Unseriöse Anbieter verlangen mehrere Hundert Euro für das Öffnen einer Türe Schlüsseldienst-Mafia schädigt Ruf der Branche

Von Tiziana Schmidt und Isabell De Luca
Wer sich selbst aussperrt, zum Beispiel beim Handwerkern, der ärgert sich. Meistens noch mehr, wenn er den Schlüsseldienst ruft: Mehrere Hundert Euro verlangen unseriöse Anbieter. Foto: Harbach Foto: red

Wem’s passiert ist, der vergisst es nicht: Mal eben vor die Tür, zum Briefkasten, Schlüssel vergessen, und die Tür fällt zu. Anruf beim Schlüsseldienst und die schüchterne Frage: „Wie viel wird es denn kosten?“ Lautet die Antwort: „Mit 250 Euro müssen Sie schon rechnen“, dann ist klar: Dieser Anbieter ist kein seriöser.

 
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Wie in jedem Gewerbe, so gibt es auch bei den Schlüsseldiensten solche und solche. Solche also, die den tatsächlichen Aufwand berechnen, womit der Ausgesperrte je nach Tageszeit und Wochentag zwischen 40 und 80 Euro bezahlt. Und solche, die gleich mehrere 100 Euro verlangen.

Die 30-Jährige Pädagogin Nancy Kamprad hat in der Nacht vom 8. auf den 9. August Bekanntschaft mit einem Betrieb der teuren Art gemacht. Die Bayreutherin kam gegen 2 Uhr nach Hause. Als sie versuchte die Haustüre zu öffnen, brach ihr Schlüssel ab. Im Internet fand sie einen Schlüsseldienst in Bayreuth. Dieser wirbt auf seiner Homepage, für 15 Euro Türen zu öffnen. Der Betreiber gibt an, aus Bayreuth zu stammen, führt jedoch keine Adresse auf. Auf die Frage, wie viel es kosten würde, versicherte man Nancy Kamprad, man suche immer den kostengünstigsten Weg.

Knapp 500 Euro für das Öffnen einer Tür

Das böse Erwachen erlebte die 30-Jährige jedoch wenig später: Die Kollegen vor Ort veranschlagten  knapp 500 Euro. Denn der Pauschalbetrag von 159 Euro ist nach 22 Uhr doppelt so hoch; für die  Anfahrt wurden 30 Euro berechnet. Das Aufbrechen und Einbauen eines neuen Zylinders hätten Nancy Kamprad weitere 120 Euro gekostet.

Weil die Pädagogin so viel Geld nicht zahlen wollte, sollte der Schlüsseldienst versuchen die Türe mit der abgebrochenen Hälfte des Schlüssels zu öffnen. Die andere Hälfte steckte ja noch im Schloss. „Der hätte sonst sofort aufgebohrt“, sagt Kamprad. Tatsächlich ließ sich die Türe problemlos öffnen. Zahlen musste die 30-Jährige trotzdem. Zwar nicht den vollen Betrag, allerdings trotzdem noch knapp 400 Euro. Nancy Kamprad ist verärgert: „Nach dem Erlebnis kann ich Urlaub dieses Jahr vergessen.“

Eine verschwiegene Branche

Ortsansässige Schlüsseldienste warnen vor dieser „Mafia“. Doch auch wenn sie unter dem schlechten Ruf der bundesweiten Anbieter leiden, öffentlich äußern wollen sie sich nicht. Schon gar nicht zu Preisen. Und die schwarzen Schafe der Branche legen bei Presseanrufen meistens sofort auf. Eine ganze Branche hüllt sich in Schweigen. Weil sie etwas zu verbergen hat?

„Wenn man einen Schlüsseldienst benötigt, sollte man unbedingt darauf achten, dass dieser ortsansässig ist, also eine Adresse angegeben hat und einen Betrieb in Bayreuth besitzt“, rät Gerhard Abele, Besitzer des Familienbetriebes Abele Schlüsseldienst und Sicherheitstechnik. Er  gehört zu den vertrauenswürdigen Anbietern, öffnet eine zugefallene Tür für pauschal 48 Euro. Doch er kennt Fälle, in denen 480 Euro verlangt wurden.

Betrüger schalten Anrufe aus dem Ortsnetz weiter

Doch auch mit einer örtlichen Adresse ist man nicht vor Abzockern gefeit. Denn inzwischen nutzen diese Firmen auch Weiterschaltungen aus dem Ortsnetz. Dann hilft nur die Frage nach dem Preis und im Zweifel auch bei anderen anzurufen.

Offen spricht auch Gerhard Herr; der 64-Jährige ist im Ruhestand, hat vor drei Jahren seinen Schlüsseldienst-Betrieb dicht gemacht. „Ich wollte meine Kunden nicht ausnehmen“, sagt er; sein Satz lag deshalb bei 38 Euro – sofern sich die Tür ohne Einsatz von Bohrmaschine und Ähnlichem öffnen ließ. Was fast immer dann der Fall war, wenn sie nur ins Schloss gefallen war und nicht abgesperrt wurde.

Neben Einbruchswerkzeug gehören auch Ersatzzylinder zur Grundausstattung eines Aufsperrdienstes, um Schlösser vor Ort auswechseln zu können. Für Laien ist der Job nichts. „Manchmal versuchen die Ausgesperrten auf eigene Faust das Schloss zu knacken. So wie in Hollywoodfilmen. Mit der Kreditkarte. Die ist dann meistens zerbrochen“, sagt Herr.

Schlüsseldienste arbeiten auch für die Polizei

Das Schlösserknacken hat hohe gesetzliche Hürden. Dazu gehört, dass die Betroffenen ihren Ausweis zeigen müssen und ihre Identität erfasst wird. Nicht, dass der Ex-Freund auf diese Weise bei der Verflossenen einbricht. Die öffentliche Hand nutzt Schlüsseldienste auch selbst: „Nicht lustig ist, im Auftrag der Polizei Türen zu öffnen und mit verwesten Leichen oder total vermüllten Wohnungen konfrontiert zu werden. Das lässt einen so schnell nicht mehr los“ sagt Gerhard Herr.

Neben Türen gehört auch das Öffnen von Autos, Schließfächer und Kassen zum Job, erklärt Gerhard Abele. „Mein größter Auftrag kam von der Feuerwehr: Nach einem Wohnungsbrand musste ich zusammen mit einem Kollegen 42 Schlösser in nur zwei Stunden aufbrechen und anschließend auswechseln.“ Wenn’s gut geht, ist die Tür in wenigen Sekunden offen.

Jeder Mitarbeiter des Schlüsseldienstes muss in der Lage sein, sein Umfeld auszublenden und sich nur auf seine Arbeit zu konzentrieren. „Einmal war einer Frau die Türe zugefallen. Ihr Baby befand sich im Haus und schlief. Sie war völlig außer sich vor Sorge und schwer zu beruhigen“, schildert Abele einen Fall. In der Aufregung fiel es ihm selbst schwer, sich zu konzentrieren. „Umso größer war dann die Freude der Mutter, als die Türe endlich offen war.“

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