"Oper ist ein kraftvolles Medium"

Von Michael Weiser
Wie sorgt man dafür, dass Oper aktuell bleibt? Kobie van Rensburg als Sänger (In "La Calisto" an der Bayerischen Staatsoper, links). Foto: Wilfried Hösl Foto: red

Was bewegt uns an Oper? Mit dieser Frage widmet sich eine neue Veranstaltungsreihe der Universität Bayreuth der Kunstform Oper.  Zum Auftakt wird am Mittwoch, 30. November, um 19 Uhr im Iwalewahaus in Bayreuth unter anderem mit dem Opernsänger und Regisseur Kobie van Rensburg das Potenzial der Oper in Südafrika in einer Podiumsdiskussion diskutiert. Wir sprachen mit van Rensburg über Oper als Medium, über afrikanische Begeisterung für Oper und über Musik als Angebot zur Versöhnung.

 
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Sagen Sie als Praktiker doch mal, was uns denn an Oper bewegt.

Kobie van Rensburg: Oper ist entstanden aus dem Wunsch, effizienter zu kommunizieren. Im 17. Jahrhundert hat man fälschlich gedacht, das die Dramen der griechischen Antike gesungen wurden. Schauspiel und das gesprochene Wort sind ja schon toll, wenn wir das mit Musik vereinen, können wir den emotionalen Inhalt verstärken.

Stimmt doch auch, oder?

"Mittlerweile setze ich Bluesecreen-Technik ein"

van Rensburg: Ja, Oper ist ein kraftvolles Kommunikationsmedium. Als man im 17. Jahrhundert zm ersten Mal Opern hörte, da hat man alles verstanden, Wort für Wort. Das war wichtig, und das liegt für mich heute die Crux. Wenn ich nach Bayreuth komme, dann würde ich mich freuen, wenn ich's eins zu eins verstehen würde. Erst im 19. Jahrhundert ist es durchs Repertoiretheater nicht mehr so wichtig geworden, dass unbedingt jedes Wort verstanden wird. Selbst wenn man nur die Hälfte versteht, kann man immer noch die Schönheit der Oper genießen. Mein Streben ist aber, dass Text und Inhalt so facettenreich und mit all dem Gewebe an Subtext transportiert werden, wie es gedacht war. Dann bleibt Oper kraftvoll.

Ich habe damals eine Ihrer ersten Regiearbeiten gesehen, den "Ariodante" am Cuvillés-Theater in München. Da gab es viel Text - auf die Bühne projiziert.

van Rensburg: Das war meine vierte oder fünfte Arbeit. Ich habe damals angefangen, mit multimedialen Mitteln zu arbeiten, damit, dass man Text auch auf die Leute projiziert, auf den Hintergrund, auf Bühnenbildelemente, dass man mit animierten Sprechblasen noch mehr Informationen transportieren kann. Danach habe ich Opern mit noch viel mehr Text inszeniert. Mozart etwa, da kommt man mit Übertitelung ja gar nicht mehr weit, wenn da sechs, sieben und noch mehr Sänger gleichzeitig singen, und jeder erzählt sein eigenes Ding. Seit "Ariodante" habe ich das konsequent weiterverfolgt. Technisch und vom Konzept her ist das eine Nische, die ich entwickelt habe. Mittlerweile setze ich auch Bluescreen-Technik ein.

"In Südafrika erzählen die Leute mit Gesang"

Und das hilft der Oper?

van Rensburg: Ich hoffe, dass man die Emotionen der Musik so noch besser transportieren kann. Nicht nur das, was Komponist und Librettist niedergeschrieben haben, sondern auch den Subtext dazu. Mindestens genau so wichtig ist natürlich eine stilistisch vertretbare Interpretation der Musik. Heute haben wir bei den meisten Opern eine große Kluft zwischen Zeitpunkt von Komposition und dem der Aufführung. Die histprische Aufführungspraxis schläft eine gute Brücke. Oper war immer eine kontemporäre, sehr gegenwärtige Kunst. Man muss sehr genau überlegen, was man mit dieser Musik sagen will. Emotionen haben sich nicht geändert. Und wenn Oper so etwas effizient transportiert, werden die Menschen auch in acht-, neunhundert Jahren noch Oper hören.

