.

Ausnahmezustand soll verlängert werden

«Der abschließenden Einschätzung der OSZE-Wahlbeobachter am heutigen Montag soll nicht vorgegriffen werden. Die Bundesregierung misst dieser Bewertung besondere Bedeutung bei.» Der hart geführte Wahlkampf hatte das deutsch-türkische Verhältnis in eine tiefe Krise gestürzt.

Der nach dem Putschversuch in der Türkei im Juli vergangenen Jahres ausgerufene Ausnahmezustand soll einem Medienbericht zufolge erneut verlängert werden. Dafür sollten am Montag der Sicherheitsrat und dann das Kabinett zusammenkommen, die beide unter dem Vorsitz Erdogans tagen, berichtete der Sender CNN Türk.

Der Ausnahmezustand wurde seit der Verhängung zweimal verlängert und würde in der Nacht zum Mittwoch auslaufen. Er ermöglicht Erdogan mit Dekreten zu regieren, die auch ohne Zustimmung des Parlaments in Kraft treten.

Österreichs Außenminister Sebastian Kurz erneuerte seine Forderung nach einem Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit Ankara. Das knappe «Ja» der Türken bei der Verfassungsreform sei «ein klares Signal gegen die Europäische Union». Nun müsse die EU reagieren. «Die Zeit des Taktierens muss endlich vorbei sein.» 

Erdogan verspricht politische und wirtschaftliche Stabilität

Die Türkei-Berichterstatterin des Europaparlaments, Kati Piri, erklärte, eine Umsetzung der geplanten Verfassungsänderungen in ihrer Gesamtheit würde zu einem Stopp der Beitrittsverhandlungen führen. «Das Land kann der EU nicht mit einer Verfassung beitreten, die die Gewaltenteilung nicht respektiert.» Dennoch habe das Referendum gezeigt, dass Millionen türkischer Bürger europäische Werte teilten und eine andere Zukunft für ihr Land gewählt hätten. Ihnen dürfe die EU die Tür nicht verschließen.

Erdogan hatte unter anderem mit dem Versprechen von politischer und wirtschaftlicher Stabilität für das von ihm angestrebte Präsidialsystem geworben. Börsen und Aktienmärkte reagierten am Montag positiv aus den Ausgang der Abstimmung. Zugleich vermeldete das Statistikamt neue Einbrüche am Arbeitsmarkt.

Die Arbeitslosenquote der 15- bis 24-Jährigen habe im Januar bei 24,5 Prozent gelegen - ein Anstieg um 5,3 Punkte verglichen mit dem Vorjahresmonat. Damit sei inzwischen fast jeder vierte Jugendliche und junge Erwachsende arbeitslos. Die Arbeitslosenquote insgesamt legte im Januar um 1,9 Punkte auf 13 Prozent zu.

dpa

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