Studiobühne: Rufmord oder Missbrauch?

Von Michael Weiser
In der Grauzone: Schwester Aloysius (Birgit Franz), Vater Flynn (Martin Kelz) und Schwester James (Mirjam Theil). Foto: Ronny Kropf/red Foto: red

Missbrauch? Oder doch Verleumdung eines angesehenen Lehrers? In "Zweifel" schickt der Autor John Patrick Shanley die Zuschauer in ein Wechselbad. Zu sehen ab Freitag in der Studiobühne.

 
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Das Stück, um das es in den folgenden Zeilen geben wird, handelt von Missbrauch - oder zumindest von der Möglichkeit eines Missbrauchs. Und es ist ein sehr erfolgreiches Stück. "Zweifel", geschrieben von John Patrick Shanley, wurde 2005 am Broadway uraufgeführt und bescherte seinem Autor Pulitzer-Preis und Tony-Award. Die Studiobühne hat sich das Stück für ihre nächste Premiere vorgenommen, und natürlich fragt man sich: Machen die das wegen der Aktualität, ein paar Jahre, nachdem das Thema Missbrauch an diversen Schulen für große Turbulenzen gesorgt hat? Oder machen sie's, weil ein so erfolgreiches Stück auch in Bayreuth ein Versprechen auf Zuschauerzuspruch ist?

Es liegt Unruhe in der Luft

"Klar auch deswegen, weil das Thema immer mal wieder aktuell ist", sagt Regisseurin Anja Dechant-Sundby. "Vor allem aber deswegen, weil dieses Stück so viel atmosphärische Dichte hat." "Zweifel" spielt in einer Zeit, die unsere sein könnte: Das Alte ist noch da, aber lediglich als Fassade. Das Neue hat sich schon angekündigt, in seinem Umfang aber und seiner Wirkung ist es nur zu erahnen. 1964 also; es tagt das zweite Vatikanische Konzil, einige afrikanische Staaten erlangen die Unabhängigkeit, Breschnew beerbt Chruschtschow als Parteichef der UdSSR, die Beatles belegen die Plätze 1 bis 5 in den US-Charts, unter Lyndon B. Johnson rutschen die USA immer tiefer in das Debakel des Vietnamkriegs. Wer über eine feine Witterung verfügt, ahnt vielleicht, dass Unruhe in der Luft liegt.  

Kampf um die Wahrheit

In diesem Klima des Abwartens, der Unsicherheit spielt "Zweifel". Die Geschichte: Schwester Aloysius leitet eine kirchliche Schule, an der Vater Flynn als Lehrer arbeitet. Vater Flynn ist beliebt, mit seinen modernen Ansichten ist er der Schulleiterin ein Dorn im Auge. Als die junge Schwester James der  Schulleiterin  von Flynns freundschaftlichem Umgang mit dem farbigen Schüler Toni Miller berichtet, ist ihr Misstrauen geweckt. Sie bezichtigt  Vater Flynn des Missbrauchs. Er streitet alles ab, sie sucht obsessiv nach Hinweisen. Und Schwester James wird zum Spielball in einem erbitterten Kampf um die „Wahrheit“.

"Es ist ein emotional  intensives Stück", sagt Dechant-Sundby, die ihre Inszenierung von eineinhalb Stunden deswegen, untypisch für die Studiobühne, nicht mit einer Pause unterbrechen wird - eben damit die Spannung nicht abfallen kann. Was auch die Probenarbeit anstrengend machte - ihre vier Schauspieler seien nach den Probe-Durchläufen emotional am Ende gewesen. 

So schnell landet man auf der schwarzen Liste

Es hört sich spannend an, allerdings auch fordernd. Die Zuschauer werden womöglich Partei ergreifen - und im nächsten Augenblick gute Argumente zum Seitenwechsel mitbekommen. "Das Stück wird sicher den einen oder anderein in Zweifel stürzen", sagt Dechant-Sundby. "Man ist immer am überlegen - ist das nun eine Hetzjagd auf den Lehrer, oder war da ein Missbrauch eines Jungen?" Sie hört sich in diesem Augenblick an, als wüsste sie es selber nicht. "Vielleicht ist da eine Grenzüberschreitung passiert, vielleicht wird da auch nur etwas hochgekocht. Wenn man mal einen kleinen Makel weghat, dann ist man schnell auf der Abschussliste."

INFO: Premiere am Freitag, 2. Dezember, 20 Uhr, nächste Termie am 8., 10., 17., 20., 30., 31. Dezember.

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