So lernt Salam aus Syrien Fahrradfahren

Von Sarah Bernhard

Freiwillige Helfer bringen Flüchtlingen im Fichtelgebirge Fahrradfahren bei. Zum Beispiel Salam (15), die noch nie ein Fahrrad gesehen hatte, bevor sie nach Deutschland kam. Oder Noel (5), der vor lauter Glückseligkeit alles um sich herum vergisst.

 
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Salam ist so auf die Pedale fixiert, dass sie den Lenker loslässt. "Hände hier hin", sagt Sagy Cohen und klopft auf die Griffe. Dann schiebt er das Fahrrad, auf dem die 15-Jährige sitzt, ein Stück nach vorne, um die Pedale neu auszurichten. Ein Lächeln huscht über Salams Gesicht, obwohl sie gar nicht selbst gefahren ist. "Du musst die ganze Zeit treten. Bist du bereit?", fragt Cohen. "Nein", sagt Salam. "Doch, bist du", sagt Cohen. Und läuft los.

Salam kommt aus Damaskus in Syrien. Seit zwei Wochen lebt sie mit ihrer Mutter und den Geschwistern im ehemaligen Gasthof Puchtler in Warmensteinach. Und hat dort zum ersten Mal in ihrem Leben ein Fahrrad gesehen. "In Damaskus gibt es keine Fahrräder", sagt sie. "Da sind wir alles zu Fuß gelaufen."

Die Wippe ist der heimliche Star

Ihre Brüder haben schon gelernt zu fahren, sie selbst hatte sich nicht getraut. Bis am Samstag einige Mitglieder des Weidenberger Jugendtreffs zusammen mit Sagy Cohen und Sozialpädagogin Julia Leeb nach Warmensteinach kamen. Um den rund 30 dort lebenden Flüchtlingskindern beizubringen, wie man richtig Fahrrad fährt.

Die meisten von ihnen brettern schon über eine Wippe, fahren Slalom um Hütchen, beschleunigen um die Wette - und lernen dann, dass es besser ist, Verkehrsschilder auch zu beachten. Denn hinter dem runden blauen Schild mit Mutter und Kind darauf, dass Kay Thees vom Jugendtreff in die Höhe hält, wollen seine Frau Regina Kießling-Thees und die anderen YouTreff-Mitglieder über die Straße.

"Die Regeln sind das Problem"

Ein großer Haufen Kinder bremst. Nur Noel (5) fährt unbeirrt weiter. "Du schon wieder", ruft Kießling-Thees, als er nur Zentimeter vor ihrem Fuß doch noch zum Stehen kommt. Schon die ganze Zeit rast der Fünfjährige, wie verrückt tretend, kreuz und quer durch die Formation. Und hat dabei ein seliges Lächeln im Gesicht.

"Nicht das Fahren, die Regeln sind das Problem", sagt Übungsleiterin Kießling-Thees. Weil man sie wegen der Sprachbarriere so schwer erklären könne. Und ein bisschen chaotisch sei es auch, weil so viele Kinder auf einem Haufen seien. "Deutsche Kinder lernen das ja viel behüteter." Aber das mache nichts, sagt Kießling-Thees: "Den Kindern macht es Spaß. Und ein bisschen was erreichen wir trotzdem."

"Ich hatte ein bisschen Angst, aber es war echt gut"

Salam schlägt sich währenddessen tapfer. Zwar fährt sie ein bisschen wackelig, aber mit Cohens Hilfe schafft sie fast die gesamte Länge des Gasthofs. Bis Noel vorbeischießt und sie aus dem Gleichgewicht bringt. Sie lacht. "Ich hatte ein bisschen Angst, aber es war echt gut", sagt sie.

Die Idee für das Fahrradtraining kam von Sozialpädagogin Julia Leeb, die zusammen mit Cohen die Weidenberger Ganztags-Flüchtlingsklasse betreut. Warmensteinach ist bereits die dritte Station, davor war das Team schon in Fichtelberg und Weidenberg. Demokratie leben, ein Förderprogramm des Bundes, unterstützt das Projekt mit 800 Euro. In Warmensteinach stellte außerdem die Gemeinde einige Verkehrsschilder zur Verfügung.

Die Schilder helfen den Kindern auch bei einer Art Theorieteil, bei dem sie Verkehrsschilder in der richtigen Farbe ausmalen sollen. Während die meisten gut gelaunt malen, ausschneiden oder Schilder-Memory spielen, schaut Salam sehnsüchtig nach draußen. Cohen hat ihr versprochen, nach der Theorie nochmal mit ihr zu üben. So lange, bis es klappt. "Ich will das unbedingt lernen", sagt die 15-Jährige. "Dann kann ich nämlich endlich mit den anderen herumfahren. Das ist bestimmt viel besser als immer nur zu Fuß zu gehen."

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