Thees Uhlmann und der nette Sensenmann

Von Wolfgang Karl
Charmanter Mangel an Routine: Mit Thees Uhlmann begann das Festival "Leselust". Foto: Andreas Harbach Foto: red

Das Festival "Leselust" begann diesmal mit dem Ende. Und mit einem Autor, der zeigte, dass Routine gnadenlos überschätzt wird: Thees Uhlmann begeisterte das Publikum im Zentrum mit seiner Lesung aus „Sophia, der Tod und ich“. Und plaudert aus seinem Leben.

 
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Uhlmann ist ein Phänomen: Zu Beginn seines Leseabends im Zentrum legt er gleich mit dem Ende los - mit dem Ende seines Protagonisten. Das könnte bei einem anderen Autor, einem anderen Roman zumal, eine Zumutung werden. Man hat gelöhnt, für eine Eintrittskarte ins Zentrum, und kaum begonnen ist der Abend auch schon wieder vorüber.

Was er natürlich nicht ist.

In Uhlmanns Debüt-Roman „Sophia, der Tod und ich“ passiert auch nach dem Beginn des Sterbevorgangs noch viel. Das Einchecken für die Reise ins Jenseits läuft ohnehin etwas arg geschäftsmäßig ab. Keine düstere Musik, keine Donnerstimme, kein Blitzen der Sense. Nein, der Tod klingelt einfach an der Tür.

Als der Protagonist gerade bereit ist, zu sterben, klingelt es ein zweites Mal: Seine Ex-Freundin Sophia steht vor der Tür – und schimpft erst einmal kräftig. Das hält sie den ganzen Roman lang durch, was schon für sich lustig wirkt. Da das Sterben ja gerade ohnehin unterbrochen ist, kann man ja auch gleich noch die Mutter des Erzählers besuchen. Mit dem Tod, seiner Ex-Freundin und seiner Mutter macht er sich dann noch auf den letzten Roadtrip zu seinem verlorenen Sohn – verfolgt von einem jüngeren Tod, der dem alten seine Arbeit abluchsen möchte.

Herrlich unterkühlt

Die Story wirkt verwirrend – und das ist sie auch. Gerade deshalb kann man dem Protagonisten seine beständige Überforderung nachempfinden. Am Ende verliert er sich in Resignation, mit allem Sarkasmus, den Norddeutschland zu bieten hat. Der ganze Roman kommt herrlich unterkühlt daher, auf eine durchaus nicht unfreundliche Art und Weise, die man gern als „norddeutsch“ bezeichnet.

Uhlmann schafft Nähe und Distanz zugleich. Er geht mit dem Thema lässig um, aber beileibe nicht ohne Respekt. Im einen Augenblick fürchtet man, vielleicht doch etwas nah am Wasser gebaut zu sein. Jedenfalls kribbelt es verdächtig in den Augenwinkeln. Zwei Zeilen darauf lässt Uhlmann einen schon wieder loskichern.

Er macht das erst seit einer Woche

Und weil Uhlmann selbst so ein herrlich Ruheloser ist, gestaltet er dies bei seiner Lesung noch aus. Er redet sich in Rage, verhaspelt sich auch mal und wird dann wieder ganz ruhig, ja melancholisch. Die Zuschauer im Zentrum folgen jedem seiner Worte, lachen schallend. Und schweigen betroffen.

Als Musiker muss man Thees Uhlmann kaum vorstellen. Er und seine Band Tomte sind ein Begriff.

Umso sympathischer kommt er rüber, er, der erfahrene Bühnenmann, wenn er dann doch ernstlich nervös wirkt. Beim Lesen wirkt er ruhig, das sitzt. Doch in den Geschichten zum Buch verfährt er sich schon mal, kommt vom Hundertstel ins Tausendstel, nur, um irgendwann den Faden wieder aufzunehmen. Dazu zittern im auch ein wenig die Hände, wirkt seine Stimme etwas schriller als normal, vernuschelt er auch mal ein Wort. Schließlich macht er das auch erst seit einer Woche, das Vorlesen. Es ist dann doch etwas anderes, so allein mit Buch und Tisch und dem Publikum. Keine Gitarre zum Festhalten, kein Rudel namens Band um sich.

Ein guter Anfang

Uhlmann meistert diese neue Herausforderung dann doch. Es wirkt, als sei man in sein Wohnzimmer geladen, so begeistert plaudert er aus dem Nähkästchen. Von alkoholgesättigten Nächten auf Sankt Pauli, von der Geduld des Verlags, von der Liebe zu seiner eigenen Mutter. Davon erzählt uns Thees Uhlmann zwischen den Lesestücken. Das ist letztendlich das wirklich Wertvolle an diesem Abend, an dem Uhlmann ein wenig wirkt wie der Sensenmann in seinem Buch: ein Kind in der Gestalt eines Erwachsenen. Jemand, der sich freut über die Menschen, die da ins Zentrum kommen. Zu ihm. Zu seinem Buch. So richtig kann er es nicht fassen.

Jedem Anfang soll ein Zauber innewohnen, sagte mal ein routinierterer Autor, als es Uhlmann jemals sein wird. Für diesen Auftakt der „Leselust“ stimmte das auf alle Fälle. Ein guter Anfang. Auch wenn er vom Ende handelte.

Hier lesen Sie ein Interview mit Thees Uhlmann.

INFO: Die nächsten Termine bei „Leselust“: Am Sonntag liest Ildikó von Kürthy bei Leselust, am Mittwoch folgt bereits ausverkauft - das „Best of der Kurier-Leser“. Kerstin Gier liest am 13. Februar aus „Silber - Das dritte Buch der Träume“.

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