Prokopetz: Der Watzmann, die Schnapsidee

Prokopetz, Josei Foto: red

„Wie schallt’s von der Höh’ - hollarädullijöh!“: Am 4. Dezember ist das Kultstück „Watzmann“ in der Freiheitshalle Hof zu erleben (19 Uhr). Wolfgang Ambros, Manfred Tauchen und Joesi Prokopetz wollten eigentlich nur die Alpen- und Heimattümelei parodieren und landeten damit einen Dauerbrenner. Welche Schnapsidee zum „Watzmann“ führte, mit wem man den „Watzmann“ nicht verwechseln sollte und warum er ganz gut als unbekanntester Bekannter leben kann: Mit Joesi Prokopetz sprachen wir darüber.

 
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Sie sind der wahrscheinlich bekannteste Unbekannte. Nervt Sie das? Dabei waren Sie bei vielen Sachen dabei, die zumindest den Älteren noch ein Begriff sind.


Joesi Prokopetz: Das mit nicht kennen würde ich so gar nicht sagen. Das ist vielleicht in Deutschland so, nicht unbedingt in Österreich. Nehmen Sie den James Joyce. Außerhalb von Irland kann es schon sein, dass den jemand nicht kennt.

Immerhin ein moderner Klassiker.


Prokopetz: Aber bekannt eigentlich auch nur wegen „Ulysses“. Als die Stelle mit dem inneren Monolog kam, diese Geschichte mit Molly Bloom, da hab ich ihn weggeschmissen. Da hab ich gesagt, das packe ich nicht mehr.

Einfach aufgegeben.


Prokopetz: Einfach aufgegeben, ja. In meinem Bekanntenkreis, da haben das einige gelesen. Oder so was wie „Der Mann ohne Eigenschaften“ von Robert Musil, der ist schon lesbar, wenn auch ein bisserl durcheinand. Aufs Klo, da ein Stückerl lesen, hier ein Stückerl, das geht schon. Am meisten gefällt mir dieser Massenmörder. Wie heißt er gleich wieder...

Von Massenmörder zur Massengaudi: Der Wolfgang Ambros, Manfred Tauchen und Sie – wie sind Sie denn damals auf den „Watzmann“ gekommen?


Prokopetz: Des weiß ich auch nimmer. Eine Schnapsidee war das, vor vielen Jahren. Da haben wir irgendwas gesehen und kamen dann ins Fabulieren. Was wir da gesehen haben – hm. Die Erinnerungen unterliegen ja der selektiven Wahrnehmung. Der Wolfgang erzählt immer irgendwas von einem Dackel, der uns auf diese Idee gebracht habe soll. Also, mir ist das nicht erinnerlich. Ich dagegen kann mich daran erinnern, dass ein Tiroler, der dazugestoßen ist, als wir drei zusammengesessen sind, einen Landpfarrer nachgemacht hat und dann das Erzählen angefangen hat, vom Heiligen der Berge, vom ewigen Kampf... Das war äußerst lustig, aber fundiert, weil Tiroler sich ja mit Berge und so etwas auskennen. Und da haben wir dann mitgesprochen, so nach dem Motto: „Bua, da geh her! Na, Voda, i muaß aufi“ - Bis dann einer gesagt hat, das müsst ihr aufschreiben, ihr müsst das festhalten, das ist ja der Waaahnsinn. Und wir haben gesagt ja ja. Bis der gesagt hat, des nimm ich jetzt auf. Und dann hat der das aufgenommen. Das ist dann bei Ö1, de österreichischen Kultursender gelaufen, zwölf Minuten lang. Das hat die Plattenfirma gehört, die wollte es auf eine Langspielplatte pressen, aber dazu war es zu kurz, also haben wir was dazu erfunden, Lieder, Szenen, die Figur der Gailtalerin. So erinnere ich mich daran.

Mit Improvisation zum Kultstatus...


Prokopetz: Das ist wirklich erst nach und nach gewachsen. Irgendwann sollten wir dann nach München kommen, ins Deutsche Theater. Die haben gefragt, wir das nicht machen könnten. Jo, haben wir gesagt: Aber dafür ist das Stück immer noch zu kurz. Also haben wir noch was erfunden, es ist gewachsen, aufgrund der Nachfrage, aufgrund der Bühnen, auf denen es stattzufinden hatte. Es ist ein Wanderzirkus geworden, riesig, eine alpine Rocky Horror-Show. Mehr ist es nicht.

Eine Blödelei?


