Terror hält Touristen fern

Von Martin Sistig
Die Istiklal Caddesi, die Straße der Unabhängigkeit in Istanbul. Foto: AFP/Yasin Akgul Foto: red

Die Explosionen in Brüssel bringen das Bedrohungsszenario näher denn je. Doch auch die vergangenen Anschläge in Istanbul und Ankara im Januar und März lassen Deutschland nicht unberührt, denn die Urlaubszeit steht vor der Tür. Für den türkischen Tourismus eine Katastrophe. Schnäppchenjäger können sich aber wohl bald schon freuen.

 
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Die Börsen reagierten sofort als sie am Dienstagmorgen die Meldungen zu den Explosionen im Brüsseler Flughafen und der Metro erreichten: Die Aktienkurse von Fluggesellschaften und Reiseanbietern sackten zum Handelsstart um mehrere Prozentpunkte ab. Ob die jüngsten Attentate aber auch direkte Auswirkungen auf den Auslandstourismus haben werden, ist noch ungewiss. Weder die lokalen Reisebüros noch der Deutsche Reiseverband konnten gestern mögliche Folgen der Brüsseler Terroranschläge abschätzen. Dass gerade die Tourismusbranche mit den Konsequenzen des Terrors zu kämpfen hat, zeigen die Buchungszahlen für Reisen in die Türkei.

Noch 2015 stand die Türkei auf Platz drei der beliebtesten Auslandsurlaubsziele der Deutschen. Mit 5,6 Millionen Urlaubern wurde ein neuer Rekordwert mit einem Wachstum von guten vier Prozent zum Vorjahr verzeichnet. Besonders im Frühjahr und Sommer sind die Mittelmeergebiete gefragte Reiseziele: „Für Familien ist die Türkei eigentlich das optimale All-inclusive-Ziel“, sagt Anja Kruse, die Geschäftsführerin des Tui Reisecenters in Bayreuth. Diese Zeiten seien allerdings vorbei.

Buchungszahlen für die Türkei sind drastisch gesunken

Die Buchungszahlen für Türkeiurlaube lagen schon Anfang 2016 40 Prozent unter den Vorjahreswerten, vermeldet der Deutsche Reiseverband (DRV). Für Ägypten und Tunesien sieht es ähnlich aus. Martin Bayer, der Geschäftsführer des Derpart Reisebüros in Bayreuth, glaubt die Gründe zu wissen: „Die gefühlte Bedrohung ist mit den neuesten Anschlägen enorm gestiegen.“ Auch wenn die Urlaubsziele an der türkischen Riviera nie betroffen waren, seien die Urlauber unsicher. Anja Kruse ergänzt, dass der Istanbulanschlag im Januar den gesamten Türkei-Tourismus geschädigt habe, und prognostiziert: „Das wird ein richtig schlechtes Jahr für die Türkei.“

Zu Umbuchungen oder Stornierungen als direkte Reaktion auf den Anschlag vom 19. März in Ankara kam es jedoch nicht. Nach dem Istanbulattentat im Januar wurde im Tui Reisecenter jedoch danach gefragt. Für Istanbulreisen bestünde durch die Reise- und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes auch je nach Anbieter die Möglichkeit einer kostenlosen Stornierung. Erst bei einer Reisewarnung ist eine Stornierung bei den meisten Anbietern einfach möglich. Diese ist allerdings für die Türkei nicht ausgesprochen. Auf der Internetseite des Auswärtigen Amtes heißt es: „Reisenden in Istanbul wird geraten, öffentliche Plätze, auch touristische Attraktionen und allgemein Menschenansammlungen in den nächsten Tagen zu meiden.“

Martin Bayer sieht den Auslöser des sehr zurückhaltenden Türkei-Tourismus aber nicht nur beim Anschlag in Istanbul: „Es gibt kein einzelnes Ereignis, an dem man den Buchungsrückgang festmachen kann. Es ist viel mehr ein längerer Prozess der zu den zurückhaltenden Reiseplänen in die Türkei geführt hat.“ Die Leute warteten ab, wie sich die Lage entwickele. Auch der DRV betont, dass man sich noch in der Frühbucherphase befinde und auf Spät- und Lastminutebucher hoffe.

Die Deutschen suchen Alternativen

Vor allem die Mittelmeergebiete Westeuropas haben einen großen Zulauf, aber auch Deutschland und Bulgarien sind Ausweichziele, teilt der DRV mit. Diese Tendenz sieht Sarah Lopau vom Deutschen Tourismusverband noch nicht: „Für deutsche Urlaubsorte ist die Nachfrage im Vergleich zu den Vorjahren konstant.“ Mit Ausweichströmen von Türkeiurlaubern rechnet sie nicht.

Martin Bayer ist skeptisch: „Alle deutschen Türkeibesucher können nicht komplett anderweitig untergebracht werden.“ Spanien, Portugal und Italien seien in den vergangenen Jahren schon ausgebucht gewesen und können die vielen zusätzlichen Touristen nicht auffangen. Bayer glaubt, dass bald Topangebote für den Türkeiurlaub angeboten würden, die den Tourismus wieder ankurbeln könnten. Schon jetzt haben einige Reiseveranstalter deutlich vergünstigte Angebote im Programm, einige Flugunternehmen haben schon ganze Flugketten gestrichen. Gleichzeitig stiegen die Preise für Spanien und Co aber durch die erhöhte Nachfrage an, sagt Bayer. Schnäppchenjäger und auch Türkei-Liebhaber ließen sich seiner Meinung nach auch 2016 nicht abschrecken und würden an die türkische Riviera fliegen. Das Preis-Leistungs-Verhältnis sei im Gegensatz zu anderen Mittelmeerregionen unschlagbar.

„Ein gewisses Terrorrisiko ist überall vorhanden“, sagt Bayer. Dass in der Türkei nicht nur die Terrormiliz IS Anschläge verübe, sondern auch PKK-nahe Gruppierungen, würde die Lage zusätzlich unsicher machen. Sibylle Zeuch vom DRV meint aber: „Die Menschen sollten sich ihre Lust Am Reisen und ihre Reisefreiheit nicht nehmen lassen, das wäre ein Sieg für die Terroristen.“