Oradour: Am 10. Juni 1944 beginnt ein Massaker in Oradour: Die deutsche SS-Panzerdivision „Das Reich“ macht den Ort dem Erdboden gleich. Die Nazis sperren Kinder und Frauen in die Dorfkirche ein und zünden sie an. Die Männer werden erschossen. Von 648 Dorfbewohnern überleben nur sechs. Oradour wurde nie wieder aufgebaut. Der Ort ist Mahnmal geblieben. Samt Überresten eines Kinderwagens in der Kirche, mit allen Einschusslöchern, allem Grauen, bis heute. Das Massaker von Oradour gilt in Frankreich bis heute als Symbol für die Kriegsverbrechen der Nazis.
Der Regisseur: Peter Ponnath wusste: „Was ich hier auf der Bühne sehe, muss ein Film werden.“ Die Dokumentation „Ein Dorf schafft sich ein Musical“ war weit in den Hintergrund gerückt. Er hatte das Equipment und das war kinotauglich. Jetzt musste er allerdings dem Dorf klar machen, was er wollte. „Ich habe sie überredet, dass sie mitmachen. Sie wussten nicht, auf was sie sich einlassen.“
Der Film: Mit einem Minibudget begann der Dreh. Unterstützt wurden die Filmemacher von Matthias Lange, der sich um die Musik kümmerte, und von den Nürnberger Symphonikern, die die Musik einspielten. Für die Laienschauspieler wurde bei den Drehs schnell klar: Einen Film zu machen, das ist in erster Linie Warterei. Doch zuhause warteten Kinder, Gartenarbeit, ein Einkauf.
Quelle: telefilmgermany
Die Angst vor Oradour: Fritz Stiegler und Peter Ponnath war klar: Es sollte auch in Oradour gedreht werden. Doch die Antworten auf die ersten Anfragen fielen, wohlwollend ausgedrückt, skeptisch aus. „Es gab anfangs große Vorbehalte in Oradour gegen das Projekt“, erinnert sich Autor Fritz Stiegler. „Man hörte das Wort Muuusikl und dachte an etwas Lustiges.“ So luden die Franken die Franzosen ein. Sie sollten sich selbst ein Bild machen. Am 17. Juli 2015 kamen die Franzosen aus Oradour. Darunter Philippe Lacroix, der Bürgermeister, und Robert Hébras, einer von zwei noch lebenden Zeitzeugen des Massakers. „Wir haben gezittert“, gibt Stiegler zu. Die Franzosen erhielten das übersetzte Textmanuskript. „Sie lasen Zeile für Zeile mit.“ Und dann ging die letzte Szene über die Bühne. „Die Franzosen sind aufgestanden und haben uns applaudiert.“ Robert Hébras ging auf die Bühne, reichte der Hauptdarstellerin Romina Satiro die Hand . „Dann kam das Bewegendste, was ich je auf einer Bühne erlebt habe“, erinnert sich Stiegler. „Er schilderte, wie er als 18-Jähriger unter einem Berg toter Menschen lag. Als einer von sechs, die überlebt haben.“
Der Dreh in Oradour: Bürgermeister Lacroix und Robert Hébras machten es möglich, dass in Oradour gedreht werden durfte. Fritz Stiegler konnte nicht mitfahren: In seiner Scheune hatte Fahrzeug Feuer gefangen. „Wir haben gerade noch die Gäule rausgebracht.“ Die Tiere konnten gerettet werden, der Hof nicht. Er brannte auf die Grundmauern nieder. Die Bayreuther Kostümbildnerin Elke Hagen war in Frankreich dabei. „Robert Hébras hat uns durch Oradour geführt. Er kann sich noch an jedes Detail dieses 10. Junis 1944 erinnern. Und er erzählte immer wieder, dass niemand im Dorf Angst hatte, als die Deutschen kamen.“ Ungewöhnlich sei es gewesen, dass alle zusammengetrieben wurden. „Der Bäcker habe noch gemault“, so zitiert Elke Hagen den Franzosen, „dass er sein Brot im Ofen habe“. Dann sei ein Schuss gefallen – und das Massaker habe begonnen. „Einige von uns haben geweint, als Robert Hébras das erzählte“, sagt Elke Hagen.
Die Hinterbliebenen: „In Oradour war es toll und traurig zugleich“, erinnert sich Regisseur Peter Ponnath. Wir sind unfassbar großherzig und voller Gastfreundschaft aufgenommen worden.“ Der Bürgermeister kam vorbei und brachte Fresspakete mit, suchte die besten Drehorte, spielte den Chaffeur. Und: Menschen aus den Opferfamilien spielten mit. „Ein kleines Mädchen, Susi, springt in einer Szene Seil. Ihre Großeltern wurden von unseren Deutschen umgebracht.“ Und auch Robert Hébras hat einen kleinen Einsatz. Und der Film endet mit ihm. Er erzählt in den Ruinen von Oradour, was sich hier am 10. Juni 1944 zugetragen hat. Fritz Stiegler: „Ich bekomme da jedes Mal Gänsehaut.“
Die Premiere: Am Dienstag wird der Film in Fürth in drei Sälen erstmals gezeigt. „Ich bin jetzt schon aufgeregt“, sagt der Landwirt Fritz Stiegler. „700 Plätze, alle besetzt. Wir hätten dreimal verkaufen können“, freut sich Peter Ponnath. Bürgermeister Lacroix wird mit einer Delegation aus Frankreich kommen und sich ins Goldene Buch der Stadt Fürth eintragen. Lacroix zur Deutschen Presse Agentur: „In dem Film wird deutlich, dass die Liebe über die Grenzen hinausgehen kann. Ich glaube, dass Frankreich und Deutschland ein Vorbild für andere Länder auf der ganzen Welt sind: zwei Länder, die sich bekämpft haben und nun Freunde geworden sind.“
Die Zukunft: Bürgermeister Philippe Lacroix hat den Theaterverein nach Oradour eingeladen. Nächstes Jahr wird in Oradour „Mademoiselle Marie“ aufgeführt. Fritz Ziegler: „Das ist der Wahnsinn. Noch vor kurzer Zeit wäre es undenkbar gewesen, dass ein deutscher Chor in Oradour singt.“