Schultaschen für die Zeltschulen

Von Anne Müller
Das sind die Schultaschen, die die Schülerinnen und Schüler der 12. Jahrgangsstufe an der Berufsfachschule für Ernährung und Versorgung genäht haben. Hinten, von links: Wajma Mahmoudi, Lisa Ehrenpfordt, Florian Börschlein, Sandra Steiner. Vorne, von links: Anita Bernhard, Doris Wunderlich, Ute Ponfick- Hanusch, Larissa Lehnert. Foto: Anne Müller Foto: red

Man muss das Unmögliche wagen, um das Mögliche zu erreichen. Von Hermann Hesse stammt dieses Zitat, und es umschreibt sehr gut, was der Verein „Zeltschule e.V.“ tut: Schulen mehr oder weniger aus dem Boden zu stampfen, und zwar an Orten, an denen Menschen das reine Überleben im Kopf haben und nicht die Schulbildung ihrer Kinder.

 
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Die Rede ist vom Grenzgebiet zu Syrien im Libanon. Hier leben Familien, die jedes Paar Hände dazu benötigen, die „Platzmiete“ für ihr Zelt abzuarbeiten, auch die Hände ihrer Kinder. Der Verein „Zeltschule“ kümmert sich nicht nur darum, dass die Kinder Zelte oder andere Unterkünfte für den Unterricht haben, er finanziert beispielsweise auch Lehrergehälter oder zahlt Unterstützung an die Eltern der frischgebackenen Schulkinder. Denn die Schulkinder können natürlich nicht mehr zum Familienunterhalt beitragen.

„Jede Spende kommt genau dort an, wo sie gebraucht wird.“

Doris Wunderlich aus Marktredwitz hat über eine Radiosendung vom Verein „Zeltschule e.V.“ gehört. „Ich war wie elektrisiert und entschloss mich, sofort zu helfen. In meinem kleinen Rahmen wollte ich tun, was möglich war, um die immens hohe Analphabetismus-Rate unter den Flüchtlingskindern zu senken.“ Der Verein entstand im Februar 2016 aus dem Elternbeirat der Tumblingerschule in München.

Eine treibende Kraft an der Schule und im Verein ist Jacqueline Flory. Sie arbeitet als Dolmetscherin für Arabisch und ist regelmäßig im Libanon vor Ort, um zu recherchieren, was in den nächsten Monaten vornehmlich benötigt wird. „Dieser enge und erfreulich unbürokratische Kontakt hat mit den Ausschlag für mein Engagement gegeben“, erzählt Doris Wunderlich. „Jede Spende kommt genau dort an, wo sie gebraucht wird.“

Taschen für Zeltschüler im Libanon

Und die Spenden fließen reichlich, vor allem durch die beeindruckende Hilfe von zwei Schulen, die mit Doris Wunderlich und dem Verein in sehr engem Kontakt stehen. Die Siegmund-Wann-Realschule in Wunsiedel hat im letzten Schuljahr einen Sozialen Tag veranstaltet. Die Schülerinnen und Schüler arbeiteten für einen Tag in verschiedenen Betrieben, und im Gegenzug spendeten die Betriebe für den Verein „Zeltschule“. 3000 Euro kamen in Wunsiedel zusammen, und mit einem Betrag von 1000 Euro setzte die Berufsfachschule für Ernährung und Versorgung in Bayreuth noch eins drauf. Aber nicht nur mit Geld aus Muffinverkäufen im Schulbistro unterstützen sie den Verein.

Die Schülerinnen und Schüler der 12. Jahrgangsstufe nähten viele leuchtend bunte Schultaschen für die Zeltschüler im Libanon. „Die Jugendlichen waren mit dermaßen viel Herzblut dabei, es war einfach fantastisch“, erzählt Ute Ponfick-Hanusch, die das Taschenprojekt als Lehrerin betreute. „Es hat bei uns allen die Prioritäten ziemlich zurechtgerückt, vor allem, wenn man sich klarmacht, unter welch unterschiedlichen Umständen unsere Schulen und die Zeltschulen funktionieren.“ Am vergangenen Donnerstag übergab Doris Wunderlich knapp 200 bunte Taschen an Jacqueline Flory, die sie in den kommenden Tagen in den Libanon bringen wird. Im Mai kommen die Taschen dann in den Schulen zum Einsatz.

Viele kleine Dinge für viele kleine Kinder

Auch die Schülerinnen und Schüler waren und sind von dem engen Kontakt zu den Zeltschulen sehr bewegt. „Wir haben hier so viele Sachen, und wir können mit ziemlich wenig Aufwand ziemlich viel Gutes tun“, so das einhellige Fazit. Und noch ein Aspekt spielt beim Engagement der Schulen für den Verein ein große Rolle: die Kinder, die jetzt die Möglichkeit für Schulbildung bekommen, sind genau die Menschen, die ihr Land wieder aufbauen wollen.

Die Ausbildung der Kinder sei aktive Terror-Prävention, denn die Chance sei dann viel geringer, dass sie extremistischer Propaganda folgen. So sieht es der Verein, und so sehen es auch Doris Wunderlich, Ute Ponfick-Hanusch und alle ihre Helfer. Viele kleine Leute in vielen kleinen Orten, die viele kleine Dinge tun, können das Gesicht der Welt verändern, so ein afrikanisches Sprichwort. Für viele kleine Kinder sind die vielen kleinen Zeltschulen im Libanon der erste Schritt auf dieses Ziel zu.

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