Beispiel Beschäftigung: Untergebrachten soll binnen der kurzen Zeit ihrer Behandlung in der Klinik eine Beschäftigung angeboten werden, möglicherweise auch in Privatunternehmen. Und ausländische Kranke sollen dazu animiert werden, Deutschkurse zu absolvieren. Kallert nennt das „nur noch weltfremd. Ich bin schon froh, wenn ich eine schwer Erkrankte nach der ersten Behandlungswoche eine halbe Stunde in die Ergotherapie bringen kann“.
Gespräch mit Abgeordneten am Freitag
Kallert gibt zudem zu bedenken, dass das Gesetz - wenn der Entwurf so umgesetzt würde - vom Verfassungsgericht gekippt werden könnte, was im klinischen Alltag zu großen Rechtsunsicherheiten führen könnte. Da der Entwurf noch vor den Landtagswahlen im Oktober verabschiedet werden solle, sei jetzt die letzte Chance, ein schlechtes Gesetz zu verhindern, sagt Kallert. Nötig seien nicht nur kleine Korrekturen, sondern eine grundlegende Änderung. Er hoffe, dass mit diesem sensiblen Thema nicht unter dem Schlagwort „mehr Sicherheit“ Wahlkampf auf dem Rücken psychisch Kranker gemacht werden solle. Am Freitag will er seine Argumente Bayreuther Landtagsabgeordneten erläutern. Nun könne nur noch das Parlament helfen, sagt der Ärztliche Direktor.
Protestfront der Bezirke
Die bayerischen Bezirke, denen ausnahmslos CSU-Politiker als Präsidenten vorstehen, als Träger der psychiatrischen Kliniken haben sich zu einer Protestfront gegen den Gesetzentwurf zusammengeschlossen. In einer Stellungnahme des Bezirketags heißt es, mit dem Entwurf werde „die Chance vertan, ein modernes Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz zu erlassen, das die Entstigmatisierung psychisch kranker Bürger voranbringt und seinen Namen als Hilfe-Gesetz auch wirklich verdient“.
Der Bezirketag fordert unter anderem, die neue Unterbringungsdatei mit sensiblen Daten zu streichen, sauber zwischen Maßregelvollzug und Unterbringung psychisch Kranker zu unterscheiden, die Einschränkung der Selbstbestimmungsfähigkeit als Voraussetzung von Unterbringung zu nennen und die Benachrichtigungspflichten an die Polizei einzuschränken.
Signale von der neuen Ministerin
Das Gesetz müsse in einigen Punkten nachgebessert werden, bekräftigte Bezirketagspräsident Josef Mederer gegenüber dem Kurier. Er habe Signale erhalten, dass die neue Sozialministerin Kerstin Schreyer dies tun wolle. "Sie hat sich gegenüber der Kritik sehr aufgeschlossen gezeigt", sagte Mederer. Der Entwurf ihres Hauses wurde gestern im Ministerrat ohne Diskussion behandelt. In einer Pressemitteilung vom Dienstag wird Ministerin Schreyer mit den Worten zitiert, das neue Gesetz biete "Rechtssicherheit und Transparenz".
Fragen des Kurier, warum psychisch Kranke bei Datenschutz und Polizeimeldepflichten mit Straftätern gleichgesetzt werden, warum man eine neue Datensammelbehörde braucht, warum Einwände von Fachleuten nicht berücksichtigt werden und ob nicht der Therapieerfolg durch das Gesetz gefährdet werde, ließ das Sozialministerium unbeantwortet.