Weil die Radonbelastung in Fichtelberg zu hoch ist, bringen sie die Schüler für einen Tag in die Schule des Nachbarortes Protest-Aktion: Eltern nehmen Kinder von der Schule

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Wegen zu hoher Radonbelastung bringen Eltern ihre Kinder in die Schule nach Mehlmeisel. Foto: Ronald Wittek Foto: red

Weil ihnen die Radonwerte in der Fichtelberger Schule zu hoch sind, wehren sich Eltern. Heute Morgen bringen sie ihre Kinder aus Protest in die Schule des Nachbarortes: nach Mehlmeisel. Ein Gutachter gibt ihnen Recht: Er nennt die Belastung in der Fichtelberger Schule „nicht tolerabel".

 
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1000 hier, 400 dort. Bettina Nickl (38) aus Mehlmeisel wunderte sich, schaute nach und macht sich seitdem nur eines: Sorgen um ihre Kinder. Und um die von anderen. Denn der Radon-Wert an der Fichtelberger Schule liegt im Durchschnitt bei 1000 Becquerel pro Kubikmeter (Bc/m³). Das ist das Ergebnis einer Untersuchung aus dem vergangenen Winter (der Kurier berichtete). Ein Gesetz gibt es zwar nicht, aber Richtwerte. Und die besagen, dass in Neubauten der Höchstwert bei 200 Bc/m³ liege, in Altbauten bei 400. Und trotzdem, wunderte sich Nickl, die Mutter dreier Kinder, dass das Gesundheitsamt in Bayreuth Entwarnung gab. „Bei diesen hohen Werten", sagt sie.

Eltern nehmen Radonwerte ernst

Mit anderen Eltern hat sie den Widerstand organisiert. Silke Freche (38) fordert: „Wir wollen, dass die Kinder da rauskommen." Deshalb haben sie vor den Toren der Schule einen Brief an die Kinder verteilt. Der die Eltern wachrütteln sollte.„Das Radon-Thema wird als Argument in der politischen Diskussion benutzt. Da gehört es nicht hin", sagt die approbierte Ärztin und Schulärztin Dorothee Ganser (45) vom Landratsamt Bayreuth. Sie spielt auf den Schulstandort an, um den sich Fichtelberg und Mehlmeisel seit langem streiten. Die Werte in dem Gutachten vom Winter seien so hoch, sagt Ganser, dass in der Schule saniert werden müsste. Die ersten Arbeiten seien fertig: Kellertüren gebe es schon neue und der Boden werde ausgetauscht. „Das ist auch erstmal genug", sagt sie.Aber sie warnt vor Hysterie. Das Fichtelgebirge sei eine Gegend mit hohen Radonwerten, da dürfe man nicht nur auf die Zeit in der Schule schauen. Sondern auch auf die, in der die Kinder zuhause oder in der Freizeit wären. Dort seien sie oft einer höheren Belastung ausgesetzt. In der Schule seien sie nur 20 Stunden. „Natürlich muss man das ernst nehmen", sagt sie, aber auch „die Kirche im Dorf lassen". Und die Werte „genau anschauen".

Ein Ingenieurbüro der Region hat sich für den Kurier die Werte angeschaut. „Die sind nicht tolerabel", sagt der Chef, „viel zu hoch." In der Bibliothek liege ein Wert bei 1700 Bc/m³, in einem Klassenzimmer bei 1760. Lüften alleine helfe bei diesen Zahlen nicht. Er rät zu einer Zwangsbelüftung. „Und dann analytisch überwachen." Bei diesen Werten würde er seine Kinder nicht in diese Schule schicken, sagt er. „Das ist ja kein Tierversuch."Er verweist auf die Studie der Weltgesundheitsorganisation von 2009, die auch Bettina Nickl kennt. Je höher die Radonkonzentration ist, umso mehr steigt die Gefahr, an Lungenkrebs zu erkranken. „Ich als Laie musste mir die Infos aus dem Internet holen", seufzt sie.Fichtelbergs Bürgermeister José-Ricardo Castro Riemenschneider (66/CSF) widerspricht. Es sei eine Info-Veranstaltung mit dem Gesundheitsamt geplant. Überhaupt verweist er auf die Experten des Gesundheitsamtes. „Da verlasse ich mich drauf", sagt er. Nicht einverstanden ist er mit der Aktion der Eltern, vor der Schule den offenen Brief zu verteilen.

Anti-Radon-Arbeiten bis Pfingsten fertig

„Entsetzt" ist auch die Elternbeiratsvorsitzende Stephanie Schinner (27) aus Fichtelberg. „Entsetzt, dass meinem Kind so etwas vor der Schule gegeben wird", sagt sie. Das Vokabular reiche von „Krebs" bis „tödlich" – völlig ungeeignet für die Kleinen. Kann man also die Kinder bei den Werten ohne Bedenken auf die Schule schicken? „Eigentlich ja", sag sie. Und auch sie erinnert daran, dass man in einer Radon-Gegend lebe. „Wenn man damit nicht leben kann, soll man in einen Gegend ziehen, wo Kalk im Boden ist." Dann brauche man sich keine Sorgen mehr zu machen. Auch ihr Urteil ist klar: Die Aktion der Eltern ist politisch motiviert.„Nein, es geht nicht um den Schulstandort", sagt Nickl. Und das sagen auch die anderen Unterzeichner des offenen Briefes Es gehe allein um die Gesundheit ihrer Kinder. Und Nickl weiß, wovon sie redet: Sie hat schon ein Opfer von Lungenkrebs in der Familie zu beklagen.

Bis Pfingsten sollen die ersten Anti-Radon-Arbeiten in der Fichtelberger Schule fertig sein. Und ansonsten wird laut Rektor Jürgen Grießhammer in den Klassenzimmern mehr gelüftet.

Foto: Wittek

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