Pflegeschülerinnen Chefs der Herzstation

Von Peter Rauscher
Früh übt sich, wer mal eine Pflegestation leiten will: Die Pflege-Schülerinnen Jenny Weggel (links) und Kristina Görl am Stützpunkt-Schreibtisch. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Ein Frühschichtwochenende noch, dann haben sie es geschafft. Zwei Wochen lang haben Jenny Weggel (22) aus Eichenhüll und Kristina Görl (19) aus Bayreuth als Chefinnen die Station 51 am Klinikum Bayreuth geleitet. Ab diesem Montag sind sie wieder Pflegeschülerinnen. Allerdings um einige Erkenntnisse reicher.

 
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Seit zehn Jahren gibt es das Projekt „Pflegeschüler leiten eine Station“ am Klinikum Bayreuth. Jenny Weggel und Kristina Görl sind zwei von 26 Schülern der Abschlussklasse, für die vor zwei Wochen der Ernstfall eingetreten ist. Alle haben während ihrer Ausbildung zwar schon viele Praxiserfahrungen gesammelt, aber eine ganze Station zu übernehmen, das war dann doch etwas Neues.

Sprung ins kalte Wasser

Vor allem der Anfang glich einem Sprung ins kalte Wasser, sagen die beiden dem Kurier. Als Leiterinnen hatten sie die Station mit 30 Betten auf der Herzchirurgie eigenverantwortlich zu organisieren, Terminbücher zu führen, Visiten zu begleiten, mit Ärzten zu sprechen, Patientenentlassungen vorzubereiten, Transporte zu veranlassen und mehr. Und dabei immer freundlich zu bleiben. „Gut, dass wir zu zweit waren, alleine hätte das keine von uns geschafft“, sind sich beide einig.

Her mit den Betten

Schwierig sei es gewesen, immer genug Betten zu organisieren. „Alle wollen Betten auf der Station, auch wenn es gar keine gibt“, seufzt Kristina Görl. Das zu organisieren, koste viel Zeit am Telefon. Da drängten andere Stationen, die Notaufnahme oder es kamen bestellte Patienten, doch die Station sei „eigentlich immer voll“ gewesen. Also sprachen sie mit Ärzten, um Entlassungstermine zu klären, mussten das Notbett auf dem Flur belegen oder Patienten, wo das möglich war, in andere Stationen verlegen.

Der schwerste Job

„Die beiden haben das gut gemacht“, lobt Stationsschwester Conny Hersch. „Sie hatten den schwersten Job von allen, denn die Arbeit am Bett wird an der Krankenpflegeschule gelehrt, die Verwaltungsarbeit als Stationsleitung nicht.“ Sie und ihre Kolleginnen standen den Schülern zur Seite, beantworteten Fragen, griffen aber nur ein, wenn etwas schief zu laufen drohte. „Schade, dass die zwei Wochen schon um sind, jetzt, wo alle eingearbeitet sind, läuft es richtig gut“, sagt Hersch.

Unerwartetes Lob der Chirurgen

„Als Schüler weiß man nicht, wie viel Arbeit die Leitung am Stützpunkt hat“, sagt Jenny Weggel. Weitere Erkenntnisse, die sie und Kristina Görl mitnehmen: Mehr Personal wäre gut gewesen. Und: „Manche Patienten haben sich gefreut, dass wir Schüler die Station übernommen haben, von den Chirurgen gab es sogar Lob, das wir so nicht erwartet hatten.“

Schichtdienst als Vorteil

Warum nicht mehr junge Menschen den Pflegeberuf ergreifen, können sie nicht recht verstehen. Aus ihrem Bekanntenkreis haben sie gehört, dass der Schicht- und Wochenenddienst abschreckt und dass manche sich vor Ausscheidungen von Pflegebedürftigen grausen. Für Jenny Weggel ist der Schichtdienst aber eine willkommene Abwechslung, weil man zum Beispiel auch mal an Vormittagen was erledigen könne. Die Bezahlung in der Ausbildung sei gut, und zum Thema Ekel sagt Kristina Görl: „Das betrifft nur einen Bruchteil unserer Arbeit. Ich wollte immer schon in die Pflege, weil es mir extrem Spaß macht zu sehen und mitzuhelfen, dass es Menschen besser geht.“ Das Fazit der Beiden: Sie fühlen sich jetzt besser vorbereitet auf den Berufsalltag. Und Weggel sagt: „Ich weiß jetzt, dass ich den richtigen Beruf gewählt habe.“

Drei Fragen

Der neue Gesundheitsminister Jens Spahn hat gerade angekündigt, die Lage von Pflegekräften zu verbessern. Fragen an Pflegedirektorin Angela Dzyck zur Lage am Klinikum Bayreuth:

Wie ist die personelle Situation in der Pflege am Klinikum Bayreuth?

Angela Dzyck: Bayreuth ist im Vergleich zu weiten Teilen des Landes noch in der verhältnismäßig komfortablen Situation, Pflegekräfte in ausreichendem Maß zu haben. Unser Problem ist allerdings, dass sehr viele Mitarbeiter älter sind und der Nachwuchs ein bisschen fehlt. Aktuell ist Bayreuth aber noch gut aufgestellt.

Wie steht es denn um den Pflege-Nachwuchs?

Dzyck: Es gibt schon Schülerinnen und Schüler. Ob es genügend sind, ist eine Frage der Relation. Unser guter Status in der Pflege in Bayreuth wird nicht ewig anhalten. Insofern könnten es mehr Schüler in unseren fünf Berufsfachschulen sein. Auch, weil manche beginnen und wieder abspringen. Die Kursstärken müssen steigen, um einen größeren Pool zur Verfügung zu haben. Ich hatte in diesen Tagen ein Gespräch mit einem unserer Schulleiter. Er sagt, dass die Anzahl der Bewerbungen im Vergleich zu den vergangenen zwei, drei Jahren wieder anzieht. Insofern ist es momentan noch okay.

Was hält junge Leute davon ab, in die Pflege zu gehen?

Dzyck: Das Bild, das die Pflege in der Gesellschaft hat. Wer Pflege in Anspruch nimmt, schätzt die Menschen, die diesen Beruf ausüben. Aber immer mit dem Nachsatz: Ich könnte das nicht. Die nicht günstigen Arbeitszeiten, die ungünstigen Rahmenbedingungen und die politische Entwicklung, die professionelle Pflege zum Teil mit Laienpflege gleichsetzt, hält viele davon ab, sich für den Beruf zu entscheiden. Um es einfach zu sagen: Wenn die anderen Party machen, gehen Pflegekräfte zum Dienst. Pflege ist nicht mehr schick, das ist unser Problem. Wir müssen die Pflege gesellschaftlich wieder aufwerten.

Die Fragen stellte Peter Rauscher

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