OB: Kein Wilhelmine-Preis für Code Pink

Von Michael Weiser
Foto: dpa Foto: red

Allzu große Nähe des Kandidaten zu Holocaustleugnern: So begründet Oberbürgermeisterin Merk-Erbe, warum sie vom Wilhelmine-Preis für die Bürgerrechtsgruppe Code Pink Abstand nimmt. Was hinter den Vorwürfen steckt. Und was die Bürgerrechtsgruppe selbst dazu sagt. 

 
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Recherchen der „Jerusalem Post“ brachten den Stein ins Rollen. Schon vor einigen Jahren war "Code Pink" in einer Kolumne der „Post“ als „Teil der Dschihad-Kriegsmaschinerie“ bezeichnet worden. Nun erregte die bevorstehende Verleihung des Wilhelmine-Preises an "Code Pink" die Neugier der Zeitung. Was sie veröffentlichte, ließ bei Brigitte Merk-Erbe die Alarmglocken schrillen. „Nach den derzeitigen Erkenntnissen werde ich den städtischen Gremien vorschlagen, von der Preisverleihung Abstand zu nehmen“, ließ sie über die Pressestelle ausrichten. Man solle sich auch grundsätzliche Gedanken über die Zukunft des Preises machen.

Die "Jerusalem Post" präsentiert das Video einer Demo in Washington, deren Teilnehmer „Freiheit für Palästina“ fordern. Allerdings vom „Fluss bis zum Meer“, vom Jordan bis zum Mittelmeer also – was eine Existenz Israels ausschließen würde. Dann erhebt ein Mann das Mikrofon und setzt Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu mit Hitler gleich. „Hitler – jahu – you will see, Palestine will be free“ skandiert er. „Dieser Mann ist absolut kein Repräsentant von 'Code Pink'“, sagt dazu Elsa Rassbach von "Code Pink". Andererseits sieht man in der Nähe des Mannes offenbar Medea Benjamin, die Galionsfigur von "Code Pink". Und das zweifellos in bester Laune.

Grundsätzlich antisemitisch

Recherchiert hat den Text in der „Post“ Benjamin Weinthal. Es gehe gar nicht nur um diese Demonstration oder um die Teilnahme von Medea Benjamin an der Konferenz in Teheran, sagt er. Es gehe um die Kritik, dass die Gruppe grundsätzlich antisemitisch sei. "Code Pink" sei eine Gruppe, die einen Boykott Israels fordere und eine Zweistaatenlösung ablehne. „Warum fordert 'Code Pink' keinen Boykott von Marokko oder der Türkei? Warum protestiert sie nicht gegen die Hinrichtung Tausender lesbischer Frauen und schwuler Männer im Iran?“ Dass die Stadt Bayreuth nunmehr die Teilnahme von "Code Pink" an einer Konferenz als Grund nenne, findet er merkwürdig. Über Google hätte man sich schon lange zuvor über die Gruppe informieren können.

Kritiker hatten "Code Pink" auch Nähe zu islamistischen Terrorgruppen wie Hisbollah und Hamas vorgeworfen. "Code Pink" sieht sich missverstanden. „Wir sind einfach gegen Krieg“, sagt Elsa Rassbach. „Im Grunde suchen wir Frieden in der Welt, und wir sind dafür, mit den Leuten zu reden.“ Um irgendwo hinzukommen, müsse man aber natürlich auch mit Organisationen oder Regierungen verhandeln, wie in Ägypten, wie mit der Hamas in Gaza. Was aber nicht bedeute, dass man sich mit der Hamas verbinde. Auch Medea Benjamin selber hat sich bislang weniger gegen Israel selber zu Wort gemeldet als vielmehr gegen den Krieg mit Drohnen. Auch ihr Vortrag in Teheran beschäftigte sich mit dem Drohnenkrieg der USA in Afghanistan und im Irak.

Uni hatte "Code Pink" vorgeschlagen

Kandidaten für den Wilhelmine-Preis werden von der Universität vorgeschlagen. Zu den Kandidaten zählte für 2016 offenbar die Folk-Legende Joan Baez. Dass die Wahl auf "Code Pink" fiel, scheint sich nun als Bumerang für die Stadt zu erweisen. Merk-Erbe kontaktierte in der Angelegenheit auch das israelische Konsulat in München. Dort kleidet man seine Irritation in sehr diplomatische Worte: "Code Pink" sei eine „sehr provokante Gruppe“ und für einen Toleranzpreis „nicht unbedingt geeignet“.

Die Universität Bayreuth hatte 2014 "Code Pink" als Preisträger vorgeschlagen, noch bevor jene ominöse Konferenz in Teheran stattfand. Und der Stadtrat hatte den Vorschlag der Uni gutgeheißen, nachdem zuvor offenbar auch die Folk-Legende Joan Baez ins Gespräch gebracht worden war. Nun scheinen sich die Umstände auch in den Augen der Universität grundlegend geändert zu haben. "Die Universität respektiert jede Entscheidung des Stadtrats", sagte Präsident Stefan Leible.

Die Preisverleihung war im Rahmen des „Bayreuther Zukunftsforums“ am 15. April in der Universität Bayreuth mit der deutsch-iranischen Schauspielerin Jasmin Tabatabai als Laudatorin geplant.

 

Hintergrund: der Wilhelmine-Preis

Der von der Stadt Bayreuth gestiftete „Wilhelmine-von-Bayreuth-Preis für Toleranz und Humanität in kultureller Vielfalt“ wird seit 2008 im jährlichen Rhythmus auf Vorschlag der Universität im Rahmen der öffentlichen Tagungen eines von Universität und Stadt gegründeten „Zukunftsforums“ verliehen. Er geht an Persönlichkeiten oder Personengruppen, die sich auf kulturellem, sozialem, politischem oder wissenschaftlichem Gebiet international um die kritische Reflexion europäischer Wertvorstellungen und die interkulturelle Verständigung verdient gemacht haben. Die Auszeichnung ist mit 10.000 Euro dotiert. Zuletzt wurde der Preis 2014 an den evangelischen Geistlichen und Begründer der Leipziger Friedensgebete Christian Führer verliehen.

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