"Die Leute sind nicht voreingenommen"

Sie stammen aus Südafrike, sprechen heute in Bayreuth auch über Oper in Südafrika. Inwiefern tickt die Oper dort anders?

van Rensburg: Das liegt nicht so sehr an Aufführung, sondern mehr an Publikum. In Südafrika erzählen die Leute oft mit Gesang, es gibt sogar eine stilisterte Erzählform mit Gesang, die in großen Teilen des Landes noch gang und gäbe ist. Früher hat man die Oper mit Apartheid identifiziert, und nach dem Ende der Apartheid geriet Oper in eine Krise. Doch heute haben wir Tausende von jungen Menschen, die für Wettbewerbe Stücke aus Opern verwenden. Und es gibt keine Vorurteile gegenüber klassischer Musik. Wenn ich in Europa arbeite, dann habe ich da eine Hürde, die ich erstmal nehmen muss. Jugendliche in Europa sehen Oper als Kunstform für reiche alte Leute. Wenn ich in Südafrika eine Oper vorstelle, dann sind die nicht voreingenommen. Die meisten haben noch keine Oper gesehen, verstehen darunter kein bestimmtes Genre, wissen aber, das man gut singen können sollte. Diese Offenheit, diese Bereitschaft - das ist fazsinierend. Wir fangen da neu an. Es gibt dort noch nicht wirklich Strukturen, nicht viele Orchester, deswegen müssen wir neue Wege finden. Deswegen führen wir gegenwärtige Stücke auf. Um zu zeigen, dass Oper Bedeutung hat, dass sie kein alter Hut ist. Man muss sagen, es gibt sehr viel Talent dort. Wir hoffen, wir können ein gutes Fundement legen. Was die Zukunft bringt, können wir nicht sagen, wohl aber, dass einige Ansätze auch für Europa bedenkenswert wären.

Zum Beispiel?

van Rensburg: Es fließt viel Geld in Gebäude, in die Verwaltung. Weniger als sechs Prozent des Etats eines Opernhauses gelangt wirklich auf die Bühne. Wir müssen anfangen, uns neu zu oirientieren, müssen uns fragen, was Oper bedeuten kann.

In Südafrika haben Sie ein Pasticcio, eine Oper mit Musik aus verschiedenen Werken Monteverdis,  auf die Bühne gebracht. Wie haben Sie mit Musik von vor 400 Jahren die Gegenwart kommentiert? 

van Rensburg: Das Stück heißt „Lamento“, die Musik stammt aus Monteverdis Madrigalen vom Krieg und von der Liebe. Er hat versucht, diese äußersten Zustände - Hass, Rache, Zuneigung und Liebe zu untersuchen und eine Art Versöhnung dieser Zustände. Wir haben das Stück zum 20-jährigen Jubiläum der Versöhnungskommission herausgebracht, die damals in Südafrika versucht hat, Unrecht der Apartheid aufzuarbeiten und frühere Gegner zusammenzubringen. Ich habe Geschichten aus dieser Kommision mit Monteverdis Musik verbunden.

Wie kam das an?

van Rensburg: Es ist unglaublich, wie modern diese Musik klingen kann. Die Leute haben das unglaublich gut aufgenommen.  Wir hoffen, dass wir nächstes Jahr das Stück nach Europa bringen können. Gerade in Deutschland wäre das interessant, das mit dem Nürnberger Prozess einen anderen Weg gesucht hat, den der Vergeltung, nicht der Versöhnung. Ich möchte in diesem Zusammenhang noch etwas über den Verein Umculo sagen, dessen künstlerischer Leiter ich bin.

Nur zu.

van Rensburg: Umculo setzt sich dafür ein, soziale Entwicklung durch Musik zu erreichen. Durch Aufführungen, aber auch Unterricht. Auf Xhosa (eine südafrikanische Sprache) bedeutet Umculo Musik, aber auch Versöhnung.

Sie kommen nach Bayreuth, die Wagner-Stadt. Käme Wagner ebenso gut an wie Monteverdi?

van Rensburg: Monteverdi ist einfacher, weil du kein großes Orchester brauchst, auch, weil die Anforderungen an junge Sänger nicht ganz so hoch sind. Aber sonst? Die beiden waren sich ähnlich. Beide schrieben Dramen, sie wollten etwas erzählen. Und beide haben so komponiert, wie es ihrem Zweck am besten entgegenkam, frei von stilistischen Zwängen. Ich frage mich in Bayreuth oft, ob Wagner zufrieden wäre. Ich verstehe den Text oft nicht, vor allem bei der Akustik in Bayreuth müsste das doch eins zu eins verständlich sein. Wenn man den Wunsch hat zu kommunizieren, dann findet man einen Weg.

INFO: Die Veranstaltung im Iwalewahaus beginnt um 19 Uhr. Neben van Rensburg sitzt Shirley Apthorp auf dem Podium. die Gründerin von Umculo. 

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