Probleme mit der Gratiskultur

Von Michael Weiser
Tatendurstig - und auf gutes Wetter hoffend: Freddy Dörner, Max Flämig und Oskar Botschek. Foto: Privat Foto: red

Schön, wenn sich was rührt auf der Wilhelminen-Aue. Doch das macht auch Mühe. Private Veranstalter springen in die Bresche, die sich auf dem Landesgartenschaugelände auftat. Dabei haben sie mit dem Mangel an Infrastruktur, dem Wetter und der Gratiskultur zu kämpfen.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Max Flämig beherrscht mancherlei, was ihn zum Zeremonienmeister für ausgelassenere Feierlichkeiten zu empfehlen scheint. So weiß der 30-Jährige, den Plattenteller angemessen zu bedienen, auch verfügt er über die Fähigkeit, Alkohol so weit zu kühlen, bis er zähflüssig wie Honig wird. "Das ist aber kein Party-Trick", klärt er auf. Flämig ist Experimentalphysikerund befasst sich eben unter anderem mit den Eigenschaften von Alkoholen, auch mit denen, die sich nicht unmittelbar auf Partylaune auswirken.

Dritte Auflage

Seit diesem Sommer unternimmt Flämig zusammen mit einigen Freunden noch ein weiteres Experiment. Der Doktorand richtet das "Kraut und Rüben" aus, ein kleines Festival. "Uns geht es darum, der elektronischen Tanzmusik einen Raum in Bayreuth zu geben, der keine Begrenzungen durch Decken oder Mauern kennt", so wirbt Flämig. Schauplatz ist das Gelände der Landesgartenschau, zweimal ging es bereits am Hammerstatter See über die Bühne. ",Kraut und Rüben' soll sich in Bayreuth etablieren", sagt Flämig. Die dritte Auflage soll am 16. September steigen, von 14 bis 21 Uhr.

18 bis 30 Jahre, so alt schätzt Flämig die Kerngruppe der Besucher. Es sind aber auch Leute über 40 dabei, sogar Familien, die vor allem am Nachmittag vorbeischauen. Über 500 sollten es nach den Erfahrungen der ersten beiden Auflagen schon werden.

"Es soll nicht durchkommerzialisiert sein"

Die Musik beschreibt Flämig als Mischung aus House, Techno und Disco, "wir sind da ganz offen, es soll halt nicht so durchkommerzialisiert sein". Namhafte DJs geben sich die Ehre, alle zwei Stunden ein anderer - "damit richtig Abwechslung ist", sagt Flämig. Sponsoren haben er und seine Mitstreiter Oskar Botschek, Alex Bisping und Frederik Dörner nicht, auch Eintritt verlangen sie keine. "Wir wollen uns über die Theke finanzieren", sagt Flämig. Riskant, wenn das Wetter mies ist. "Aber dafür haben wir auch keinen Wagen mit Werbeaufschrift bei uns rumstehen."

Also über die Zeche soll's laufen. Doch da gibt es noch andere Risiken als das Wetter. "Ich hab nichts gegen Leute, die ein Wegbier dabei haben", sagt Flämig. Klar, ein "Fußpils" verkürzt den langen Weg in die Wilhelminen-Aue. Wo's problematisch wird: Wenn Besucher auch noch den Rest ihrer Getränke mitbringen. "Wir hatten auch schon mal einen Fall, da fragte einer an der Theke nur, ob er Gläser und Eis haben könne. Den Schnaps hatte er mitgebracht."

"Saalmitte" - so nennt sich das Quartett um Veranstalter Max Flämig. Um diese Saalmitte herum gruppieren sich ein halbes Hundert Helfer für Auf- und Abbau, für Theke, Toiletten und anderes. "Du musst auch für ein kleineres Festival eine Wahnsinnsinfrastruktur hinstellen", sagt Flämig. Was insofern schwierig ist, da der Elan für den Aufbau erfahrungsgemäß größer ist als der Eifer für den Abbau.

Müll und Gratisproben

Um so mehr, da auch schon Werber beim "Kraut und Rüben" auftauchten,die im Auftrag von Großunternehmen Gratisproben verteilen. Dann entgeht den Veranstaltern nicht nur Geld, dann haben sie auch mit mehr Müll zu tun. Dann müssen sie die Nachtschicht verlängern, um leere Flaschen schon auf den Wegen durchs Landesgartenschaugelände aufzusammeln. Damit Robert Pfeifer, Chef des Stadtgartenamtes, weiterhin den Daumen heben kann. "Mit den Leuten von den Festivals gab es überhaupt keine Probleme", sagt Pfeifer bislang.

Das "Kraut und Rüben" im September ist das letzte für dieses Jahr. Nächstes Jahr soll es weitere Ausgaben geben, vorausgesetzt, der feste Kern der Saalmitte und ihre Schar von Helfern aus dem Glashaus, überhaupt aus der Uni und der Stadt, bleibt zusammen. Flämig selbst macht seinen Doktor in Bayreuth. Vor zehn Jahren kam er aus Augsburg, aufgewachsen ist er in Berlin. "Da brauchen wir nicht reden, woher ich so etwas wie eine Clubszene kenne." Daher kommt, bei ihm wie bei anderen auch, vermutlich die Motivation: Man kennt etwas, findet es in Bayreuth nicht vor und wird selbst zum Veranstalter. Ein Experiment eben. Und damit es gut geht, über das erste Jahr hinaus eben, müssen auch die Besucher mithelfen.