Praktikant hat im Altenheim 100-Jährige erstickt Todespfleger in Fesseln vor Gericht

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Sebastian S. hält sich einen Ordner vors Gesicht - so wie es ihm sein Anwalt geraten hat. Foto: Lapp Foto: red

Vor der Verhandlung las sie „Schweres Beben", einen Roman über ein Familiendrama. Ein Drama erlebt die Mutter von Sebastian S. auch: Ihr 18-jähriger Sohn steht  vor Gericht, weil er im Juni vergangenen Jahres eine 100-jährige Frau erstickt haben soll.

 
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Maria F., sie war blind, hatte starke Schmerzen und sie hatte nur einen Wunsch: getötet zu werden. Sebastian S., der damalige Praktikant im Seniorenheim St. Elisabeth in Scheßlitz erstickte sie mit einem Kissen.Vor dem Jugendgericht in Bamberg hat er dies gestern eingeräumt, schon bald nach der Tat hatte er sich auch der Polizei offenbart. Die alte Frau hatte seinen ersten Versuch, sie mit dem Kissen zu ersticken, überlebt. Am nächsten Tag drückte er ihr nochmal ein Kissen aufs Gesicht. Sebastian S. gestand auch, dass er in dem Heim, in dem er als Praktikant letzten Sommer war, sechs mal Geld und Kreditkarten gestohlen hat. Sogar an dem Tag, als er die Frau erstickte, bestahl er eine Kollegin.

Bekannte Akademikerfamilie

Angeklagt hatte ihn Staatsanwalt Bernhard Lieb wegen eines Falles der Tötung auf Verlangen und wegen eines Versuchs dazu. Wahrscheinlich wird es am Donnerstag schon ein Urteil geben, sagt Mathis Rudy, der Sprecher des Landgerichtes Bamberg. Ein klarer Fall also? „Das kann ich nicht kommentieren", sagt Rudy. In dem Fall müsse er höchste Geheimhaltung wahren, mit der „größten Sensibilität" herangehen: Es handle sich um einen „jungen Mann, einen schweren Vorwurf und ein bekanntes Umfeld". Wenn zu viel bekannt würde, könnte das Schaden anrichten. Die beiden Schwestern von Sebastian S. gehen noch zur Schule, die Akademikerfamilie ist in der Region bekannt.

Über den Keller führten zwei Beamte Sebastian S. in den Gerichtssaal, in dem eigens die Jalousien geschlossen werden mussten. Die Verhandlung fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Eine Ausnahme machte das Gericht unter Vorsitz von Manfred Schmidt bei der Mutter. Sie sagte nicht aus, durfte aber trotzdem dabei sein. Anfangs sei sie gefasst gewesen, am Ende des Tages wirkte sie mitgenommen. Zum Gericht kam ihr Sohn frühmorgens in Turnschuhen, Jeans und in Handschellen. Sogar am Bauch war er gefesselt. „Richtig in Ketten", sagte sein Anwalt Ralph Heinrich. Ein Wagen seiner jetzigen Unterkunft in Wunsiedel, wo er anstelle einer U-Haft untergebracht war, hatte ihn gebracht. Sobald er die beiden Fotografen sah, hielt er sich einen Aktenordner vors Gesicht, wie es ihm sein Anwalt geraten hatte.

Tat per SMS mitgeteilt

Vernommen wurden am Mittwoch die ersten 16 von insgesamt 20 Zeugen, auch aus dem Freundeskreis von Sebastian S. Der Junge aus sogenanntem guten Hause, selbst vorbestraft, war in bestimmte Kreise geraten. Ihnen hatte er per SMS seine Tat mitgeteilt – und die Polizei auf die Spur gebracht. Nach einem Streit um Geld seien sie zu dem Heim gefahren um die Angaben ihres Freundes zu überprüfen. Der Anführer der Clique, selbst vorbestraft, sagte vor Gericht sinngemäß: Sebastian sei nicht mehr wichtig für sie. Lob kam dagegen von Sebastians Ex-Kollegin – der er 400 Euro gestohlen hatte. Sein Vater hatte diesen Betrag später erstattet. Sebastian sei besonders liebevoll mit den alten Menschen umgegangen, sagte die Kollegin, er sei sehr beliebt gewesen. Überfordert habe ihn, sagten Zeugen, dass ein alter Mann ihn mit Essen bespuckt habe.

Sebastians Vater schilderte nach Angaben des Rechtsanwalts ausführlich die Schwierigkeiten, die der Sohn der Familie bereitete: Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom, schlecht in der Schule, dann das Abdriften in schlechte Gesellschaft. Es folgen Sachbeschädigungen und Diebstähle. Aber gerade deswegen sieht das Gericht „schädliche Neigungen", salopp gesagt einen Hang zur Kriminalität. Dann aber wäre bei einem Jugendlichen keine Bewährungsstrafe mehr möglich. Zu seinen Gunsten spricht das volle Geständnis. Allerdings attestieren ihm mehrere psychiatrische Gutachten auch eine Diskrepanz zwischen innerer und äußerer Gestik. Wenn's bei ihm brenzlig wird, kann es sein, dass er sich zurücklehnt und lächelt. Das spreche für eine gewisse Unreife, so ein Prozessbeteiligter. Das Strafmaß liegt zwischen zweieinhalb und vier Jahren. Das Urteil fällt am Donnerstag.

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