Schreck: Das kommt auf unsere Feuerwehr zu

Von Thorsten Gütling
Blickt im Gespräch mit dem Kurier auf die Herausforderungen der Feuerwehren im Jahr 2016: Kreisbrandrat Hermann Schreck. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Brennende Flüchtlingsunterkünfte und Mitgliederschwund. Auf die Feuerwehren im Landkreis Bayreuth warten große Herausforderungen. Im Gespräch mit dem Kurier blickt Kreisbrandrat Hermann Schreck auf das Jahr 2016. Und nocheinmal zurück auf 2015, indem er selbst den bisher heikelsten Fall seiner Karriere zu meistern hatte.

 
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Herr Schreck, im Vorwort des aktuellen Gerätebeschaffungsplanes heißt es: "Gegenüber allen denkbaren Schadensfällen sind wir gut abgesichert." Galt das auch schon vor einigen Monaten, beim Absturz des amerikanischen Kampfjets F-16 bei Engelmannsreuth?

Hermann Schreck: Theoretisch ja. Von der Ausbildung und Ausrüstung her können wir so etwas. Aber es ist immer tagesabhängig. Wenn die F-16 morgen wieder runterfallen würde, wäre wahrscheinlich ein anderes Vorgehen notwendig. Entscheidend ist die Fracht, oder in diesem Fall: die Bewaffnung.

Würde die F-16 morgen tatsächlich noch einmal vom Himmel fallen würden Sie sich wünschen, dass sie eindeutiger in ihrem Zuständigkeitsbereich landet?

Schreck: Nein. Dass es sich bei der Absturzstelle um die Grenze eines Regierungsbezirkes handelte, hat unter den Einsatzkräften zu keiner Zeit zu irgendwelchen Irritationen geführt. Es war ein gutes Miteinander.

Zurückblickend einer ihrer schwierigsten Fälle?

Schreck: Sicherlich eine besondere Herausforderung in meinen elf Dienstjahren.

Was hat es so schwierig gemacht?

Schreck: Der Informationsfluss zwischen der US-Air-Force und unseren Einsatzkräften. Wir können immer handeln, aber wir müssen wissen, wovon wir sprechen. Und diese Informationen sind nur zögerlich, immer wieder auf Nachfrage und teilweise auch widersprüchlich gekommen. Das war das Problem.

Anderes Thema: Die Ausgaben des Landkreises zur Beschaffung überörtlich bedeutsamer Ausrüstung, ist in den vergangene Jahren stark gestiegen. Von 420.000 Euro in den 80er Jahren auf rund drei Millionen zwischen 2009 und 2014. Gab es einen Investitionsstau?

Schreck: Nein. Wir haben im letzten Zeitraum neue Technologien eingeführt. Deshalb war dieser auch viel teurer als vorherige. Zum Beispiel haben wir in ein Wechselladersystem investiert. Das wird über kurz oder lang aber auch Einsparungen bringen.

Es heißt immer wieder, die Feuerwehren im Landkreis wären überdurchschnittlich gut ausgestattet. Und sie sagen selbst, je besser die Wehren vor Ort ausgestattet sind, desto weniger müsste der Landkreis in Ausrüstung von überörtlicher Bedeutung investieren. Sinken die Ausgaben jetzt demnach wieder?

Schreck: Theoretisch ja. Aber es gibt ständig neue Gefahrengüter und Technologien bei Fahrzeugen. Wie kann man die öffnen? Welche Sicherheitssysteme muss man überwinden? Deshalb muss man die Geräte ständig auf den neuesten Stand bringen. Man ist heute wesentlich kurzfristiger auf dem neuesten Stand als noch in den 80er Jahren.

Damit einher geht aber auch eine wachsende Belastung der Kommunen. Der Eigenanteil bei der Gerätebeschaffung ist hoch. Manche sagen, wir seien besser ausgestattet, als wir müssten?

Schreck: Der Landkreis Bayreuth ist bayernweit gesehen sicher einer der am Besten ausgestattetsten. Aber dafür können wir auch schneller und effektiver helfen und unsere Leute sicherer zum Einsatzort bringen. Ich wüsste aber keinen einzigen Fall, bei dem ich eine Investition sofort gefordert hätte. Normalerweise beschließen die Kommunen selbst, was sie anschaffen wollen.

Ein aktuelles Beispiel ist die Weidenberger Wehr. Sie soll einen Einsatzleiterwagen anstelle des vorhandenen Mehrzweckfahrzeuges bekommen. Im Gerätebeschaffungsplan heißt es, der neue Wagen sei deutlich teurer, aber nahezu funktionsgleich. Deswegen zahlt der Landkreis auch nicht mehr dazu.