Prokopetz: Ja, nicht wirklich. Wir wollten eine Persiflage auf Österreich und Bayern machen, auf die Verzopftheit, auf diese Blut- und Bodentümelei, auf diese Vater-Sohn-Kinflikte. Das ist jetzt über vierzig Jahre her. Die Nachwirkungen des Dritten Reichs, die Leistungsverweigerung der Neuen Generation, Spießbürgerlichkeit, das Katholische, das ist alles feinstofflich irgendwie eingeflossen. Natürlich hat der „Watzmann“ keine Brecht-Dimension, aber – es hat schon was davon gehabt. Das wurde damals auch gar nicht falsch eingeordnet, sondern durchaus kritisch rezipiert. Heute müssen wir aufpassen, dass nicht das Rustikale, das Nationale, das Feierliche Urständ feiert. Und dass man nicht mit Hüttengaudi verwechselt wird. Das habe ich noch nie verstanden, Hüttengaudi. Wie bemühen uns, das nicht entgleiten zu lassen. Natürlich gibt es in diesem Stück Lacher, aber bemühen uns, dass wir nicht verwechselt werden.

Ja, aber so kann die Zeit über einen hinweggehen. Die Anspielungen auf das Klima damals versteht nicht jeder mehr. Und so wird aus dem Ganzen halt irgendwann nur noch Gaudi.


Prokopetz: Ich will mich ja gar nicht wehren. Wann da einer Hollarädullijöh sing, na gut, ich hab nichts dagegen. Aber das ist schon noch was anderes. Wann man sich die herrschende Textlandschaft rund um den Musikantenstadl so anhört – dann hört sich das anders an. Seit Gabalier und Konsorten müssen wir aufpassen, dass nicht abdriftet. Zehn Prozent des Publikums sind auch immer ein bisserl enttäuscht, weil sie sich was anderes erwartet hatten.

Alles eine Frage der Zeit. 1971 haben Sie den Text zum Lied vom Lynchmob geschrieben, in der Ballade vom „Hofa“, der noch als unschuldig Ermordeter quasi mit Füßen getreten wird. Der erste große Erfolg für Liedermacher Wolfgang Ambros. Sehen Sie Parallelen zu heute?


Prokopetz: Seh ich nicht, nein, der Hofer kam ja auch aus dieser Zeit, so Anfang der 70er Jahre, in Österreich. Der „Hofa“ ist mir ja einfach passiert. Ich wusste nicht, dass das von der Literatur-Kritik von ernstzunehmenden Menschen als die Ballade des Immer Schuldigen gefeiert werden würde. Das habe ich damals nicht gewusst, als ich den Text geschrieben. Es ist einfach passiert, wie damals beim „Watzmann“. Da hatten wir uns auch nicht hingesetzt und uns vorgenommen, so, jetzt schreiben wir mal ein Stück.

Waren Sie denn schon mal auf dem Gipfel des Watzmann?


Prokopetz: Leider nie, das ist sich nicht ausgegangen. Auf vielen Bergen war ich, aber nicht auf dem. Grausliche Geschichte hört man von diesem Berg, das kann man alles im Internet nachschauen. In Wunsiedel haben wir 25mal gespielt, der Dramaturg dort hat zur PK sogar mal die tatsächlich an diesem Berg vorgefallenen Unglücksfälle recherchiert.

Seit 40 Jahren gibt es das „Rustical“ „Watzmann“. Und es ist Kult, es gibt vermutlich sehr viele Menschen, die können das Stück auswendig. Gibt es sogar Fans, die Ihnen hinterherreisen?


Prokopetz: Ein paar , ja, die gibt es, die reisen in erster Linie dem Wolfgang nach (dem allerdings sehr bekannten Liedermacher Wolfgang Ambros, Anm der Red.).

Jetzt sind wir wieder beim Ruhm: So richtig bekannt sind Sie halt doch nicht.


Prokopetz: In Deutschland, ja, in Österreich nicht, Gottseidank. Aber auch in Deutschland bin ich immer wieder unterwegs, in der „Lach und Schieß“ in München zum Beispiel, und das mit großer Freude, in der „Neuen Welt“ in Ingolstadt, bei den Ösi-Tagen. Des einzige, was allgemein bekannt ist, das ist die Geschichte mit DÖF, mit dem Deutsch-Österreichischen Feingefühl.

Beste neue deutsche Welle. Und mit der bekannten Zeile ...und ich düse, düse, düse im Sauseschritt“. Aber auch da sind die Humpe-Schwestern im Vordergrund. Die kennt jeder. Der Joesi Prokopetz dagegen...


