"Schande" für den öffentlichen Dienst

Von Peter Rauscher
Rüge an den Staat als Arbeitgeber: DGB-Chef Mathias Eckardt. Foto: Archiv/Ronald Wittek Foto: red

Es ist einer der größten Brocken, den Union und SPD auf dem Weg zur Neuauflage der großen Koalition an diesem Wochenende wegräumen müssen: Die so genannte sachgrundlose Befristung von Arbeitsplätzen. Die SPD will sie abschaffen, Sachgründe einschränken und Befristungsketten begrenzen, die Union lehnt das ab. Während die Verhandler um einen Kompromiss ringen, sagt der oberfränkische DGB-Chef Mathias Eckardt: Nicht die Wirtschaft, sondern der Staat nutzt am meisten die Möglichkeit von Befristungen.

 
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„60 Prozent der Neueinstellungen im Öffentlichen Dienst werden über befristete Verträge abgewickelt“, sagte Eckardt dem Kurier. „Das ist eine Schande“. Er schilderte den Fall einer angestellten Lehrerin Mitte 40 mit zwei Kindern, die 23 Jahre lang immer nur befristete Arbeitsverträge bekommen habe. Sie lebe jetzt in Scheidung, könne aber ihr Leben nicht planen, weil sie letztlich keine Sicherheit habe, wie lange sie beschäftigt werde. „Sie kann nicht einmal ein Auto kaufen, geschweige denn eine Wohnung“, sagte Eckard.

Kein Geld in den Ferien

Ein Realschullehrer aus Bayreuth (Name der Redaktion bekannt) berichtete dem Kurier, er sei trotz hervorragenden Examens nur befristet angestellt worden. In Bayern gebe es an Realschulen und Gymnasien sehr viele befristete Aushilfsverträge, die oft sogar nur für ein halbes Schuljahr gelten. Manche Verträge würden nicht nur im Sommer, sondern auch in den Pfingst- und Osterferien nicht mehr vergütet.

Jeder zehnte Realschullehrer befristet

Das Kultusministerium teilte auf Kurier-Anfrage mit, im vergangenen Schuljahr hätten 9,6 Prozent der Realschullehrer und 1,8 Prozent der Gymnasiallehrer befristete Angestelltenverträge. Solche Verträge erhielten nur Lehrkräfte, die während eines Schuljahres aus Aushilfskräfte eingestellt würden. In der Regel würde das Gehalt über die Sommerferien bezahlt, außer, das Beschäftigungsverhältnis beginne mehr als vier Wochen nach Schuljahresanfang. Bei kürzerer Laufzeit würden Ferien nur teilweise vergütet. Kettenbefristungen seien im Zeitraum von acht Jahren zwölfmal rechtssicher möglich.

"Unsägliche" Kettenarbeitsverträge

Eckardt nannte die Praxis von Kettenarbeitsverträgen „unsäglich“. Das Verbot werden durch zahlreiche Ausnahmetatbestände faktisch unterlaufen. Bundesweit sind rund 2,8 Millionen Arbeitnehmer über 25 Jahren befristet beschäftigt, Zahlen für Oberfranken konnte Eckardt nicht nennen. Grundsätzlich leide die Region unter Fachkräftemangel, da könne er nicht verstehen, warum man vielen jungen Leuten nur Zeitverträge anbiete, sagte Eckardt.

Der Nutzen für Unternehmen

Gabriele Hohenner, Hauptgeschäftsführerin der Industrie- und Handelskammer für Oberfranken (IHK) in Bayreuth, erklärt den Nutzen für die Unternehmen so: „Aus Gesprächen mit vielen Unternehmern wissen wir, dass es für sie wichtig ist, in besonderen Situationen befristete Arbeitsverträge auch ohne Sachgrund eingehen zu können.“ So könnten sie etwa auf Auftragsspitzen oder Großaufträge flexibel reagieren oder zeitlich begrenzte Projekte umsetzen. „Die Befristung ist für viele Unternehmen deshalb wichtig, weil es sich um eines der wenigen unbürokratischen Flexibilisierungsinstrumente im Arbeitsrecht handelt.“