Schreck: Die Grundfunktionen sind bei beiden Fahrzeugen gleich. Aber darüber hinaus stecken in dem neuen mehr Kommunikationsmittel drin. Mehr Technik, Fax, PC, Satellitenübertragung statt Kabelanbindung. Der neue Wagen verfügt zudem über mehr Funkarbeitsplätze. Und wie gesagt: Keine der Anschaffungen, die im Gerätebeschaffungsplan aufgeführt sind, haben ich oder der Landkreis beschlossen. Es handelt sich um eine Abfrage der Kommunen, was draußen benötigt wird.

Sie sagen, unser Katastrophenschutzzentrum sei bayernweit beispielhaft. Was haben wir, was andere nicht haben?

Schreck: Zunächst einmal haben wir einen so großen Personalstamm, dass wir in drei Schichten arbeiten können - oder auf einen Schlag eine sehr hohe Personaldichte herbeiführen. Das ist nicht überall so. Auch nicht, dass sich die Mitarbeiter jedes viertel Jahr treffen und üben. Und wir haben drei getrennte Räume, die auf die Arbeitsabläufe optimal zugeschnitten sind. Die Aufteilung stammt noch aus der Zeit des Kalten Krieges, als das Landratsamt gebaut wurde. Unsere Räume sind rund, wir haben einen eigenen Raum für die Fachberater verschiedenster Organisationen und für die Kommunikation nach außen. Alles verwirklicht mit enormen Kosten.

Woran liegt das, dass wir im Brand- und Katastrophenschutz offenbar mehr Geld in die Hand nehmen, als andere Kreise?

Schreck: Wir sind ein Flächenlandkreis und haben die drittmeisten Feuerwehren in Bayern. Dazu haben wir Gefahrenschwerpunkte, die nicht jeder hat. Wir haben mit der A9 alleine 70 Kilometer Autobahn zu betreuen. Wir haben 33 Kommunen und brauchen teilweise selbst bei Blaulichtfahrten eine Stunde von einer Ecke des Kreises in die andere. Deswegen können wir wichtige Geräte nicht nur ein oder zweimal im Landkreis vorhalten. Wir geben das allermeiste dafür aus, um den Stand, den wir haben, zu halten.

Welche Bedeutung hat die Umstellung des Funks von analog auf Digital? Ist das ein Meilenstein oder doch eher eine Lappalie?

Schreck: Das ist ein Meilenstein, eine neue Ära. Die Kommunikation wird sich komplett ändern. Mitte Januar wird der Rettungsdienst umstellen, am 2. März folgen die Feuerwehren. Analogfunk rauschte zwar manchmal, aber ging eigentlich immer. Digitalfunk geht entweder oder geht nicht. Wir haben dem Analogfunk im laufenden Betrieb zudem viel weniger Aufmerksamkeit widmen müsse, als das bei Digitalfunk der Fall sein wird. Früher hat man ein Funkgerät eingebaut und das hat 30 Jahre seinen Dienst getan. Jetzt ist es so, dass man immer wieder neue Software aufspielen muss.

Klingt nicht gerade fortschrittlich. Warum brauchen wir das trotzdem?

Schreck: Wir hätten den Digitalfunk nicht zwingend gebraucht. Er wird ja landesweit eingeführt. Und er hat natürlich auch qualitative Vorteile: Wir haben mehrere Kanäle zur Verfügung. Der Funkverkehr wird deutlich minimiert. Er ist abhörsicher und wird eine Entlastung bei Alarmierungen sein. Momentan alarmieren wir auf dem selben Kanal, auf dem sich die ersten Einsatzkräfte vor Ort zurück- oder sogar abmelden. Da kommt es zu Überschneidungen, Missverständnissen und Fehlauswertungen. In  Zukunft werden wir getrennt alarmieren und funken.

Die Feuerwehren klagen seit Jahren über Nachwuchssorgen. Ist damit zu rechnen, dass in absehbarer Zeit Feuerwehren im Landkreis geschlossen und zusammengelegt werden müssen?

Schreck: Wer das heute sagen kann, der ist ein Prophet. Tendenziell haben wir einen leichten Rückgang der Einsatzkräfte. Wir versuchen mit Kinder- und Jugendfeuerwehren gegenzusteuern und damit, dass wir mehr Frauen für die Feuerwehr begeistern. Fakt ist aber, dass wir aufgrund des demografischen Wandels weniger Jugendliche zur Verfügung haben werden. Entscheidend wird sein, wieviele davon wir künftig für die Feuerwehr begeistern können, welche Konkurrenzangebote es geben wird und wie der gesellschaftliche Druck und das Arbeitsleben aussehen werden. Wir müssen das in den Griff kriegen, denn die Arbeit der Feuerwehr wird nicht weniger. Es müssen nur immer weniger Leute leisten.

Dass sie keine Wehr schließen wollen, leuchtet ein. Aber bleibt ihnen etwas anderes übrig, wenn Sie mangels Personal die Hilfsfristen nicht mehr wahren können?

