Macht Ihnen die ehrenamtliche Arbeit noch Freude?
Melek Göktas ist stellvertretende Vorsitzende der deutsch-türkischen Gesellschaft und der türkisch-islamischen Gemeinde in Bayreuth. Beide Vereine sehen sich als Mittler zwischen Deutschen und Türken sowie den Deutschen und dem Islam. Vor dem Hintergrund des islamischen Terrorismus und der angespannten deutsch-türkischen Beziehungen sprach die 33-Jährige über ihr ehrenamtliches Engagement für Verständigung.
Macht Ihnen die ehrenamtliche Arbeit noch Freude?
Melek Göktas: Natürlich, sonst hätte ich längst aufgehört. Es muss doch jemanden geben, der die Vermittlerrolle ausfüllt, das Verständnis zwischen Deutschen und Türken weckt und Antworten auf drängende Fragen gibt.
Stoßen Sie dabei auf Ablehnung?
Belastet Sie das als Muslimin aus der Türkei?
Göktas: Das belastet mich nicht als Muslimin aus der Türkei, sondern als Muslimin. Ich denke nicht, dass Religion eine Nationalität hat.
Die deutsch-türkischen Beziehungen haben sich sehr verschlechtert. Wie soll man all das als Deutscher verstehen?
Göktas: Das ist eine Frage der Perspektive. In der türkischen Bevölkerung genießt Staatspräsident Erdogan einen starken Rückhalt, weil er für sein Land viel erreicht hat. Die Türkei hat sich in den vergangenen Jahren gut entwickelt - im Gesundheits- und dem Bildungswesen beispielsweise. Die Infrastruktur im Land ist heute viel besser und die Korruption ist zurückgegangen. Für die Türken sind das wichtige Errungenschaften, denn es geht allen besser. Das verdient aus türkischer Sicht doch Anerkennung und das ist es auch, was die Deutschen verstehen sollten. Je häufiger Erdogan aus dem Ausland angegriffen wird, dessen mehr Türken stellen sich hinter ihn. Viele Deutsche sehen Erdogan als Diktator, weil es keine Opposition gibt. Dabei hat er dem Land Wohlstand gebracht. Als Muslima darf ich heute ein Kopftuch tragen werden - das ist doch Ausdruck religiöser Freiheit.
Das kann aber die Attacken auf türkisch-stämmige Bundestagsabgeordnete nach der Armenien-Resolution nicht vergessen machen. Und es bleiben die Ermittlungen gegen Jan Böhmermann wegen des Schmähgedichts, die Staatspräsident Erdogan in Gang gesetzt hat.
Göktas: Sicherlich sind die Sätze, die Herr Böhmermann über Erdogan gesagt hat, nicht „nett“. Aber trotz allem finde ich, dass ein Staatsoberhaupt sich nicht mit solchen Angelegenheiten beschäftigen muss. Ich denke, der Staatspräsident hat wichtigere Themen auf der Tagesordnung. Auch finde ich die Attacken auf die türkisch-stämmigen Bundestagsabgeordneten nicht in Ordnung. Jeder darf in Deutschland seine freie Meinung äußern. Ob die Meinung Zustimmung erhält, ist jedem selber überlassen.
Mal angenommen, Sie hätten die Gelegenheit für ein Gespräch mit der Bundeskanzlerin - von Frau zu Frau. Was würden Sie ihr für den Umgang mit Staatspräsident Erdogan raten?
Göktas: In der türkischen Gesellschaft ist Respekt im Umgang miteinander ganz wichtig – das müssen Sie wissen. Im Übrigen hat Staatspräsident Erdogan kein Problem mit Frauen in der Politik. Ganz im Gegenteil. Frauen in der politischen Arbeit sind ihm wichtig. Trotzdem würde ich der Bundeskanzlerin zu ein bisschen mehr Respekt raten, wenn sie den Staatspräsidenten trifft.