„Du bist ein Kasper" – nach der Äußerung beendete der Bürgermeister die Gemeinderatssitzung – formal richtig Tri, tra, Fichtelberg

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"Du bist ein Kasper." Dieser Satz beendete eine Gemeinderatssitzung in Fichtelberg. Foto: dpa Foto: red

Als der Kasper kam, war die Sitzung zuende. Weil Jürgen Köferl (CSU) den Zweiten Bürgermeister mit dem Satz „Du bist ein Kasper" abgekanzelt hatte, brach Bürgermeister José-Ricardo Castro Riemenschneider (CSF) die Sitzung des Gemeinderates ab. „Völlig korrekt", heißt es beim Bayerischen Gemeindetag. Dort ist Oberfranken als besonders heißes kommunalpolitisches Pflaster bekannt.

 
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Der Streit um die Reihenfolge von Wortmeldungen eskalierte, bis der Kasper-Satz Köferls fiel. Daraufhin verwies der Bürgermeister ihn des Saales. Aber Köferl wollte nicht gehen. „Dann lasse ich mich abführen", sagte er. Und er hatte recht: Denn des Bürgermeisters letzte Möglichkeit wäre es gewesen, ihn „mit unmittelbarem Zwang", also mit Polizeigewalt, aus dem Sitzungssaal führen zu lassen. „Der Bürgermeister darf das, weil er die Sitzung leitet" und weil er Hausrecht habe, sagt Wilfried Schober vom Bayerischen Gemeindetag, einem Verband von 2000 Gemeinden in Bayern. Allerdings sei es besser, eine Eskalation zu vermeiden und die Sitzung zu vertagen.

Am Morgen danach waren die Rauchschwaden bei den Beteiligten längst wieder verraucht. Castro sagte, „ich werde das auf sich beruhen lassen". Auch Rudolf Elvers (FW) hatte sich wieder beruhigt und „erstaunlich gut geschlafen". Anzeigen werde er Köferl nicht. Erstens, weil die Formulierung „juristisch butterweich" gewesen sei. Und zweitens, weil derjenige, der in der Öffentlichkeit steht, auch „einen gewissen Druck" aushalten müsse. Und überhaupt, könne er sich den „Kasper" gar nicht erklären.

„Elvers hat permanent den Kasper gespielt"

Das aber kann Jürgen Köferl. Der will während der Sitzung immer wieder gesehen haben, wie Elvers „lachte" oder „Grimassen" schnitt. Was auch Fraktions-Kollegin Marianne Specht bestätigt. „Elvers hat permanent den Kasper gespielt", sagt Köferl, das habe ihn provoziert. Außerdem sei in der politischen Diskussion auch eine gewisse Tonlage erlaubt.

Stefan Pecher (CSF), ging allerdings die Tonlage zu weit. Er hatte nach dem Kasper-Satz einen Antrag zur Geschäftsordnung gestellt und wollte Köferl von der Sitzung ausschließen. Auch das war laut Bayerischer Gemeindeordnung „völlig in Ordnung." Wer sich in der Ausübung seiner Tätigkeit als Gemeinderat „beeinträchtigt" fühle, könne statt politisch auch „rechtlich" argumentieren, sagt Schober. Entweder eine Pause beantragen, das Ende der Sitzung oder den Ausschluss des Strörenfriedes.

Eine gewisse Tonlage ja, aber „ohne Straftaten", sagt Schober vom Gemeindetag. Und dazu zählen auch Beleidigungen. Ob der „Kasper" allerdings schon eine Beleidigung ist, daran zweifelt er. Die südbayerische Übersetzung wäre etwa „A Hund isser scho" – also fast eine Art Anerkennung. Kennzeichen für eine Beleidigung sei, dass sie ehrabschneidend sei, so dass jemand in der Öffentlichkeit blamiert da steht und sich nicht mehr sehen lassen kann.

Eine gewisse Tonlage ja, aber „ohne Straftaten", sagt Schober vom Gemeindetag. Und dazu zählen auch Beleidigungen. Ob der „Kasper" allerdings schon eine Beleidigung ist, daran zweifelt er. Die südbayerische Übersetzung wäre etwa „A Hund isser scho" – also fast eine Art Anerkennung. Kennzeichen für eine Beleidigung sei, dass sie ehrabschneidend sei, so dass jemand in der Öffentlichkeit blamiert da steht und sich nicht mehr sehen lassen kann.

In oberfränkischen Gemeinderäten wird heftig debattiert

Doch was ist noch Folklore und wo beginnt die Beleidigung? „Das ist eine Geschmacksache, letztlich entscheidet der Richter", sagt Schober. Aber er warnt vor „stromlinienförmigen" Kommunalpolitikern. Der Gemeinderat sei ein Spiegelbild der Gesellschaft. Es sollten auch knorrige Charaktere dort sitzen. „Nicht lauter stromlinienförmige Verwaltungsleute, Lehrer oder Juristen", sagt Schober, der selbst Jurist ist, sondern auch Handwerker, Feuerwehrleute und Hausfrauen. „Ein buntes Bild der Gesellschaft." Auch von der Tonlage her. Menschen, die sich trauen „Das versteh ich nicht" oder „So ein „Schmarren" zu sagen. Als Bürgermeister dürfe man nicht gleich so zimperlich sein. Sonst laufe man Gefahr, nur noch Duckmäuser im Gemeinderat zu haben. „Und das ist nicht gelebte Demokratie." Aber sobald die Räte in den Bereich der Straftaten gehen, etwa mit Beleidigungen – „da wandelt man auf dünnem Eis". Dies stoße die Wähler ab und leiste der Demokratie einen Bärendienst.

Allerdings räumt Schober ein, dass das Phänomen heftigster Debatten, teils mit persönlichen Nuancen, hauptsächlich in Oberfranken zu finden sei. Nirgends gebe es so viele Probleme wie hier. Nirgendwo anders gehe es um so viele „Grabenkämpfe" wie hier. „Wir rätseln über das Warum." In anderen Regionen Bayerns häufe sich dies nur um die Zeit der Wahlkämpfe, wenn Politiker sich zu profilieren versuchten und auf Provokationen setzten. „Dann aber läuft es wieder normal."

Symbolbild: dpa

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