Wobei dem Boom natürliche Grenzen gesetzt sind. In Deutschland gibt es nur noch drei Presswerke. Viele große Konzerne beanspruchen mittlerweile pauschal große Kapazitäten für sich, buchen Monate im Voraus. Bleiben die kleinen Labels da auf der Strecke?
Weidinger: Auf der Strecke werden sie vielleicht nicht bleiben. Aber sie werden es schwerer haben. Die Schallplattenhersteller waren nicht auf den rasanten Anstieg der Nachfrage vorbereitet. Deshalb ist es schwierig, allen Auftraggebern gerecht zu werden. Mittlerweile gibt es ja auch wieder kleinere Schallplattenmanufakturen, die mithilfe gebrauchter Maschinen für Nachschub an LPs sorgen. Aber man darf nicht vergessen, dass es ja alleine mit den Maschinen nicht getan ist. Auch im Bereich Audio-Ingenieurwesen gibt es Nachholbedarf. Derzeit ist ja auch ein neues Format in der Erprobung, das „High-Quality Vinyl“. Bei dem noch mehr Informationen auf die Schallplatte gepresst werden können sollen.
Seit 2008 gibt es den Record Store Day. Dies war anfangs eine Werbekampagne für angeschlage Plattenläden in den USA. Mittlerweile wird mit 600 bis 700 Veröffentlichungen eigens für den Records Store Day dem Kunden das Geld aus der Tasche gezogen. Ist diese Veranstaltung der Branche überhaupt noch dienlich?
Weidinger: Ich betrachte den Record Store Day grundsätzlich schon als gute Sache. Der ursprüngliche Ansatz war ja zum einen, kleine Plattenläden zu zelebrieren. Zum anderen, die breite Masse auf das Medium Schallplatte aufmerksam zu machen. Ein Feiertag für die Fans und die ganze Branche eben. Natürlich sind mittlerweile auch die großen Plattenfirmen auf den Zug aufgesprungen und bringen die x-te Beatles-Nachpressung auf den Markt. Es wird ja niemand gezwungen, diese zu kaufen. Auf der anderen Seite kommen anlässlich des Record Store Days aber auch viele exklusive Produkte auf den Markt. Oder aber auch Wiederveröffentlichungen von raren Titeln, die bei Onlineplattformen wie Ebay oder Discogs Unsummen kosten.
Wie sind Sie musikalisch sozialisiert worden? Wie entstand die Liebe zum schwarzen Gold?
Weidinger: Musik war schon immer wichtig in meinem Leben. Als Jugendlicher, war ich auch der klassische CD-Konsument. Aber irgendwann sind mir eben auch Titel auf LP in die Hände gefallen, die es nicht auf CD gab, und so begann ich, mich für das Medium LP zu interessieren. Eines Tages bekam ich zudem einen alten Thorens-Plattenspieler, den ich runderneuert habe und so begann die Leidenschaft und die Liebe zum Vinyl.
Welches war Ihre erste relevante LP?
Weidinger: Der erste Künstler, der für mich aus der Masse herausgestochen hat und den ich für mich entdeckt habe, war Leonhard Cohen. Eine Platte, die ich sehr gerne im Original hätte, ist „Pink Moon“ von Nick Drake. Das ist quasi für mich der Heilge Gral unter den LPs.
Eine wahre Philosophie ist auch das Sortieren von LPs. Zu welchem Typ gehörten Sie? Unsortiert, alphabetisch, Erscheinungsdatum, biographisch oder nach Coverfarbe?
Weidinger: Meine Platten sind grundsätzlich nach Genre und Alphabet geordnet. Wobei bei mir die Genregrenzen sehr weit gefasst sind. Ich gehöre nicht zu jenen, die für jede Neuveröffentlichung eine neue Schublade erfinden müssen.
Legen Sie beim Kauf von Neuerscheinungen grundsätzlich Wert auf den Erwerb einer limitierten Edition oder von farbigem Vinyl?
Weidinger: Bei manchen Veröffentlichungen lege ich Wert auf die Erstveröffentlichung, setze mich aber nicht generell selbst unter Druck. Es gibt schließlich nicht wenige Platten, denen nachgesagt wird, dass gerade eine andere Version als das Original noch eine bessere Klangqualität hat. Als Beispiel fällt mir hier die japanische Pressung von „The Dark Side Of The Moon“ von Pink Floyd ein.
Warum ist Bayreuth jetzt reif für einen gut sortierten Plattenladen? Wer ist Ihre Zielgruppe?
