Mehr Selbstverteidigungskurse, mehr Pfefferspray – Grund ist nicht die Angst, sondern ein verändertes Bewusstsein So hat Köln die Region verändert

Von Sarah Bernhard
Bei Waffen Schmidt in Bayreuth hat die Nachfrage nach Pfefferspray zwar schon wieder nachgelassen. Etwas habe sich aber trotzdem verändert, sagt Inhaber Martin Luyven. Foto: Ronald Wittek Foto: red

In Heidemarie Seidlers Waffengeschäft ist seit den Vorfällen in Köln das Pfefferspray ausverkauft, beim Verein Fightsports Pegnitz sind plötzlich die Selbstverteidigungskurse voll. Und doch heiße das nicht, dass die Menschen ängstlicher geworden seien, sagt Avalon-Vorsitzende Maria Lampl.

 
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Wochenlang beherrschten die Ereignisse der Silvesternacht in Köln die Medien. Zwei Monate später wollten wir wissen: Hat sich das Verhalten der Menschen aus der Region dadurch verändert? Und wir zeigen Ihnen, wie Sie sich im Ernstfall richtig verteidigen.

Thema 1: Selbstverteidigungstraining

Tendenziell ist die Nachfrage nach Selbstverteidigungstrainings in der Region gestiegen. „Aber nicht übermäßig“, sagt Oliver Gack von All Style Karate in Kulmbach. Neben Frauen kämen im Moment auch vermehrt Kinder in die Kurse.

„Ein bisschen mehr Interesse ist seitdem schon da“, sagt auch Freddy Plewe, Inhaber der Karateschule Okinawa, die im ganzen Landkreis Training anbietet. „Aber das waren nicht nur Frauen, sondern auch Männer.“ Und ihr Ziel seien auch nicht kurzfristige Kurse, sondern ein langfristiges Training.

"Kurse bis oben hin voll"

In Pegnitz sei die Nachfrage sehr groß, sagtTobias Potzler vom Verein Fightsports Pegnitz. „Im Januar haben wir einen Selbstverteidigungskurs gemacht, vor kurzem noch einen. Und beide waren bis oben voll.“ Das sei aber nichts Schlechtes. „Wenn man sich verteidigen kann, ist das doch immer gut.“ Dass das Interesse lang anhalten wird, glaubt Potzler aber nicht. „Das ist ein bisschen ein Hype und wird wohl bald wieder abflachen.“

Auch bei Avalon, einer Beratungsstelle gegen sexuelle Gewalt, registriert man ein steigendes Interesse an Kursen. „Ich unterrichte an verschiedenen Berufsfachschulen und bemerke, dass sich bei jungen Frauen das Bedürfnis nach Selbstbehauptungskursen kräftig erhöht hat“, sagt Vereinsvorsitzende Maria Lampl.

Hoffen und bangen, bis es zu spät ist

Avalon setzt bei seinen Kursen vor allem darauf, das Selbstvertrauen zu stärken. „Vielen Frauen fehlt der Mut, ihren Körper zu schützen. Sie warten, hoffen und bangen, dass nichts passiert, und zwar so lange, bis es zu spät ist.“ Dabei habe man viel höhere Chancen, heil aus unangenehmen Situationen zu entkommen, wenn man den Angreifer nicht nahe an sich heranlasse.

Dass die Menschen die Kurse aus Angst besuchen, glaubt Lampl nicht. „Es ist eher so, dass die Menschen nun ein anderes Problembewusstsein haben.“ Sie überlegten sich vorher, wo sie hingingen und wie sie reagieren würden, wenn etwas passiert. „Und das ist ja auch ganz sinnvoll.“

Thema 2: Waffen

„Die Region ist außer Rand und Band, die Leute rüsten auf“, sagt Heidemarie Seidler, die in Hollfeld ein Waffengeschäft betreibt. „Pfefferspray und Pfefferpatronen für Gas- und Signalwaffen sind bei mir schon lange ausverkauft.“ Für letztere braucht man einen kleinen Waffenschein.

Ob das wirklich an Köln liege, weiß sie allerdings nicht. „Es könnte auch damit zusammenhängen, dass immer mehr freilaufende Hunde unterwegs sind, vor denen sich zum Beispiel Jogger schützen wollen.“

"Menschen sind vorausschauender geworden"

Bei Waffen Schmidt Bayreuth ist das Interesse an Pfeffersprays nur kurzzeitig angestiegen. „Jetzt ist es schon wieder vorbei“, sagt Inhaber Martin Luyven. Das gelte nicht nur für Pfefferspray, sondern auch für Alarmgeräte, die laut Krach machen, und Elektroschocker. Letztere würde Luyven sowieso nicht empfehlen. „Um sie zu benutzen muss man Körperkontakt herstellen. Und dazu muss man dem Angreifer ja schon sehr nahe kommen.“

Eine Veränderung hat Luyven bei den Menschen aber doch bemerkt: „Wenn ich mich mit der Kundschaft unterhalte, merke ich, dass die Leute vorsichtiger geworden sind. Vorausschauender.“ Aber auch das, schränkt er ein, sei nicht übermäßig der Fall.

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