Schweizer Rundfunkbeitrag könnte kippen

Von Christiane Oelrich und Andreas Heimann, d
Foto: Laurent Gillieron/KEYSTONE/dpa Foto: red

Ist der gebührenfinanzierte Rundfunk in einer Demokratie verzichtbar? Ist es zeitgemäß, wenn die Bürger ihn zahlen müssen, ob sie wollen oder nicht? In der Schweiz entscheidet nun das Volk darüber. Viele in Deutschland erwarten das Ergebnis mit gemischten Gefühlen.

 
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Eine so heftige Debatte gab es in der Schweiz seit Jahren nicht mehr: Am Sonntag geht es um die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die Schweizer stimmen über die Abschaffung des Rundfunkbeitrags ab. Die Regierung warnt, das sei das Ende der Rundfunkanstalt SRG, das Schweizer Pendant zu ARD und ZDF.

Deutschland schaut gespannt zu

In Deutschland wird die Abstimmung genau verfolgt: „Wenn diese Initiative durchkommen würde, würde das hier all denjenigen Auftrieb geben, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und den Rundfunkbeitrag infrage stellen“, meint der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes, Frank Überall.

Die Kritik am Rundfunkbeitrag ist auch in Deutschland deutlich lauter geworden, auch wenn er nur gut halb so hoch ist wie der in der Schweiz. Manche wollen ihn aus Prinzip nicht zahlen, weil sie kein Fernsehen gucken oder nur Privatsender. Einige sind gegen die „Zwangsgebühr“ schon bis vors Bundesverwaltungsgericht gezogen, allerdings erfolglos.

Aber auch ARD und ZDF selbst sind in jüngster Vergangenheit immer wieder Vorwürfen ausgesetzt gewesen: Ihre Berichterstattung sei nicht ausgewogen, zu Putin-kritisch beispielsweise oder zu regierungsfreundlich.

Auch die stellvertretende AfD-Bundesvorsitzende Beatrix von Storch kritisiert die Öffentlichen-Rechtlichen: „Wir werden nicht objektiv informiert“, beklagte sie am Mittwoch in der Talksendung „Maischberger“.

Verschlankung verlangt

Andere stören sich an der Vielzahl der Sender und Programme in Deutschland und verlangen Verschlankung, wie auch der Verband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT). Der für Medien zuständige Minister für Kultur in Sachsen-Anhalt, Rainer Robra (CDU) machte im Oktober mit seiner Einschätzung von sich reden, als nationaler Sender reiche das ZDF.

Die Schweizer Abstimmung werde die Stimmungslage in Deutschland beeinflussen, sagte ZDF-Chefredakteur Peter Frey. „Wenn ich's richtig wahrnehme, ist der Optimismus gestiegen, dass die No-Billag-Initiative sich nicht durchsetzt.“ In Deutschland ist ein Referendum nicht möglich, weil das Grundgesetz keine bundesweite Volksabstimmung vorsieht.

Die in einer Bierlaune entstandene Idee der Gebührengegner hat rasant Fahrt aufgenommen. Die Initiatoren bekamen genügend Unterschriften zusammen, um eine Abstimmung zu erzwingen. Seitdem tobt eine Grundsatzdebatte über die Rolle der Medien und ihre Zukunft. Die Rundfunkanstalt SRG sagt, ohne Gebühren, die Dreiviertel ihres Budgets decken, müsse sie schließen. Ihre Kritiker sagen, Nachrichten könnten auch Private liefern, oder die SRG möge sich neue Finanzierungswege ausdenken.

Medienmarkt unter Druck

Vor allem junge Leute reden von Zwangsgebühren. „Wir möchten, dass man nur für das zahlt, was man auch konsumiert“, sagt Thomas Juch, Student und Mitinitiator der „No Billag“-Inititive, benannt nach der Gebühreneinzugszentrale Billag.

Außerdem mache die SRG mit ihrem kostenlosen Internetangebot den Medienmarkt kaputt: „Bei der quasi Monopolstellung der SRG sterben viele private Medien weg.“ Das Medienhaus könne seine Sendungen ja per Pay-TV anbieten - die, die sie sehen wollten, zahlten dann auch. Ohnehin seien die SRG-Journalisten zu links, tönt es aus der rechten Parteienecke.

In Deutschland sagt der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), mit seinem kostenlosen Internet-Angebot grabe der öffentlich-rechtliche Rundfunk den privaten Medienunternehmen das Wasser ab. Auch in den Parteien jenseits der AfD mehren sich die Stimmen, die ARD und ZDF zu Reformen und Sparsamkeit drängen.

Signalwirkung

Medienminister Robra hofft auf eine Signalwirkung von der Abstimmung für Deutschland: „Ich setze darauf, dass die Verantwortlichen bei der Schweizerischen Rundfunk- und Fernsehgesellschaft jetzt Vorbild sind, wie man - zugegebenermaßen unter hohem öffentlichen Druck, aber am Ende doch freiwillig - Programmqualität, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit auf einen gemeinsamen Nenner bringen kann.“

Doris Leuthard, Ministerin für Kommunikation, mahnt ihre Landsleute, die SRG trage mit ihrem Nachrichtenangebot zur Grundversorgung der Gesellschaft bei: „Der öffentliche Rundfunk garantiert, dass alle Sprachregionen der Schweiz auf ein vielfältiges Angebot zählen können und unterschiedliche Stimmen zu Wort kommen“, sagt sie. Vorschläge, SRG-Sendungen zum Bezahlen anzubieten, hält sie für illusorisch: „Was sich via Pay-TV finanzieren lässt, sind Sport, Filme - und Sex.“

In einer Fernsehdebatte fordert Olivier Kessler, Mit-Initiant der Abstimmung, sie heraus: „Sind wir mündige Bürger oder Schüler, die erzogen werden müssen?“ fragt er. Den Moderator der SRG-Sendung kanzelt er als Gebührenprofiteur ab, der deshalb unfair zu ihm sei. Der Moderator erhält anschließend auf Twitter sogar Morddrohungen.

Dinosaurier?

Für den Chefredakteur der konservativen „Neuen Zürcher Zeitung“ (NZZ), Eric Gujer, ist die SRG nicht mehr zeitgemäß: „Sie ist der einzige Dinosaurier, der jeden Tag verkündet, die Evolution gebe es nicht. Sie will uns einreden, Dinosaurier lebten ewig und kleine, flinke Säugetiere hätten nie eine Chance“, schrieb er.

Ausgerechnet ein Pionier des Privatrundfunks springt nun für die SRG in die Bresche: Roger Schawinski, einst Geschäftsführer beim Privatfernsehsender Sat.1, sagt: „Ein öffentlich-rechtliches Fernsehen ist eine zivilisatorische Leistung. Es erbringt ein Angebot, das private Sender nie erbringen könnten.“