Steingraeber bekommt Zukunftspreis

Christina Holzinger

Steingraebers Flügel B-192 kann etwas, was sonst kaum ein Instrument beherrscht: Menschen über Raum und Zeit hinweg verbinden. Dafür setzt die Bayreuther Klaviermanufaktur auf modernste Technik – den Transducer. Im Rahmen der Coburger Designtage gab es dafür am Mittwochabend den Zukunftspreis der Handwerkskammer für Oberfranken.

 
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Zwischen der Metropolitan Opera in New York und Bayreuth liegen Tausende Kilometer. Wenn Udo Schmidt-Steingraebers Vision wahr wird, ist es dennoch es bald möglich, Konzerte von dort auf eine besondere Art und Weise live nach Deutschland zu übertragen. Nicht etwa über konventionelle Lautsprecher, sondern über den Flügel selbst.

Transducer-Technik

Möglich macht das Steingraebers Transducer-Technik. Und die funktioniert so: Unter den Tasten des Flügels in New York befindet sich eine optische Leiste, die misst, welche Taste wie schnell und fest angeschlagen wurde. Dieses Wissen übermittelt sie an einen Computer, der die Töne je nach Wunsch verändert oder überträgt.

Tausende Kilometer entfernt

Auf der anderen Seite des Atlantiks steht in Bayreuth ebenfalls ein Flügel, der über die Steingraeber’sche Technik verfügt. Dieser empfängt die Daten, lässt über die Transducer den Fichtenholzresonanzboden vibrieren – und erzeugt so die gleichen Töne wie der New Yorker Pianist. Und nicht nur das, schwärmt Andreas Kaul von der Klaviermanufaktur: „Der Flügel hat einen ausgezeichneten Klang – auch wenn man darüber rockige Lieder von AC/DC abspielt.“ Möglich machen das die drei Transducer im Inneren des Flügels.

Wie ein Eishockey-Puck

Transducer sehen ähnlich aus wie Pucks, wie sie im Eishockey verwendet werden und stammen aus der Lautsprechertechnik. „Transducer treiben die Lautsprechermembrane an, damit sie vibrieren und Klang erzeugen“, sagt Schmidt-Steingraeber.

Musikprofessor gab Anstoß

Auf seine Idee wurde das Unternehmen vor wenigen Jahren von einem Würzburger Musikprofessor gebracht. Im Januar 2016 präsentierte das Unternehmen während eines Konzerts den ersten Aufbauversuch. Zwischen Transducer und Resonanzboden wurden damals noch feine Holzplatten zum Schutz gelegt, die Technik wurde von nichts weiter als mehreren Bänden des Riemann Musiklexikons an Ort und Stelle gehalten.

Klavierprofessor aus Teheran

Noch im gleichen Jahr kam ein ehemaliger Student der Musikhochschule Halle auf Steingraeber zu. Pooyab Azadeh hatte vor zehn Jahren an dem Kurs „Junge Meisterpianisten“ teilgenommen, mittlerweile ist er der erste Klavierprofessor in Teheran seit der Revolution. „Die Universität Teheran hatte nach der Öffnung zum Westen hin erneut einen Musikzweig eingeführt“, sagt Schmidt-Steingraeber.

Wie ein frei stimmbares Klavier

Der Musikprofessor habe einen ungewöhnlichen Wunsch gehabt: „Mit dem konventionellen Klavier konnte er die traditionelle persische Tonleiter nicht unterrichten.“ Deshalb könne Azadeh bisher nur westliche Musik unterrichten, weil das Klavier im Vergleich zur Geige nicht variabel in allen Stimmungen und Tönen ist. Sein Wunsch: Ein frei stimmbares Klavier. „Dann kam uns die Idee: Mit einem Transducer und einem dazu passenden Computerprogramm sollte das machbar sein“, sagt Schmidt-Steingraeber.

Das Problem mit Donald Trump

Die Klaviermanufaktur rüstete den Flügel B-192 mit der Technik aus und wollte ihn vor einigen Wochen nach Teheran schicken. Doch kam ihnen die Politik von US-Präsident Donald Trump dazwischen. „In dem Augenblick, in dem Amerika ankündigte, das Atomabkommen aufzukündigen, hat die iranische Regierung alles gestrichen, was sie unter Luxusgütern versteht – darunter fällt auch der Flügel“, sagt Schmidt-Steingraeber. Seither versuchen Azadeh und die Klaviermanufaktur gemeinsam, die iranische Regierung davon zu überzeugen, dass der Flügel doch in den Iran reisen darf.

Verschiedene Klänge

Denn der B-192 beherrscht durch die Transducer-Technik vieles, was ein normales Instrument nicht kann: Auch ohne Lautsprecher kann der Flügel laut genug klingen, um ganze Säle auszufüllen. Er beherrscht verschiedene Klänge wie etwa Xylophon, Cembalo oder historische Instrumente. Und Vierteltonmusik, wie sie etwa der amerikanische Komponist Charles Ives nutzte. „Bisher konnte man diese Lieder nicht mehr spielen, weil die passenden Instrumente gefehlt haben“, sagt Schmidt-Steingraeber. Und mit dem Bayreuther Flügel B-192 kann Azadeh im fernen Teheran nicht nur westliche Lieder, sondern auch iranische Kompositionen spielen.

Der Zukunftspreis

Der Zukunftspreis der Handwerkskammer (HWK) ist der Nachfolger des Designpreises. Er soll die Innovationskraft des Handwerks herausstellen, sagte HWK-Vizepräsident Matthias Graßmann gestern Abend bei der erstmaligen Verleihung in Coburg. Ausgezeichnet würden Konzepte und Entwicklungen, die deutlich über dem Schnitt ihrer Branche liegen und den Anspruch erfüllen, zukunftsweisend zu sein.

Neben Steingraeber wurden ausgezeichnet:

 

  • Fickenschers Backhaus (Münchberg) mit acht Verkaufsstellen und 85 Mitarbeitern für den gezielten Einsatz digitaler Möglichkeiten, um wieder mehr Zeit für das traditionelle Handwerk zu bekommen.

 

 

  • Die Innung Klempnerei, Sanitär- und Heizungstechnik Coburg und ihre ausbildenden Mitgliedsbetriebe für ihr Konzept der betriebsübergreifenden Förderung von Auszubildenden zur Fachkräftesicherung.

 

 

  • Der Rödentaler Raumausstatter Peter Mechtold für eine Badewanne aus einem neu entwickelten, weichen Material, das sich der Körperform anpasst und Verletzungsgefahren im Bad minimiert.