Klangmagie und Extremschauspiel: Stefan Kaminski startet in seinen „Ring“ nach Richard Wagner Spielratz mit einem Dutzend Rollen

Von Michael Weiser
 Foto: red

Furioses Hörspiel-Theater: Mit "Rheingold" sind Stefan Kaminski und seine Mitstreiter an Percussion und Glasharfe im Zentrum in den "Ring" nach Richard Wagner gestartet. Heute abend folgt die Fortsetzung mit "Walküre" (19.30 Uhr).

 
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Es mag noch immer Leute geben, die sagen: Wagners Musik, gut und schön. Aber die Texte... Ein seltsames Gewoge im Stabreim, Göttergedämmere, Heldengedöns und Zwergengewusel, kurz: Ein Stoff nicht mehr von unserer Welt.

Was für ein Irrtum! Wagner verhandelt stets die wichtigsten Angelegenheiten. Mit dem Raub des Rheingolds etwa werden gewaltige Energien entfesselt, seitdem halten Gier, Hass, Liebe und Finanzkrisen die Menschheit auf Trab, zahllose Opernhäuser zehren davon, Tolkiens „Herr-der-Ringe“-Universum, Hollywood.

Und auch Stefan Kaminskis Rappelkiste: Wagner inspiriert den Berliner Schauspieler, Erzähler und Soundtüftler zu etwas, was er selbst dreidimensionales Hörspiel nennt, was man aber auch mit Fug und Recht als Extrem-Schauspiel bezeichnen kann. Ein Projekt, das Wagners Riesen-Stoff „Der Ring des Nibelungen“ ohne Riesen-Orchester erzählt, eine Tragödie mit viel Spaß am Spiel.

Sein „Rheingold“ am Mittwoch abend im Zentrum zeigte schon mal, was man sich unter dieser Neufassung vorstellen darf: Wagners Musik nur in Spurenelementen, dafür aber Klanglandschaften, Lichteffekte (Alexander Gau) und vor allem ein entfesselter Kaminski, der alle Rollen selbst spricht – und auch verkörpert.

Ein gutes Dutzend Rollen sind das, und man sollte sich nicht damit aufhalten, dass Kaminski jeder Figur Profil und erkennbare Stimme verleiht – das darf man von einem richtig guten Mimen erwarten. Wichtiger ist, wie er das tut – sitzend mit Körpereinsatz, mit elektronischen Hilfsmitteln, mit der Verwandlungsfähigkeit von Mimik, Gestik und Stimme, vor allem aber mit Empathie und Ernst: Veralbert wird hier nichts. Wenn man die Rheintöchter beim somnambulen Plantschen in den Wellen belauscht, wenn sich dann Alberich mit Rammstein-Stimme ins unschuldige Geplänkel der Drei mischt – „He he! Ihr Nicker! Wie seid ihr niedlich, neidliches Volk! Aus Nibelheims Nacht naht’ ich mich gern, neigtet ihr euch zu mir“ – ist man für Kaminskis Kammerspiel bereits gewonnen. Fafner ist bei ihm der Mann vom Bau, ein Prolet, für den erst das Fressen (beziehungsweise das Gold) kommt und dann die Moral. Und wenn man seinen Wotan sieht, spürt und hört, dann ahnt man, warum zumindest in der Vorstellung der alten Griechen die Götter die Menschen beneiden konnten: Dieser von Lug, Trug und Schulden getriebene Wotan ist ein armes Schwein.

Noch wichtiger ist der Spaß am Spiel. Was für ein Spielratz ist dieser Kaminksi, man sieht und hört ihm einfach gerne zu. Auch, weil ihm mit Hella von Ploetz an der Glasharfe und Sebastian Hilken an Percussion und Kontrabass eine Klangszene zaubern, die das Ganze auch ohne Blick, nur als Kopfkino, funktionieren ließen.

Der Besuch der Kaminski-Tetralogie lohnt sich. Nicht unbedingt, weil man darin so viel Neues über Wagner mitbekommt, vielmehr deswegen, weil man hier sehr viel über die Möglichkeiten des Theaters erfährt. In Berlin ist Kaminski damit ein echter Renner gelungen. In Bayreuth tut er sich schwerer – der Europasaal war beim „Rheingold“ nur halb gefüllt. Dabei ist die Stadt mit Theater an sich nicht gerade überernährt. Es scheint, als scheint die Sättigung eher von zu viel Wagner im großen Jubiläumsjahr 2013 herzurühren.

INFO: Am morgigen Samstag ist Stefan Kaminski im Europasaal des Zentrums mit „Siegfried“ zu erleben, am Sonntag präsentiert er „Götterdämmerung“. Der „Ring des Nibelungen“ nach Richard Wagner ist auch als Audio CD erhältlich (29,99 Euro).