Statisten-Streit: Tatort lenkt ein

Von Michael Weiser und Moritz Kircher
Statisten in der Drehpause. Foto: Martin Kreklau Foto: red

Es gibt Komparsen. Und es gibt Komparsen. Solche, die Geld erhalten. Und solche, die keines bekommen sollten, weil sie nach Ansicht der Produzenten nur kleinste Bestandteile einer Massenszene seien. Die Gemeinschaft der namenlosen Nebendarsteller machte in Sachen Franken-Tatort mobil. Die Tatort-Produzenten haben kurz vor Drehbeginn reagiert. Die Darsteller einer Massenszene, die am Bayreuther Festspielhaus gedreht wird, werden nun doch bezahlt.

 
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„Denn die einen sind im Dunkeln und die andern sind im Licht, und man siehet die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht.“ Bert Brecht könnte mit seiner Moritat glatt das TV-Geschäft gemeint haben. Die im Lichte sind die Stars, für die das Öffentlich-Rechtliche Fernsehen auch mal tiefer in die Tasche greift. Und die, die man im Film gern übersieht, das sind die Komparsen. Die bekommen für ihre wortlosen Nebenrollen selten mehr als den Mindestlohn.

„So was macht man bei Studentenfilmen“

Einem Aufruf für den Frankentatort für Massenszenen in Bayreuth zufolge sollten die gesuchten Statisten kein Geld für ihre Teilnahme beim Dreh erhalten. Da sollen sich Interessierte einfinden, in „festlicher Abendgarderobe“ heißt es im Aufruf -- und mit der Bereitschaft, den ganzen Tag dranzugeben. Darauf weist die "Claussen+Putz Filmproduktions-Gesellschaft" vorsorglich hin. Brotzeit sollte es geben, aber zuerst keine Bezahlung. „Freiwillig und unentgeltlich“ sei der Auftritt, hieß es in dem Aufruf.

Was ein Insider, der ungenannt bleiben will, seltsam findet: „So was macht man bei Studentenfilmen“, sagt er. Die Gewerkschaft Verdi verlangt für ihre Mitglieder in Statistenrollen eine Tagesgage von 90 Euro und Zuschläge für bestimmte Dinge.

Bezahlung nach gesetzlichen Bestimmungen

Kurz vor Drehbeginn lenkten die Macher des Franken-Tatortes nun ein. Wie am Dienstag bekannt wurde, sollen die Statisten nun doch eine Entschädigung für ihre Teilnahme am Dreh erhalten. "Dass bei den freiwilligen Festspielhaus-Gästen andere Bedingungen angelegt werden als bei Komparsen an den anderen Drehtagen, wäre nicht fair", lässt der Bayerische Rundfunk (BR) auf Nachfrage wissen. Die Statisten würden nun "branchenüblich nach den gesetzlichen Bestimmungen bezahlt". Kurier-Informationen zufolge erhalten die Teilnehmer einen Betrag, der in etwa dem Mindestlohn entspricht. Für die meisten Teilnehmer wohl eine Dreingabe. Denn als eingefleischte Tatort-Fans hatten sich viele schon unter der Maßgabe gemeldet, unentgeltlich beim Dreh mitzuwirken.

Was die Gemeinde der Kleinstdarsteller, die des Öfteren bei Drehs mitmachen, im Fall Tatort zusätzlich auf die Palme brachte, ist das Wirrwarr in den AGB’s bei der für die Komparsen-Kür verantwortlichen Produktionsfirma Producer’s Friend. Wenn man die Homepage der Firma anklickt, ist unter Punkt 7 von einer Mitgliedschaft die Rede - für 30 Euro pro Halbjahr. Geht man allerdings über den Link des Aufrufs von Claussen+Putz auf die Seite, ist lediglich von einer kostenlosen Probemitgliedschaft die Rede.

Große Zahl an reinen Statisten

Marc Körber von Producer‘s Friend räumt missverständliche Formulierungen ein und betont, dass Producer’s Friend lediglich Dienstleiter sei und quasi das Portal anbietet, an dem sich Fernsehwillige bewerben können. Jakob Claussen von "Claussen+Putz" machte vor der Entscheidung, dass die Statisten nun doch Geld bekommen, Produktionszwänge für den zuvor ergangenen Aufruf verantwortlich, sich unentgeltlich als Statist zu bewerben.

Im Tatort "Ein Tag wie jeder andere" gehe es auch um eine Großveranstaltung mit vielen Menschen. „Und dazu brauchen wir eine große Zahl an reinen Statisten. Mit den Mitteln, mit denen ein normaler Tatort ausgestattet ist, wäre dies schlichtweg nicht zu realisieren." Wenn man so eine Szene im Drehbuch habe, "dann versucht man’s entweder mit so einem Aufruf – oder nimmt sie raus.“

Massenszene bleibt beim Tatort die Ausnahme

Kein Argument für die Facebook-Gruppe der Komparsen, Kleindarsteller, Schauspieler und Regisseure. Wenn man einen besonderen Tatort produzieren wolle, müsse man besondere Mittel einplanen, heißt es in einem „Offenen Brief“. Man wolle "keine Zweiklassengesellschaft innerhalb der Komparsen". Eine Stimme, die die Tatort-Macher offenbar erhörten.

Wird sich die jetzt gefundene Lösung auf künftig zu drehende Massenszenen beim Tatort auswirken? "Nein, denn die große Szene im Bayreuther Festspielhaus ist für den Tatort ohnehin eine Ausnahme und große Besonderheit", teilt der BR mit. Die Dreharbeiten dafür sind am Mittwoch angelaufen. Und mit Blick darauf heißt es von der Pressestelle des Senders: "Wir freuen uns, mit welcher Begeisterung die Statisten hier ankommen und sich gemeinsam auf die Dreharbeiten einstimmen. Das wird in dieser Dimension sicher auch eine Ausnahme bleiben."

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