Weidinger: Ich meine, dass das Potenzial und die Nachfrage nach LPs in Bayreuth auf jeden Fall vorhanden ist. Zum einen denke ich, dass unter den Studenten ein großes Klientel für den Bereich Independent vorhanden ist, bin aber auch der Meinung, dass es viele alteingesessene Sammler aber auch Wiedereinsteiger gibt. Die entweder zum Platten kaufen auswärts fahren, zum Beispiel nach Berlin oder Nürnberg, oder eben auf Onlinehändler angewiesen sind. Ich denke, dass es an der Zeit ist, dass es auch bei uns in der Region einen Ort gibt, an dem sich Musikliebhaber treffen und austauschen können.
Was ist das Konzept hinter Grove Records? Welche Bandbreite an Musik wird in den Regalen stehen?
Weidinger: Die Bereiche US-Singer-Songwriter, Alternative-Country und Indie-Folk sind meine persönlichen Vorlieben und werden sich deshalb auch im Angebot wiederfinden. Auf den Laden bezogen sind Genregrenzen notwendig wie schwierig zugleich. Norwegische Black-Metal-Bands werde ich nicht im Regal haben, aber doch einiges aus dem Bereich Stoner Rock, Doom und Drone.
Wie wollen Sie sich gegen den Onlinehandel durchsetzen?
Weidinger: Ich denke mal, dass es der Vinylsammler durchaus zu schätzen weiß, wenn er seine Platten am Ort kaufen kann. Und weiß, dass er im Plattenladen immer jemanden trifft, mit dem er auch fachsimpeln kann. Das persönliche Verhältnis und auch die Beratung - das kann weder der kleine Schallplattenvertrieb leisten, noch der Versandriese. Egal, wie bequem es sein mag, dass man heutzutage alles mittels weniger Klicks vom Sofa aus bestellen kann. Trotzdem ist ein Plattenladen trotz der Aura von Emotion und Leidenschaft ein wirtschaftliches Unternehmen inklusive Businessplan.
Das sagen andere Schallplattenhändler
Vinyl war nie tot“ – diese Meinung vertritt auch Sven Schumm (49), Einkäufer im Bereich Musik beim Media Markt in Bayreuth. Seit jeher hat Schumm nach eigenen Angaben einen großen Kreis an Stammkunden, die meist gezielt die oftmals limitierten Erstauflagen ihrer Lieblingskünstler bestellen. Titel, die nicht selten in einem aufwendigen Klappcover, inklusive der Songtexte und großer Bilder erscheinen. Mit einem vergleichsweise kleinen CD-Booklet können man dies überhaupt nicht vergleichen, so Sven Schumm weiter. Rund 500 Titel bietet der Media Markt derzeit auf Vinyl an. Am besten gingen heuer bislang unter anderem die aktuellen LPs von Udo Lindenberg, David Bowie, Volbeat und Annenmaykantereit sowie die Neuauflagen von Eric Clapton und Pink Floyd.
Seit 1985 sammelt Matthias „Ties“ Knörrer (47) Schallplatten. Wohl nur deshalb, weil er seine damalige Lieblingsplatte „Midnight Star – Planetary Invasion“ in einem Plattenladen stehen sah und mir dachte „Die muss ich haben!“. Kurz darauf hat Knörrer seinen ersten Lehrlingslohn erhalten und sich die Scheibe für 21,95 DM gekauft. Seit 1995 betreibt er das Coast2Coast – mittlerweile in der Carl-Schüller-Straße angesiedelt –, wo es in erster Linie Hip-Hop-LPs und -Maxisingles gibt. Vom Hype rund ums Vinyl merkt Knörrer nach eigenen Angaben „leider nichts“. Zu groß sei die Konkurrenz, die das Internet bietet.
„Und so habe ich all die Jahre mit einem kleinen Kreis von Vinylfans die Musik darauf gefeiert. Zum Glück gab es all die Jahre immer Leute, die das genau so gesehen haben wie ich. Noch bevor dieser neue Trend ausbrach“, so Matthias Knörrer. „Und darum sollte es ja eigentlich auch gehen. Auf Schallplatten findet man Musik. Hört Musikgeschichte. Man entdeckt alte Songs, findet weitere Alben von Künstlern die man gut findet. Es spielt keine Rolle, ob eine Platte einen oder zehn Euro kostet. Die Musik darauf ist doch das wichtige.“ Wenn man zudem bedenke, dass viele Tonträger noch in den Achtziger Jahren in Auflagen zwischen 100.000 und einer Million Kopien hergestellt wurden – und heute oft in limitierten Editionen von 500 oder 1000 Stück weltweit. Das zeige doch deutlich, wer noch Musik in dieser Form kauft.
Vinyl gibt es zudem in den Drogeriemärkten Müller. Eine Anfrage an die Pressestelle blieb leider unbeantwortet.