Ovationen für Genscher an der Uni

Von Norbert Heimbeck
Start der Heinrich von Gagern Vortragsreihe 2015 mit Hans-Dietrich Genscher zum Thema Der Jurist in der Politik an der Universität Bayreuth. Foto: Peter Kolb Foto: red

Minutenlanger Applaus für "Genschman": Der Mann, der jahrzehntelang das Bild der Deutschen im Ausland repräsentierte, begeistert auch im Alter von 88 Jahren noch seine Zuhörer. Eine Stunde lang schildert er an der Universität vor mehreren hundert Zuhörern die Rolle des Juristen in der Politik, berichtet über Meilensteine der jüngeren Vergangenheit und plaudert aus seinen Erinnerungen: "Als ich einmal mit Schewardnadse zusammenstieß ..."

 
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Die Vortragsreihe:

Die neue Vortragsreihe an der Uni Bayreuth ist nach Heinrich von Gagern benannt. Initiator ist Prof. Bernd Kannowski, Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht und Rechtsgeschichte: "Dabei ist daran gedacht, dass wichtige Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens oder gar der Zeitgeschichte mit einer juristischen Ausbildung möglichst studentennah und allgemeinverständlich von ihren beruflichen Erfahrungen berichten." Dabei sollen sie auch darauf eingehen, inwiefern die Juristerei hilfreich war und sie gegebenenfalls sogar beflügelt hat. Das soll die Motivation für ein Jurastudium beflügeln und auch die Bayreuther Öffentlichkeit ansprechen.

Heinrich von Gagern:

Der Baron gilt als einer der bedeutendsten deutschen Politiker des 19. Jahrhunderts. Er wurde am 20. August 1799 in Bayreuth geboren. In der Revolution von 1848 war der Jurist zunächst hessischer Ministerpräsident, dann Präsident der Frankfurter Nationalversammlung. Trotz seiner adligen Herkunft war Gagern ein Verfechter liberaler und bürgerlicher Werte. Er starb am 22. Mai 1880 in Darmstadt.

Hans-Dietrich Genscher:

Hans-Dietrich Genscher ist am 21. März 1927 in Halle geboren. Der FDP-Politiker war von 1969 bis 1974 Bundesinnenminister, danach bis 1992 Außenminister. Seine Außenpolitik wurde als "Genscherismus" bezeichnet, typisch dafür ist das Bestreben, internationale Beziehungen zu fördern. In seine Amtszeit fiel die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), die in der Schlussakte von Helsinki gipfelte. In Bayreuth fragt Genscher: "Haben wir alle Chancen genutzt, die sich aus der Schlussakte von Helsinki ergeben haben?" Sie sei eine "wunderbare Menschenrechtssache".

Genscher und Bayreuth:

"Eine meine ersten Aufgaben als Bundesinnenminister betraf Bayreuth," erzählt Genscher. Die Festspiele waren in Geldnot, eine zu gründende Stiftung sollte das Problem lösen. Die Stiftung sollte von der Stadt, dem Freistaat und dem Bund  getragen werden. "Und das lieferte dann auch eine hinreichende Begründung für meine jährliche Reise nach Bayreuth."

Juristen in der Politik:

Mit Heinrich von Gagern verbindet Genscher nicht nur die juristische Ausbildung: "Von Gagern wurde wegen Widerborstigkeit aus dem Staatsdienst entlassen, ich wurde aus dem gleichen Grund erst gar nicht aufgenommen." Als Hans-Dietrich Genscher seine politische Arbeit für die FDP-Bundestagsfraktion begann, war der Coburger Wolfgang Stammberger "Star der FDP". Anfang der 60er Jahre war Stammberger Justizminister, nachdem er auch für andere Ämter vorgeschlagen worden war. Genscher erfuhr damals auf seine Nachfrage: "Wir Juristen können alles." In Bayreuth spricht er immer wieder die Verantwortung des Juristen an und nennt die Möglichkeit, "die Rahmenbedingungen zu gestalten" als Grund für den Schritt in die Politik. Als Beleg dafür nennt Genscher die 2+4-Gespräche, an deren Ende die deutsche Wiedervereinigung stand: "Erstaunlich ist, dass diese Gespräche nur fünf Monate gedauert haben. Das liegt daran, dass die Verhandlungspartner mehrheitlich Juristen waren."

Info: Von den aktuell 630 Bundestagsabgeordneten sind laut www.bundestag.de 80 Anwälte oder Notare.

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