Richard Knorr vom BRK warnt vor Folgen der Pflegereform Nur noch schwerkrank ins Heim?

Von Katharina Wojczenko
Im Seniorenheim BRK-Ruhesitz tanzt Betreuungsassistent Mohamed Badr mit einer Bewohnerin. Heimleiter Richard Knorr befürchtet: Das wird bald anders. Wegen der Pflegereform, die die ambulante Versorgung stärkt, würden künftig nur noch schwer Pflegebedürftige ins Heim ziehen. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Tanzende Senioren im Heim? "Wir werden bald nur noch Pflegehäuser mit leeren Gängen haben", sagt Richard Knorr, Abteilungsleiter der BRK-Senioreneinrichtungen. Er schlägt Alarm: Weil das die Pflegereform die ambulante Pflege stärkt, würden künftig nur noch die Schwerkranken in stationäre vollstationären Einrichtungen ziehen.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

In Knorrs Brust schlagen zwei Herzen. Denn das BRK versorgt in Bayreuth etwa 200 ambulante Patienten. Für künftig mehr Geld - und das findet er gut. Ebenso, dass Demenzkranke nun nicht mehr durchs Raster fallen. Aber Knorr leitet auch das Seniorenheim Ruhesitz. Er sagt: "Die stationäre Pflege fällt komplett hinten herunter."

Denn in der zweiten Stufe des Gesetzes, die seit Jahresbeginn in Kraft ist, gilt: ambulant vor stationär. Laut Umfragen will die Mehrheit der Deutschen so lange es geht zu Hause wohnen bleiben. Damit sie das können, gibt es künftig mehr Geld für die Pflege daheim. Gleichzeitig müssten Senioren draufzahlen, die nur wenig Hilfe bräuchten und sich fürs Heim entschieden. Zum Beispiel, weil ihnen ihr Haus zu groß und einsam geworden ist, seit der Partner tot ist.

Ambulante und stationäre Pflege werden unterschiedlich bezuschusst

"Die Menschen kommen künftig erst ab Pflegegrad drei zu uns ins Heim", ist Knorr überzeugt. "Dann sind sie dement und stark körperlich eingeschränkt." Aber die Zuschüsse von der Kasse sind höher. Die Heime werden viel mehr Fachkräfte brauchen. Diese sind jetzt schon schwer zu finden, weil die Arbeitsbedingungen in Kliniken attraktiver seien.

Das Problem wird sich ab Januar 2017 noch verschärfen, wenn die neuen Pflegegrade gelten. Aber erst 2020 sollen die neuen Personalschlüssel kommen. Bis dahin sei unklar, wie viel Personal nötig sei. "Wie soll das funktionieren? Wie sollen wir planen?", fragt Knorr.

Knorr: "Dann zieht keiner mehr freiwillig ins Heim"

Wenn nur noch Schwerkranke im Heim wohnten, würde sich noch etwas ändern: "Das soziale Leben in den Einrichtungen wird zum Erliegen kommen", sagt Knorr. "Wir werden Pflegehäuser mit leeren Gängen haben", sagt Knorr. "Dann zieht keiner mehr freiwillig ins Heim." Und die Pflegekräfte würden sich das auch überlegen.

Christoph Rabenstein teilt Knorrs Befürchtung nicht. Der SPD-Landtagsabgeordnete ist Vorsitzender des VdK, der sich für die Stärkung der ambulanten Pflege eingesetzt hat. "Natürlich dürfen wir nicht von einem Extrem ins andere fallen", sagt Rabenstein. "Die stationäre Pflege darf nicht ins Hintertreffen geraten und bei den Finanzen werden wir wohl nachrüsten müssen." Aber er sagt auch: "Ich glaube nicht an leere Gänge."

Rabenstein: "Nicht so dramatisch"

Der eine oder andere wird vielleicht länger zu Hause bleiben, aber so dramatisch werde sich die Situation nicht ändern." Weil die Leute schon jetzt alt ins Seniorenheim kämen und die Heime so gut ausgestattet seien, dass sie auch für die Fitteren attraktiv seien. Rabenstein: "Die Menschen werden nicht nur zum Sterben ins Heim ziehen."

Info: Wer mit Pflegestufe eins ins Heim zog, bekam von der Kasse bislang 1064 Euro, sagt Knorr. Der Patient zahlte 1900 Euro zu. Seit Jahresbeginn muss er fast 3000 Euro selbst zahlen, wenn er neu ins Heim zieht. Denn der Staat zahlt erst ab Pflegegrad zwei überhaupt mit beim Heimplatz. Lässt er sich jedoch daheim pflegen, erhält er insgesamt ambulante Leistungen für etwa 1800 Euro, hat Knorr ausgerechnet.

Bilder