Erwin Hühnel (85) ist einer der wenigen letzten Zeitzeugen, die im Erwein-Stollen gearbeitet haben Verschüttet: Ein Bergmann erinnert sich

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Der ehemalige Bergmann Erwin Hühnel wurde damals im Erweinstollen verschüttet. Foto: Klaus Trenz Foto: red

So genau weiß Erwin Hühnel alles nicht mehr. Es ist ja auch schon über 60 Jahre her. Aber an manches kann er sich doch noch erinnern. Der 85-Jährige war Bergmann im Erwein-Stollen. Dort wurde er auch mal verschüttet. Da war er 22 Jahre alt.

 
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Hühnel kam 1946 aus dem Sudetenland mit seinen Eltern und den beiden jüngeren Schwestern nach Pegnitz. Sie fanden in Hainbronn eine Unterkunft. Die Eltern haben dann in der Landwirtschaft gearbeitet. „Es gab nicht viel Arbeit hier“, erzählt er. Bei den Firmen Poser und Amag hat er nichts gefunden. Darum ist er dann in den Bergbau gegangen. „Das war eine Notlösung“, sagt er. Zehn Jahre hat er dort unter Tage gearbeitet. Es war eine körperlich sehr anstrengende Arbeit.

Hühnel hat sämtliche Unterlagen und Zeugnisse aus der Zeit feinsäuberlich in einem Aktenordner abgeheftet. Da sind die Zeugnisse über die bestandene Hauer- und Schießhauerprüfung dabei. Das heißt, er durfte auch Sprengarbeiten durchführen.

Gute Gemeinschaft mit Kollegen

Vor allem an die gute Gemeinschaft mit den Kollegen erinnert er sich. Man konnte sich aufeinander verlassen. Heute leben von den Zeitzeugen nur noch zwei in Pegnitz. Kontakt zu ihnen hat Hühnel nicht. „Das war schon mehr als Schinderei“, erinnert er sich. Auch wenn es irgendwie schön war. „Ich hatte immer Angst um ihn“, sagt seine Frau Rosa. Die Arbeit war auch gefährlich. Unter Tage hat er alles mitgemacht, hat Strecken vermessen und genaustens Buch geführt über die Transporte von Sprengstoffen und Zündern. Da wurde genau kontrolliert. Es durfte nichts schiefgehen.

Nebenbei hat Hühnel abends Fernkurse belegt, er wollte sich weiterbilden. „Papier war schon immer eher seins“, sagt seine Frau. Und schließlich gelang es ihm auch in das Betriebsbüro des Bergwerks zu kommen. Dort war er dann sechs Jahre beschäftigt, bis das Bergwerk 1967 zu machte. Hühnel bewarb sich beim Landratsamt um eine Stelle im öffentlichen Dienst. Die fand er auch als Verwaltungsangestellter in der Stadtkasse im Pegnitzer Rathaus. Dafür absolvierte er in München die Fachprüfung mit einem sehr guten Ergebnis. „Das war für mich der Grundstock, um Fuß zu fassen“, sagt er. Im Büro konnte er Hemd und Krawatte tragen.1994 ging Hühnel dann in den Ruhestand, kümmerte sich in der Rheumaliga und bei der KAB um die Finanzen. Hühnel hat sich in seinem ganzen Berufsleben immer weitergebildet.

Kumpel war sofort tot

Wie war das, als er im Erwein-Stollen verschüttet wurde? Hat man das vorher gemerkt? Hühnel zuckt mit den Schultern. „Nein“, sagt er, „eigentlich nicht.“ Er weiß es nicht mehr genau. Er muss auch erst überlegen, wann das genau war. Man verliert dazu jegliches Zeitgefühlt, erklärt er. Eine der Stützen – Stempel werden sie im Bergbau genannt – war eingestürzt, Geröll verhinderte, dass er wieder rauskam. Einem Kumpel fiel eine der Stützen in den Nacken. Genickbruch. Er war sofort tot. Er war jünger als Hühnel. „Ich dachte auch, es ist aus“, sagt er. Er wusste nicht, ob er da noch mal rauskommt. Er hatte schon mit dem Leben abgeschlossen. Ein bisschen Blickkontakt hatte er nach draußen zu den anderen.

Schließlich gelang es Kollegen aber doch, zu ihm vorzudringen. Auf einem Wagen ohne Aufsatz haben sie ihn dann wieder ins Freie gezogen. „An Einzelheiten kann ich mich nicht mehr erinnern, da ist eine gewisse Leere“, sagt Hühnel. Ein Doktor war dann da, um den Tod des anderen Verschütteten festzustellen. Der Arzt hat Hühnel auch abgetastet, Rippenbrüche und eine Lungenquetschung festgestellt. Er hat Hühnel fest bandagiert und ihn dann heim geschickt. Ein Kumpel hat ihn auf dem Moped nach Hause gefahren. Dort wusste die Familie gar nichts davon, dass er verschüttet war. Es hat sich auch niemand groß darum gekümmert. „Später kam dann mal einer vom Bergamt“, sagt Hühnel. Der hat erklärt, wie so ein Vorfall in Zukunft vermieden werden kann, dass besser abgestützt werden müsse.

Er hatte keine Angst

Nach acht Wochen ist Hühnel dann wieder auf die Arbeit gegangen. Erst hat er über Tage die Erzwagen ausgeleert, dann ist er auch wieder unter Tage gefahren. Angst? Nein, die habe er nicht gehabt. So etwas könne passieren, so der 85-Jährige.

Angst um ihn hatte seine Frau Rosa. Die beiden haben sich erst nach der Verschüttung kennengelernt. Er hat ihr dann davon erzählt. „Da wurde mir erst so richtig bewusst, was es bedeutet, im Bergwerk zu arbeiten“, sagt die 81-Jährige.

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