Um Mitternacht ist Schluss – Anwohner reagieren erleichtert – Offenbar auch für die Stasi interessant Sender wird Silvester abgeschaltet

Von Peter Engelbrecht
Der Mittelwellensender Tannfeld wird an Silvester abgeschaltet. Foto: Ronald Wittek Foto: red

Mit Erleichterung reagieren die Anwohner auf das Abschalten des Mittelwellensenders des Deutschlandfunks Tannfeld bei Thurnau am 31. Dezember 2015 um 24 Uhr. Den Termin nannte der Betreiber, die Media Broadcast GmbH in Berlin, auf Anfrage. Auch die gefürchtete DDR-Staatssicherheit interessierte sich offenbar für den Sender.

 
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Ein Rückbau der Sendeanlage mit dem 240 Meter hohen Mast ist geplant, hier existiert jedoch noch kein konkreter Termin. Der Sender wurde 1979 durch die Deutsche Bundespost errichtet. Nach Angaben des Deutschlandfunks in Köln wird der Sender wegen des Ausbaus des Digitalradios sowie von Sparvorgaben abgeschaltet. Die Mittel- und Langwellenverbreitung habe an Bedeutung verloren, die Hörer nutzen heute den Empfang entweder über UKW, Digital oder DVB-S, hieß es.

Reinhold Förtsch, der Dritte Bürgermeister von Thurnau, wohnt in Tannfeld. Der Sender ist rund einen Kilometer von dem Dorf entfernt. „Ich bin erleichtert“, sagt er über die geplante Abschaltung. Jahrelang hätten die Bürger gegen den Sender wegen der befürchteten Strahlenbelastung vergeblich gekämpft, hätten nie eine befriedigende Antwort bekommen. Förtsch verwies auf Schilder rund um den Senderstandort, auf denen vor einem „Hochfrequenzfeld“ und für Herzschrittmacher vor einer möglichen Beeinträchtigung gewarnt wird. „Eine gewisse Gefährdung ist vorhanden“, meinte Förtsch. „Wir freuen uns über die Abschaltung“, nun sei ein schneller Rückbau der Anlage notwendig.

"Der Sender hat reingehauen"

Karl Passing ist Gastwirt in Tannfeld. Der 66-Jährige kann sich noch an den Bau der Anlage erinnern, die auch zur Information der Bürger im südlichen Teil der DDR diente. „Seit dem Mauerfall ist er eigentlich überflüssig“, meinte Passing. Er kann sich noch an den Anfang des Sendebetriebs erinnern, „der Radio- und Fernsehempfang im Dorf war gestört, der Sender hat reingehauen.“ Die Stimmung im Dorf zum Sender sei geteilt gewesen, „ein ungutes Gefühl wegen der angeblichen Strahlenbelastung hatten alle.“ Ein Nachbar meinte, der Sender habe einfach zu Tannfeld gehört. Der weithin sichtbare Sendemast wurde mittlerweile zum Symbol für das Dorf mit 180 Einwohnern. Zur angeblichen Strahlenbelastung meinte er, ein bisschen was werde drangewesen sein.

Thema im Bayerischen Landtag

Der Betreiber Media Broadcast hatte erst im vergangenen Jahr versichert, außerhalb des ausgewiesenen Sicherheitsabstandes gebe es keine gesundheitliche Gefährdung der Bevölkerung. Auch der Landtag hatte sich 1995 mit dem Thema beschäftigt. Die Grünen hatten wie eine örtliche Bürgerinitiative gefordert, den Betrieb des Senders während der Nachtstunden einzustellen. Dies erscheine auch deshalb sinnvoll, weil die Basis für die Sendungen – falls es sie in den Zeiten des Kalten Krieges überhaupt gegeben habe – in der Zwischenzeit bekanntlich weggefallen seien.

Für die Stasi "ein Ärgernis"

Nicht nur die Bevölkerung, auch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) in der DDR interessierte sich offenbar für den Sender. „Das MfS fertigte Karten über die Feldstärke mit den Reichweiten der Westsender in die DDR hinein, sagte Friederike Pohlmann. Sie ist Mitautorin einer ARD-Studie über die rundfunkbezogenen Aktivitäten des Ministeriums für Staatssicherheit in Westdeutschland. In jedem Dossier über den Deutschlandfunk seien die Reichweiten der jeweiligen Sender aufgeführt worden. „Es ist wahrscheinlich, dass das MfS auch den Sender in Tannfeld im Visier hatte“, vermutete Pohlmann. Für den Ost-Geheimdienst seien die Sendungen aus dem Westen „ein Ärgernis“ gewesen.

In der gesamten DDR sei der Deutschlandfunk über seine jeweiligen Sender in Neumünster, Braunschweig und Tannfeld zu hören gewesen, bestätigte Reinhardt Deuscher, Abteilungsleiter Programmverbreitung des Deutschlandradios in Köln. „Eine Ära geht zu Ende“, kommentierte er das Aus für die insgesamt sechs Mittelwellensender, die zum Jahreswechsel abgeschaltet werden. Mittelwelle war einmal.

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