Petite Messe solennelle beim Osterfestival

Piontek
Christoph Krückl leitete die Aufführung von Rossinis Werk in der Schlosskirche. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Wenn der Heilige Geist hüpft und der liebe Gott im beschwingten, doch festen Rhythmus zärtlich angehimmelt wird, befinden wir uns nicht in einer deutschen Kirche. Wir befinden uns in einem italienischen oder französischem Tempel, der im 18. Jahrhundert erbaut und noch im 19. Jahrhundert mit Gemälden und Skulpturen ausgestattet wurde, die ein deutschprotestantischer Kirchgänger als „süßlich“ bezeichnen würde, obwohl sie ihren unangefochtenen Platz in der Kunstgeschichte haben. In der Bayreuther Schlosskirche wurde am Wochenende Rossinis „Petite Messe solennelle“ aufgeführt.

 
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Doch halt: Wir befinden uns in Bayreuth, nicht in Rom, Florenz oder Paris. Wir sitzen in der Schlosskirche, wo das Vokalensemble „Notre Dame“, vier Solisten, ein Klavier und ein Harmonium unter der Leitung Christoph Krückls im Auftrag des Osterfestivals ein Werk zur Aufführung brachten, das nur die als „unkirchlich“ bezeichnen könnten, die dem Abend fernblieben. Denn Rossinis „Petite Messe solennelle“, ein sogenanntes Alterswerk, gilt bei Puristen immer noch als unernst, obwohl doch selbst Bach sich nicht scheute, sog. „weltliche“ Töne in seine Kirchenkantaten einzulassen. Wer’s nicht glaubt, vergleiche nur das Duett „Wir eilen“ aus der Kantate BWV 78 mit der „vitam venturi“-Passage der längenmäßig und formal durchaus nicht „kleinen“ Messe.

Sanctus wird zu einem Höhepunkt

In der Schlosskirche zeigt das Ensemble, wie so etwas zu klingen hat. Die 16 Choristen beweisen, dass Rossinis Messe zugleich ernst, vielleicht ironisch und manchmal sehr entspannt daherkommt. In Sachen Glauben war Rossini vermutlich Agnostiker; in Sachen Kirchenmusik ließ er zugleich mit sich spaßen – und er zeigte doch, wie viel Demut (vermutlich) in ihm steckte. Um dies zu beweisen, bedarf es eines Ensembles, das den rhythmisch lockeren Humor des Kyrie wie den fast deutschromantischen Stil des Sanctus stil- und lupenrein bringt.

Zumal das Sanctus wird zu einem Höhepunkt: denn die 16 Choristen halten, a cappella, vom ersten bis zum letzten Takt den Ton. Sie singen stets schön, lupenrein, einen aus Italien stammenden Glauben mehr anpreisend als verteidigend. Sie zeigen, dass Oper und Kirche kein Widerspruch sind, sie lassen den Heiligen Geist hüpfen und produzieren, rein technisch gesprochen, einen betörenden Mischklang, der das Finale des Credo wie einen prachtvollen Engelsgesang ins Kirchenschiff entlässt.

Als wär’s ein Stück des alten Liszt

Gibt das Druckluftharmonium ein beständiges Pianissimo ab, so sitzt Andreas Götz am Instrument, um zusammen und solistisch mit der Pianistin Lisa Wellisch die Sätze in der ungewöhnlichen Kombination der Klänge bisweilen surreal anzureichern: als wär’s ein Stück des alten Liszt; das „Prélude religieux l’Offertoire“ ist pures dunkles 19. Jahrhundert – manch anderer Satz atmet dank des ausgezeichnet gestimmten Ensembles die Heiterkeit eines Meisters, der sich den Bach produktiv in die Finger schrieb.

Die Solisten geben im besten Sinn ihr Bestes, die beiden Männer gelegentlich zu laut, die kleine Bayreuther Schlosskirche ist nicht die Pariser Oper. Bjørn Waag singt endlich in Bayreuth (wenn auch nicht auf dem Hügel), sein stark deklamatorisch geprägter Bariton geht auf die Wortverkündigung hinaus, während Markus Ahme im Gotteslob des „Domine deus“ den Operntenor macht (wie gesagt: gut, aber zu laut für den kleinen Raum).

Olga Jélinkova und Kora Pavelic krönen die Unternehmung

Gekrönt wird die Unternehmung neben, nicht vor dem Chor, von Olga Jélinkova und Kora Pavelic: bisweilen im Duett (herrlich das „Quitollis“), bisweilen in der Solo-Arie. Jélinkova bringt das „Cruzifixus“ schlicht ätherisch, Pavelic das „Agnus dei“ mezzostark. Im tenorlosen Terzett des „Gratias“ aber kommen in der Schlosskirche Mann und Weib so vollkommen zusammen wie Rossinis persönliche, südlich überstrahlte und deutschmusikalisch inspirierte Interpretation des Messtextes.