Thema Kommunalwahl: Nicht vergessen: Wählen gehen!

Von Joachim Braun
 Foto: red

Der Demokratie in Deutschland geht es schlecht. Jedenfalls muss das glauben, wer Wähler-Umfragen auswertet, sich die Liste der gescheiterten Bundespräsidenten ansieht, Sarrazin-Bücher liest oder sich Gedanken macht um den schlechten Ruf der Politiker (und der Journalisten). Aber ganz ehrlich: Das ist alles Quatsch. Uns geht es gut, richtig gut!

 
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Jammern ist ein wichtiger Teil unserer täglichen Selbstbestätigung und der Ausdruck dessen, dass alles passt. Wer weiß das besser als die Oberfranken? Am schönsten formulierte dies einst der überzeugte Ruhrgebietsbewohner Frank Goosen in einem Heimatbuch: „Woanders is auch scheiße.“

Also können wir angesichts des allgemeinen Wehklagens über Hoeneß und all die anderen bedeutenden Menschen in unserer Gesellschaft höchst zufrieden sein. Dass Horst Seehofer trotz der täglichen Meinungspirouetten immer noch beliebter ist, als es Franz Josef Strauß je gewesen sein mag, bestätigt das – womit sich auch die Qualität unserer Gesellschaft jeden Tag aufs Neue zeigt. Und trotzdem gibt es Anlass, achtsam zu sein. Denn Demokratie lebt von Beteiligung. Und wo zeigt sich Beteiligung am besten? Na klar, bei Wahlen. Wenn nur die Hälfte der Erwachsenen in der Stadt und in der Region Bayreuth daran interessiert ist (Stand 2008), mitzubestimmen, wer bei ihnen das Sagen hat, dann stimmt das bedenklich. Wer lautstark über Politik schimpft, anstatt sie am morgigen Sonntag durch sein Kreuzchen bei der Wahl mitzubestimmen oder gar selber für ein öffentliches Amt zu kandidieren, der erkennt seine Verantwortung für dieses System nicht. Dazu gehört auch, sich zu informieren, zu wissen, wer sind diese Menschen, die in den Stadtrat, in den Gemeinderat, in den Kreistag wollen? Oder gar diese 62 Kandidaten, die im Landkreis unbedingt Bürgermeister werden wollen? Ein Amt, das meistens wahrlich nicht vergnügungssteuerpflichtig ist.

Ich behaupte mal, dass unsere Zeitung in den vergangenen sechs, acht Wochen allen Lesern genügend Möglichkeiten gegeben hat, sich zu informieren. Es waren – geschätzt – fast 100 Seiten, auf denen wir Kandidaten und Listen, Versprechen und Visionen vorgestellt haben, dazu kamen Diskussionen und das Wahlmobil – so viel Politik gab’s nie im Kurier. Wer Weltnachrichten verfolgt, wer fernsieht und liest, wie gerade in der Ukraine, aber auch in der Türkei und zuvor in Arabien Menschen ihr Leben aufs Spiel setzen und manche für Demokratie auch sterben, der muss ins Nachdenken kommen. Sterben für was? Für das Recht auf (freie) Wahlen, für Meinungsfreiheit, für gleiche Regeln für alle? Das käme uns nie in den Sinn. Wir haben uns in den vergangenen bald 70 (oder auch 25) Jahren daran gewöhnt, dass die Gewaltenteilung in diesem Staat funktioniert, dass dieser Staat unsere Rechte schützt. So sehr haben wir uns daran gewöhnt, dass wir nicht einmal mehr wählen gehen.

Wie schwach ist das denn? Und wie schwach ist es, dann auch noch über Politiker zu schimpfen? Über Menschen, die etwas tun wollen, die – jedenfalls die meisten – das Gemeinwohl im Blick haben und sich engagieren, die natürlich auch nicht fehlerlos sind. Aber sind wir das denn? Es ist leicht, über die Politik zu schimpfen, aber aufwendig, sich dort zu engagieren. Und darum gebietet allein der Respekt, dass wir am Sonntag eins nicht „vergessen“: Wählen gehen!

Symbolbild: pa

Hinweis: Mehr zum Thema Wahl finden Sie in unserem Sonderthema Kommunalwahl 2014.


joachim.braun@kurier.tmt.de