Ingrid Heinritzi-Martin, die Vorsitzende der Bayreuther Tafel, weiß um die Vorbehalte: „Ich kenne Frauen, die nie zur Tafel gehen würden. Sie möchten ihr Gesicht wahren.“ Das Bild aufrecht erhalten. Vom selbstbestimmten, selbst finanzierten Leben. Auch im Alter. Rund 450 Menschen kommen pro Woche zur Tafel. Tendenz: langsam, aber stetig steigend. „Der meisten unserer Kunden kommen als Rentner“, sagt Heinritzi-Martin. „Und wer als Rentner kommt, der wird von der Tafel auch nicht mehr wegkommen.“
Christian Hartmann, der VdK-Kreisgeschäftsführer, nennt die Entwicklung „beängstigend“. Armut habe viele Facetten – sie machen sich an Einkommen, sozialer Herkunft, Bildung und Gesundheit fest. Die Einkommensarmut jedoch werde zunehmen. In einem Maß, die Hartmann mit einem Tsunami vergleicht. Nach Berechnungen seines Verbands – und nahezu deckungsgleich der Gewerkschaft DGB – werden Menschen, die 35 Jahre lang 2500 Euro brutto verdient haben, „nicht einmal Grundsicherungsniveau erreichen“, sagt Hartmann. „Armutsgefährdet ist, wer 60 Prozent oder weniger des durchschnittlichen monatlichen Haushaltseinkommens eines Landes besitzt.“ 2013 sei die Armutsgefährdungsschwelle in Deutschland auf 892 Euro festgelegt worden, bayernweit liegt die Schwelle bei 973 Euro für Single-Haushalte. „In Oberfranken hat der durchschnittliche Rentenzahlbetrag aller Renten im Jahr 2013 682,09 Euro betragen“, sagt Hartmann. Männer bekamen durchschnittlich 1009 Euro Rente, Frauen 552 Euro – wenn sie nicht vor Erreichen des Rentenalters in Ruhestand gehen mussten.
„Verstärkt kommen Mitglieder, die früher aus Sympathie beim VdK waren, in die Beratung und sagen, ihnen langt das Geld nicht mehr. Obwohl sie das Sparen gelernt haben“, sagt Hartmann. Viele müssen Mini-Jobs machen, um über die Runden zu kommen. Müssen zum Sozialamt, die Rente aufstocken. „Oder weiterarbeiten, obwohl sie eigentlich nicht mehr können. Noch schlimmer wird es, wenn Pflegebedürftigkeit eintritt. Wo sollen die Menschen den Eigenanteil von 1100 bis 1400 Euro im Monat hernehmen?“
Hartmann sagt, in jüngster Zeit habe er ein weiteres Phänomen beobachten können, das er für „eine schlimme Entwicklung“ hält: „Ich habe immer wieder Ehepaare hier sitzen, die offen sagen, dass sie sich eigentlich nichts mehr zu sagen haben. Die sich aber nicht trennen können, weil sie es sich schlicht nicht leisten können – weil einer oder beide in die Armut rutschen würden.“