Rudi Dutschke, Wortführer der 68er-Revolte

Von Anne-Beatrice Clasmann,
Rudi Dutschke, Studentenführer und Ideologe des SDS (Sozialistischer Deutscher Studentenbund) wurde am 11. April 1968 auf dem Kurfürstendamm in Berlin niedergeschossen. Foto: Wilhelm Bertram/dpa Foto: red

Rudi Dutschke wurde am 11. April 1968 - vor 50 Jahren also - von einem Rechtsextremisten niedergeschossen. Dutschke war Wortführer der Linken Studentenbewegung und Hassfigur der Rechten und Konservativen. Elf Jahre später starb der prominente Aktivist an den Spätfolgen des Attentats.

 
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Rudi Dutschke steht am 11. April 1968 vor einer Apotheke auf dem Berliner Kurfürstendamm, als ihn ein Rechtsextremist mit drei Schüssen niederstreckt. Elf Jahre später stirbt der prominente linke Aktivist an den Spätfolgen des Attentats. Der Täter wird gefasst. Im Februar 1970 begeht er in seiner Zelle Selbstmord.

Dutschke ist nie zur Ikone der Linken geworden

Dutschke war damals eine Symbolfigur, die den Hass der Rechten und Konservativen auf sich zog. Er hat neue Formen des Protests etabliert. Dennoch ist der prominenteste Vertreter des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) in seiner Heimat nie zur Ikone geworden – auch wenn man in Berlin-Kreuzberg 2008 eine Straße nach ihm benannt hat.

Bedenkt man, wie stark sich Deutschland unter dem Einfluss der 68er-Bewegung verändert hat, ist es eigentlich erstaunlich, dass deutsche Linke heute zwar das Konterfei des 1967 in Bolivien getöteten Guerrilleros Che Guevara auf dem T-Shirt tragen, aber nicht das des einstigen Wortführers der deutschen Studentenproteste.

Dutschke war kein Mann griffiger Slogans

Das mag an Dutschkes bisweilen schwer verdaulichen Bandwurmsätzen liegen, die selten zum griffigen Slogan taugten. Vielleicht verhinderte auch sein selbstgestrickt-alternativer Look die posthume Vermarktung von Rudi Dutschke als Popstar des Protests. Ganz anders als Che Guevara, der mit Barett, zerknittertem Hemd, Zigarre und Macho-Blick nicht nur für linke Ideologie stand, sondern irgendwie auch für Abenteuer und Männlichkeit.

„Che hatte ein schönes Gesicht und ein wildes Aussehen“, sagt der Berliner Politologe Hajo Funke, damals auch Mitglied im SDS. An den Äußerlichkeiten alleine liege es aber nicht. Funke glaubt, Dutschkes Wirken sei später „überblendet worden durch die Debatten über die RAF“. Was er meint, ist der von Gegnern der 68er-Bewegung oft erhobene Vorwurf, die linke Studentenbewegung habe den Terror der Rote-Armee-Fraktion überhaupt erst möglich gemacht. Funke findet diese Interpretation unfair. Er sagt, Dutschke sei gegen Gewalt gewesen, ein warmherziger Mensch, „man hätte ihn mehr würdigen sollen“.

Dutschke predigt "langen Marsch durch die Institutionen"

Ihren ersten Anschlag verüben die späteren Mitbegründer der RAF, Andreas Baader und Gudrun Ensslin, eine Woche vor dem Attentat auf Dutschke. In Frankfurt am Main zünden sie zusammen mit Thorwald Proll und Horst Söhnlein zwei Kaufhäuser an.

Dutschkes Theorie vom „langen Marsch durch die Institutionen“ hat sich im Rückblick als praxistaugliches politisches Rezept erwiesen. Viele derjenigen, die damals losmarschiert waren, wurden später Minister und Professoren.

Dutschke-Witwe freut sich über Gedenken

Eines der drei Kinder von Rudi und Gretchen Dutschke trägt den „Che“ im Namen, nach dem Revolutionär Che Guevara. Das Aktivistenpaar nannte seinen ältesten Sohn Hosea-Che. Hosea war ein Prophet im Alten Testament. Der Name „Che“ stand bei deutschen Linken damals symbolisch für die Befreiungsbewegungen in den Entwicklungsländern. Wer hat den Namen damals ausgesucht? „Ich vermute, dass es Rudi war. Ich habe es akzeptiert, obwohl ich Probleme mit Che Guevara hatte“, erinnert sich Gretchen Dutschke. Eine Bewegung, die auf Hass gründete, das gefiel ihr nicht.

Die Witwe hat sich gefreut, als sie neulich in Berlin einen Lampion mit dem Konterfei von Rudi Dutschke hängen sah. Sie sagt: „Bei denjenigen, die unter 30 sind, ist er meistens vergessen. Das finde ich schlecht, weil es so ein wichtiger Teil der deutschen Geschichte ist.“

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