Verschlankung verlangt
Andere stören sich an der Vielzahl der Sender und Programme in Deutschland und verlangen Verschlankung, wie auch der Verband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT). Der für Medien zuständige Minister für Kultur in Sachsen-Anhalt, Rainer Robra (CDU) machte im Oktober mit seiner Einschätzung von sich reden, als nationaler Sender reiche das ZDF.
Die Schweizer Abstimmung werde die Stimmungslage in Deutschland beeinflussen, sagte ZDF-Chefredakteur Peter Frey. „Wenn ich's richtig wahrnehme, ist der Optimismus gestiegen, dass die No-Billag-Initiative sich nicht durchsetzt.“ In Deutschland ist ein Referendum nicht möglich, weil das Grundgesetz keine bundesweite Volksabstimmung vorsieht.
Die in einer Bierlaune entstandene Idee der Gebührengegner hat rasant Fahrt aufgenommen. Die Initiatoren bekamen genügend Unterschriften zusammen, um eine Abstimmung zu erzwingen. Seitdem tobt eine Grundsatzdebatte über die Rolle der Medien und ihre Zukunft. Die Rundfunkanstalt SRG sagt, ohne Gebühren, die Dreiviertel ihres Budgets decken, müsse sie schließen. Ihre Kritiker sagen, Nachrichten könnten auch Private liefern, oder die SRG möge sich neue Finanzierungswege ausdenken.
Medienmarkt unter Druck
Vor allem junge Leute reden von Zwangsgebühren. „Wir möchten, dass man nur für das zahlt, was man auch konsumiert“, sagt Thomas Juch, Student und Mitinitiator der „No Billag“-Inititive, benannt nach der Gebühreneinzugszentrale Billag.
Außerdem mache die SRG mit ihrem kostenlosen Internetangebot den Medienmarkt kaputt: „Bei der quasi Monopolstellung der SRG sterben viele private Medien weg.“ Das Medienhaus könne seine Sendungen ja per Pay-TV anbieten - die, die sie sehen wollten, zahlten dann auch. Ohnehin seien die SRG-Journalisten zu links, tönt es aus der rechten Parteienecke.
In Deutschland sagt der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), mit seinem kostenlosen Internet-Angebot grabe der öffentlich-rechtliche Rundfunk den privaten Medienunternehmen das Wasser ab. Auch in den Parteien jenseits der AfD mehren sich die Stimmen, die ARD und ZDF zu Reformen und Sparsamkeit drängen.
Signalwirkung
Medienminister Robra hofft auf eine Signalwirkung von der Abstimmung für Deutschland: „Ich setze darauf, dass die Verantwortlichen bei der Schweizerischen Rundfunk- und Fernsehgesellschaft jetzt Vorbild sind, wie man - zugegebenermaßen unter hohem öffentlichen Druck, aber am Ende doch freiwillig - Programmqualität, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit auf einen gemeinsamen Nenner bringen kann.“
Doris Leuthard, Ministerin für Kommunikation, mahnt ihre Landsleute, die SRG trage mit ihrem Nachrichtenangebot zur Grundversorgung der Gesellschaft bei: „Der öffentliche Rundfunk garantiert, dass alle Sprachregionen der Schweiz auf ein vielfältiges Angebot zählen können und unterschiedliche Stimmen zu Wort kommen“, sagt sie. Vorschläge, SRG-Sendungen zum Bezahlen anzubieten, hält sie für illusorisch: „Was sich via Pay-TV finanzieren lässt, sind Sport, Filme - und Sex.“
In einer Fernsehdebatte fordert Olivier Kessler, Mit-Initiant der Abstimmung, sie heraus: „Sind wir mündige Bürger oder Schüler, die erzogen werden müssen?“ fragt er. Den Moderator der SRG-Sendung kanzelt er als Gebührenprofiteur ab, der deshalb unfair zu ihm sei. Der Moderator erhält anschließend auf Twitter sogar Morddrohungen.
Dinosaurier?
Für den Chefredakteur der konservativen „Neuen Zürcher Zeitung“ (NZZ), Eric Gujer, ist die SRG nicht mehr zeitgemäß: „Sie ist der einzige Dinosaurier, der jeden Tag verkündet, die Evolution gebe es nicht. Sie will uns einreden, Dinosaurier lebten ewig und kleine, flinke Säugetiere hätten nie eine Chance“, schrieb er.
Ausgerechnet ein Pionier des Privatrundfunks springt nun für die SRG in die Bresche: Roger Schawinski, einst Geschäftsführer beim Privatfernsehsender Sat.1, sagt: „Ein öffentlich-rechtliches Fernsehen ist eine zivilisatorische Leistung. Es erbringt ein Angebot, das private Sender nie erbringen könnten.“