Prokopetz: Was soll ich denn dagegen machen? Ich kann ja nicht mit einem Transparent rumlaufen, „Achtung ich bin so wichtig, Vorsicht. Sie kennen mich zwar nicht, trotzdem wissen sie von mir.“ Trotzdem bin ich allgegenwärtig.

Als absolut vielseitiger Kabarettist und Musiker. Kaum zu glauben, dass Sie nächstes Jahr in Pension gehen.


Prokopetz: Ja, offiziell bin ich bald in Pension. Ich bekomme Rente. Spielen tu ich weiter. „Vollpension“, so heißt mein Programm, ein „Blick zurück nach vorn“. Das sind ein paar selten gespielte Sachen dabei, dazu die sogenannten Hits, die Sachen, die in Österreich halt sehr bekannt sind, aus meiner Feder, als mein eigener Interpret, mit einem Klavierspieler, Querbeet durch mein Programm. Es ist ein Querschnitt durch mein Lebenswerk. Ich find’ aber Lebenswerk etwas überzogen.

Andere wären da nicht so zurückhaltend. Ich bitte Sie, 40 Jahre Bühnenkarriere...


Prokopetz: Na, was heißt das – Lebenswerk? Ich find’s übertrieben und aufgeblasen. Jeder Koffer, der was gemacht hat und ansonsten nur älter wird, hat auf einmal ein Lebenswerk. Dann redet man auf einmal von Erzähltiefe. Nur weil da irgendjemand älter wird. Davon hat zu Shakespeares Zeiten noch niemand gesprochen.

Tja, Shakespeare. Haut der Sie auch so vom Hocker?


Prokopetz: Der ist überall dabei. „Games of Thrones“ zum Beispiel – auch da entdecke ich Shakespeare. Nichts gegen Shakespeare, der ist wunderbar. Aber heute würde das wahnsinnig aufgebläht werden. Jeder Depp hat weiß Gott was gemacht, und irgendwann ist das dann ein Lebenswerk.

Gibt es deutsche Kabarettisten oder Comedians, die Sie schätzen?


Prokopetz: Das weiß ich nicht so genau, welche Deutschen da hervorragend sind. Aber, doch, es gibt schon welche. Dieter Nuhr zum Beispiel, der gefällt mir, wenn er nicht gerade moderieren muss. Da macht er sich mit den Comedyfatzken gemein. Einen gibt es, der spielt Klavier, der ist phantastisch, ich meine nicht den Indianerfeder (Rainald Grebe, Anm. der Red., wir tippen also eher auf Hagen Rether). Dann gibt es da Gerhard Polt. Oder Hans Dieter Hüsch. Der hat im Kabarett überhaupt gewaltige Spuren hinterlassen. Und dann der Dieter Hildebrandt natürlich – selbstverständlich. Also ich sehe da schon viele Könner.

Man fordert vom ernsthaften Kabarettisten gerne „Nachhaltigkeit“...


Prokopetz: Pruhahah, dieses Nachhaltige. Ich weiß nicht ob das von Brecht ist: Die nachhaltige Pointe komm immer aus den Niederungen der Melancholie. Nachhaltigkeit, ich glaub’, das Wort gibt’s eigentlich gar nicht. Ist doch auch so eine Erfindung. Es ist so: Es gibt schon Vertreter des Genres, die sich anbiedern. Und sich anheischig machen. Die rein formal agieren, ohne Background, wie man heute sagt. Auch so ein Wort, das intellektuellen Überbau vortäuschen soll. Wo sich der vordrängt, wird es unerträglich (Prokopetz lacht). Man hat früher auf der Bühne vielleicht mehr den Wortschatz gepflegt. Heute wird alles sehr schnell geil, ur- und überhaupt mega. Absolute Sprachvereinfachung. Auf der anderen Seite gibt es dann wieder so etwas Slam Poetry. Da gibt es viele Leute – also, wie die mit der Sprache umgehen... Das ist schon gut.

Das Gespräch führte Michael Weiser

Info: Mit etwas Glück können Sie in Hof kostenlos dabei sein, denn der Kurier verlost 5x2 Eintrittskarten. Wer teilnehmen möchte, schickt eine SMS mit dem Text „kurierwinwatzmann“ an die Nummer 5 20 20. Jede SMS kostet 50 Cent. Per Telefon können Sie teilnehmen, wenn Sie die Nummer 01 37/8 08 40 12 76 wählen und als Stichwort Watzmann nennen. Pro Anruf bezahlen Sie 50 Cent.

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