Wollen wir mal hoffen, dass die Vorhersage falsch ist, dass auch diesmal weniger Wähler ihr Kreuzchen für Europa setzen werden – nachdem die Unkenrufer offenbar in den Niederlanden irrten (siehe rechts), als sie ein Erstarken der EU-Gegner vorausgesagt hatten. Wollen wir’s hoffen, dass das Europäische Parlament die Wertschätzung erfährt, die es verdient und nicht Skeptiker und Ignoranten die Deutungshoheit gewinnen.

Mal ganz ernsthaft: Wem ist denn wirklich noch bewusst, was alles wir der revolutionären Idee unserer Großväter, ein einiges Europa zu begründen, verdanken?

> Frieden. Aber ja, der ist inzwischen jedoch zur Selbstverständlichkeit geworden, trotz Balkan, Ukraine und Syrien.

> Grenzenloses Reisen. Haben wir uns auch daran gewöhnt. Oder erinnert sich noch jemand, wie das damals war, wenn an der Grenze zu Österreich ein strenger Zöllner den Pass kontrollierte? Von der Grenze zur CSSR, dem heutigen Tschechien, ganz zu schweigen.

> Den Euro. Aber hat uns der nicht das Griechenland-Desaster und die größte Schuldenkrise aller Zeiten gebracht? Nein, hat er nicht, ursächlich für die Probleme (die uns in Deutschland ja bisher nicht wirklich betroffen haben) sind politische Fehler, aber nicht die Gemeinschaftswährung als solche.

> Einen vorbildlichen Verbraucherschutz, eine einheitliche Landwirtschaftspolitik und eine Regionalförderung mit dem Ziel gleicher Lebensbedingungen.

An all dies denkt der Deutsche nicht, wenn das Schlagwort EU kommt. Doch sind die Erfolge dauerhafter und tiefgreifender als all die Probleme in der Gemeinschaft, die in den Stammtisch-Debatten Vorrang haben. Und vergessen wir nicht, dass das Europäische Parlament, das am Sonntag zum achten Mal direkt gewählt wird, mehr demokratische Rechte hat als je zuvor und immer stärker Kontrolle über die Eurokratie ausübt.

Europa ist weit weg, aber: Europa sind wir alle. Und darum lohnt es sich, zur Wahl zu gehen. Auf dass die Meinungsforscher unrecht haben.


joachim.braun@kurier.tmt.de