Schreck: Die Zusammenlegung von Feuerwehren bringt uns bei der Einhaltung der Hilfsfrist nicht weiter. Dementsprechend größer werden ja nur die Anfahrtswege. Was uns etwas bringen wird, ist, wenn wir Feuerwehren punktuell mit Geräten aufwerten, damit wir zwischen zwei funktionierenden Feuerwehren eine dritte haben, die zumindest die Hilfsfrist wahren kann. Durch Alarmierung aller drei Feuerwehren können wir dann eine gewisse Schlagkraft erzielen. Eine Zusammenlegung kann die Kreisbrandinspektion zudem gar nicht verlangen. Das müssen die Feuerwehren freiwillig beschließen. Dann kann es die Kommune umsetzen. Im Landkreis Bayreuth ist das in den vergangenen Jahren erst zweimal passiert. Die Wehr in Pleofen ist ganz geschlossen worden, die von Obern- und Unternschreez wurden zur Feuerwehr Schreez zusammengelegt.

Gibt es Ideen, wie man mehr Jugendliche für die Feuerwehr begeistern könnte? Dem Hollfelder Modell, eine Schulfeuerwehr zu gründen, ist ja bislang noch keine andere Schule gefolgt.

Schreck: Von Spendengeldern haben wir sogenannte Rauchhäuser bestellt. Diese Art Puppenhäuser werden in Schulen eingesetzt um aufzuklären, wie ein Brand entstehen und gelöscht werden kann und welche Vorteile Rauchmelder haben. Dabei hoffen wir auch, dass wir den ein oder anderen für die Feuerwehr interessieren können.

Nächstes Jahr wird er ausgefallen, weil das finanzielle Risiko für die einzelnen Wehren zu groß ist. Werden wir jemals wieder einen Kreisfeuerwehrtag erleben?

Schreck: Dieses Jahr wird er ausfallen, für 2017 gibt es noch keine Bewerber. Vielleicht müssen wir einfach mal für einen gewissen Zeitraum pausieren, um den Kreisfeuerwehrtag wieder attraktiver zu machen.

Was würden wir denn mit dem Kreisfeuerwehrtag verlieren?

Schreck: Eine Traditionsveranstaltung, die größte öffentlichkeitswirksame Veranstaltung für alle Feuerwehren im Landkreis, die Demonstration dem Bürger gegenüber, wie schlagkräftig seine Feuerwehren sind und ein Stück weit das Zusammengehörigkeitsgefühl, das man an einer solchen Veranstaltung erlebt.

In den Gemeinden erlebt man häufig, dass Kommandanten gewählt werden, obwohl sie noch gar keine Gruppenführerausbildung absolviert haben. Und häufig werden diese dann nichtmal zeitnah nachgeholt.

Schreck: Das ist deutlich besser geworden. Wir waren ja viele Jahre gar nicht in der Lage, jedem Kommandanten einen solchen Ausbildungsplatz zur Verfügung zu stellen. Es gibt heute nur noch wenige, die die Kurse gar nicht absolvieren, die dann aber vielleicht auch keine zweite Amtsperiode anstreben. Wir können ja keinen zwingen.

Ein Kommandant ohne entsprechende Ausbildung, ist das nicht gefährlich für die Feuerwehrleute im Einsatz?

Schreck: Das kann zu gefährlichen Situationen führen.

Blicken wir mal in die Glaskugel: Was wird 2016 die größte Herausforderung für die Feuerwehren im Landkreis Bayreuth?

Schreck: Wir haben fünf Jahre lang gepowert: Neue Integrierte Leitstelle, neue Alarmierungsbekanntmachung, Digitalfunk. Jetzt müssen wir mal wieder durchschnaufen und in ruhiges Fahrwasser kommen. Auch personell. Da wird entscheidend sein, dass wir unsere Öffentlichkeitsarbeit so gestalten, dass der Bürger wieder Lust bekommt, sich einzubringen.

Abschließend: Nichts beschäftigt die Menschen derzeit so sehr wie die Flüchtlingsfrage. Auch die Feuerwehr?

Schreck: Anders als in vielen Gegenden Bayerns sind wir hier nicht in die Versorgung von Flüchtlingen eingebunden. Weil es sich bei uns anders regeln lässt. Aber wir müssen uns leider darauf vorbereiten, dass Schadensfälle in Flüchtlingsunterkünften zunehmen. Wir hatten bereits drei Einsätze in den letzten Monaten. Mich beunruhigt dabei am meisten, dass man bei von Menschenhand herbei geführten Brandeinsätzen nie weiß, welche Überraschungen einen erwarten. Man kann sich leider nie sicher sein, welche Gemeinheiten sich Brandstifter ausgedacht haben.

Das Gespräch führte Thorsten Gütling

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