Reinhold Messner: Eroberer des Nutzlosen

Von Michael Weiser
"Wenn ich nicht umkommen könnte, wäre es ein Spiel": Reinhold Messner in der Stadthalle. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Eine Legende zu Gast in der Stadthalle: Reinhold Messner berichtet vor fast ausverkauftem Saal aus seinem Leben, über seine Museen und die Berge. Und plaudert von der Welt und Gott.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Zum Ende hin erzählt Reinhold Messner eine Geschichte. Sie handelt von ihm als fasziniertem Zuschauer, von zwei Männern, die ein Bündel tragen, von einem Priester und von Geiern. Die Geschichte zeugt nicht nur von Bräuchen ferner Länder, sie sagt auch viel über Reinhold Messner. Über seine Faszination an Menschen und Kulturen, seine Nüchternheit, seine Vorstellung von Jenseits und Endlichkeit.

Die Geschichte ist bezeichnend dafür, wie Messner über sein Leben erzählt. Nicht rhetorisch glänzend, aber spannend. Nicht wissenschaftlich, aber keineswegs ohne Fundament. Nicht heroisch, aber doch so, dass man einen Grenzgänger vorm inneren Auge hat: Einen Mann mit Eiszapfen im Bart, einsam, auf eisigem Grat. "Grenzgänger", das Wort gebraucht er oft. Eine verschworene Gemeinschaft muss das sein, Menschen, die in Neuland vorstoßen. Nicht einfach so, sondern aus spirituellen Motiven. Sich der Todesgefahr zu stellen, wieder zurückzukehren: Das, sagt er, "ist wie eine Wiedergeburt". 

Alpinismus ist kein Spiel

Über seine Bergsteigereí und seine Wüstendurchquerungen sagt er: "Wenn ich nicht umkommen könnte, wäre es ein Spiel. Das ist es aber nicht." Messner weiß, wovon er spricht, bei der spektakulären Überschreitung des Nanga Parbat starb sein Bruder Günter. In der Stadthalle zeigt er Bilder des Killerbergs, mit dem Laserpointer zeigt er, welchen Weg die Diamirflanke hinunter er und sein Bruder nahmen, wo sein Bruder in der Eislawine verschwand, wo dessen sterblichen Überreste 35 Jahre später gefunden wurden. Als könne er so beweisen, dass seine Version alleine die wahre sei, und nicht die der anderen in der Expeditionsgruppe: Die hatten ihm vorgeworfen, den Bruder seinem Ehrgeiz geopfert und dann im Stich gelassen zu haben.

Jede Episode seines Vortrages ist ein Mosaiksteinchen. Kind trinkender, anarchischer, liebevoller Vorfahren ist er, und er ist Vater. Von seinem Sohn erzählt er, und davon, wie sich Klettertouren mit dem Sohn anfühlen. Messner ist Biobauer, Schulenbauer, Bergsteiger, Kletterer, Kamerad,   Beobachter, Autor, Abenteurer, Burgbesitzer, Erzähler, Museumsgründer, Reisender und ein bisschen Reiseunternehmer. Ja, auch den Fremdenverkehr will er ankurbeln, zumindest den zu seinen Museen. Regelmäßig erzählt er von ihnen, preist Südtirol, immer wieder laufen Werbeeinblendungen über die Leinwand: eine schöne Heimat. Auch seine Autobiographie ist vieldeutig. "Über Leben" heißt sie, und damit ist nicht nur das dem Tod-von-der-Schippe-Springen gemeint, sondern auch das Reden übers Leben. Und ein Über-Leben, größer als Angst und Bedenken: ein Nietzsche-Leben, sozusagen.

Gelingen im Hier und Jetzt

Er ist charmant, aber nicht übermäßg bescheiden. "Sie alle machen etwas Nützliches", sagt er  zu den Zuschauern in der fast ausverkauften Stadthalle. "Ich hingegen mache etwas Nutzloses. Ich bin der Eroberer des Nutzlosen." Er wirkt dabei nicht, als empfinde er dabei irgendwie schlechtes Gewissen, ganz im Gegenteil. Nicht um den Nutzen, um den Sinn gehe es, "und der fällt nicht auf einen runter, der muss aus einem selber kommen". Es gebe kein gelungenes Leben, sondern nur ein gelingendes Leben, das Hier und Jetzt. Und man ahnt, dass es Glück bedeutet, wenn Sinn und Gegenwart zusammenkommen. 

Messner glaubt nicht an Gott, nicht an den der Bibel oder des Koran zumindest. "Die Menschen haben Gott nach ihrem Bild geschaffen", sagt er. Wie er sich das vorstellt, das Ende und das Weiterleben, davon handelt eingangs erwähnte Geschichte.

Sie geht ungefähr so. Messner hat zwei Tibeter gesehen, die ein Bündel mit sich tragen. Sein Verdacht bestätigt sich, in das Tuch ist eine Leiche eingehüllt. Er macht sich auf den Weg und wird tatsächlich Zeuge einer Himmelsbestattung: Geier machen sich über den Leichnam her, den der Priester mit Dutzenden von Schnitten versehen hat. Die Vögel fressen das Fleisch von den Knochen, schließlich noch die Knochen selbst, nachdem der Priester sie zertrümmert hat.

"Elegant", sagt Messner sachlich, so könne er sich das auch vorstellen. Als Ganzes verschwinden und wieder in die Natur eingehen: Auch eine Art von Weiterleben.

Bilder