Michael Pfitzner, Vorsitzender des Kulmbacher Arbeitskreises Schule-Wirtschaft, kritisiert Studie Studie: Miese Noten für die Schule

Von Stefan Linß
Eine neue Studie stellt dem deutschen Bildungssystem wieder schlechte Noten aus. Ein Kulmbacher Schulleiter widerspricht. Foto: Hendrik Schmidt/dpa Foto: red

Nicht erst seit dem schlechten Abschneiden deutscher Schüler in der ersten Pisa-Studie im Jahr 2000 sieht sich das Bildungssystem harter Kritik ausgesetzt. Damals war es ein Schock. Fünf Jahre zuvor gab es bereits die Mathematikstudie Timms, erinnert sich Michael Pfitzner. Seitdem warnt der Leiter der Volksschule Stadtsteinach, voreilig falsche Schlussfolgerungen zu ziehen. So auch nach der neusten Studie.

 
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Die Timms-Studie habe beispielsweise gezeigt, dass Schüler in Asien besser rechnen können. „Dort gibt es aber ein extrem teures Nachhilfesystem. So etwas möchte ich bei uns nicht haben“, sagt Pfitzner. „Oft werden Äpfel mit Birnen verglichen.“ Das gelte womöglich auch für eine Sinus-Studie, die das Bildungssystem erneut in einem schlechten Licht erscheinen lässt.

An der europaweiten Studie „Generation What?“ soll die Lebenswelt junger Erwachsener untersucht werden. Bislang haben sich mehr als 920.000 Menschen beteiligt.

Nur wenige fühlen sich fürs Berufsleben gerüstet

Keine sehr hohe Meinung habe die junge Generation demnach vom Bildungssystem in Deutschland. Die schulische Ausbildung erhalte fast durchwegs schlechte Noten. „Nur ein Prozent der Befragten glaubt, dass das Bildungssystem sie gut auf den Arbeitsmarkt vorbereitet. 26 Prozent stimmen dem im Großen und Ganzen zu. 45 Prozent dagegen fühlen sich eher nicht für das Arbeitsleben gerüstet, 26 Prozent sogar überhaupt nicht.“

Pfitzner ist Vorsitzender des Kulmbacher Arbeitskreises Schule-Wirtschaft, der sich seit Jahrzehnten um eine bessere Vernetzung zwischen den heimischen Betrieben und den Schülern bemüht. Die Tendenz aus der neuen Studie sei in keinem Fall repräsentativ für den Landkreis Kulmbach, betont Pfitzner: „Ich behaupte, wenn wir unsere jungen Menschen fragen würden, käme ein ganz anderes Ergebnis heraus.“

Vergleiche seien schwierig

Die Schulen in Bayern unterscheiden sich ohnehin in vielen Punkten von anderen Bundesländern. Insofern stelle sich die Frage, was genau die Sinus-Studie mit dem „Bildungssystem in Deutschland“ meint, sagt der Stadtsteinacher Schulleiter. Auch das Leistungsniveau sei nur sehr schwierig zu vergleichen. Es gebe im Landkreis durchaus Mittelschüler, die anderswo das Gymnasium bestehen würden.

„Die Berufsorientierung, die wir anbieten, findet so nirgendwo anders statt“, sagt Pfitzner. „Unsere Mittelschüler werden intensiv auf das Arbeitsleben vorbereitet.“ Es gibt eigens dafür das Fach AWT. Die Abkürzung steht für Arbeit-Wirtschaft-Technik. Dort lernen die Schüler unter anderem Werken und Hauswirtschaft und erhalten einen ersten praktischen Einblick in die verschiedenen Berufsbereiche. Tastschreiben ist für die fünften und sechsten Mittelschulklassen im Kulmbacher Schulamtsbereich verpflichtend.

Schulen und Unternehmen kooperieren

„Und es finden zahlreiche Praktika statt“, sagt Michael Pfitzner. Die Siebtklässler lernen die Kooperationspartner aus der Wirtschaft zum ersten Mal kennen. In der achten Klasse haben die Mittelschüler dann mehrere Pflichtpraktika, die während der Unterrichtszeit stattfinden und von den Lehrern betreut werden. Dabei erhalten sie zum Beispiel Einblicke in die Küche im Seniorenheim und in ganz unterschiedliche Betriebe. Es folgt in der neunten Klasse das Schnupperpraktikum meist bei dem Unternehmen, an das der Schüler seine Bewerbung richtet. Darüber hinaus nutzen viele junge Leute in den Ferien noch Praktika.

Alle Schulen im Landkreis kooperieren mit der Wirtschaft, sagt der Arbeitskreis-Vorsitzende. Allerdings sind bei all der Nähe die Bildungseinrichtungen sicher nicht nur dafür da, die jungen Menschen für ihren Beruf zu rüsten. „Schule hat immer die Aufgabe, auf alle künftigen Lebenssituationen vorzubereiten“, sagt Pfitzner. Der Beruf gehöre dazu. Doch eine gute Allgemeinbildung sei später nicht nur im Arbeitsalltag hilfreich.

Höflichkeit und Sauberkeit

„Wir versuchen, den Schülern auch weiche Faktoren wie Höflichkeit, Pünktlichkeit, Sauberkeit, Neugierde, Eigenverantwortung und Aufgeschlossenheit beizubringen.“ Die Schule vermittelt nicht nur Wissen, sondern gleicht auch zwischenmenschliche Defizite aus. Dabei steigt von außen die Anspruchshaltung an die Schulen. „Ich würde mir schon wünschen, dass wir wieder ein bisschen entlastet werden“, sagt Pfitzner.

Wobei so mancher Personalverantwortlicher im Unternehmen auch viel zu hohe Anforderungen an die jungen Leute stellt, sagt Pfitzner. „Sie sollten sich mal an ihre eigene Schulzeit erinnern“, betont der Rektor und rät allen Beteiligten zu etwas weniger Verbissenheit. „Natürlich stehen wir vor großen Herausforderungen.“ Aber anders als es so manche Studie suggeriert, funktioniere das Bildungssystem sehr gut und biete viele Chancen. Würden diese genutzt, dann bliebe manchen Familien viel Kummer erspart.

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