Wenig Resonanz auf Zuwanderungsprogramm Region lockt keine Fachkräfte aus dem Ausland

Von Sarah Bernhard und Maximiliane Rüggeberg
170 ausländische Fachkräfte hat ein vereinfachtes Zuwanderungsprogramm für Nicht-EU-Ausländer angelockt in die Region hat es aber kein einziger geschafft. Foto: Archiv Foto: red

170 ausländische Fachkräfte hat ein vereinfachtes Zuwanderungsprogramm für Nicht-EU-Ausländer angelockt. In ganz Deutschland. Das meldet die Zeitung „Die Welt“. In die Region hat es kein einziger geschafft. Weil gutes Deutsch für die meisten Unternehmer Voraussetzung ist. In der Region setzt man stattdessen auf betriebliche Weiterbildung. Und Grillfeste.

 
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Markus Felbinger ist vollauf zufrieden. Der 19-jährige Bindlacher ist einer von 30 Elektroinstallateuren bei SEL Schmidt Elektro aus Bindlach – und genau da, wo er immer sein wollte. „Das Betriebsklima ist gut, die Arbeit macht Spaß, ich habe nie darüber nachgedacht, woanders hinzugehen.“

Dafür, dass das auch in Zukunft so bleibt, will sein Arbeitgeber einiges tun: „Wir schicken die jungen Leute so oft wie möglich auf Lehrgänge, damit sie merken, dass sie nicht als billige Arbeitskraft verballert werden“, sagt Elektromeister Ronald Schmidt.

Hälfte der Auszubildenen erfüllt Anforderungen nicht

Denn passende Fachkräfte zu finden, sei heute unglaublich schwierig. „Die Leute wollen keinen Handwerksjob mehr machen“, sagt Schmidt. Von den knapp zehn Bewerbungen, die sie im Jahr noch bekämen, seien zwei Drittel von vorne herein ungeeignet. Oft zeige sich im Lauf des ersten Ausbildungsjahres, dass auch die Hälfte der neuen Auszubildenden die Anforderungen nicht erfüllen könne.

„Sterbeüberschuss“ nennt Heribert Trunk, Präsident der IHK für Oberfranken, dieses Problem: In der Region sterben mehr Menschen weg, als im gleichen Zeitraum geboren werden. Betriebe müssen also immer mehr freiwerdende Stellen mit immer weniger Schulabgänger besetzen. Rund 20.000 Fachkräfte fehlen laut IHK in Oberfranken bereits, bis 2030 soll sich die Zahl auf 44.000 erhöhen.

Textil- und die Keramikbranche besonders betroffen

Besonders betroffen sind die Textil- und die Keramikbranche, Elektrotechniker werden genauso gesucht wie Lastwagenfahrer. Die bräuchten heute nämlich nicht nur einen Führerschein, sondern auch verschiedene Fortbildungen, etwa für den Transport von Gefahrgut. „Früher hat die Bundeswehr Lastwagenfahrer ausgebildet, dann hat das Arbeitsamt gefördert. Beides ist weggefallen, deswegen gibt es jetzt viel zu wenig Fahrer“, sagt Siegbert König, Spediteur aus Thurnau.

Fünf Lastwagen hat er und sieben Fahrer, „die hegen und pflegen wir“: Die Lastwagen sind neu, die Fahrer durften bei der Ausstattung mitreden. Spätestens Freitagnachmittag seien sie meistens zu Hause bei ihren Familien. „Es gibt Weihnachtsgratifikationen und Grillfeste. Wir versuchen alles, um ein gutes Betriebsklima zu haben.“

Der richtige Weg, sagt IHK-Präsident Trunk: Betriebliche Ausbildung, gezielte Weiterbildung, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, nur so könnten Fachkräfte in der Region gehalten werden. Doch Trunk sagt auch: „Ohne Fachkräfte von außen werden die Unternehmen nicht genügend Fachkräfte bekommen.“

Mangelnde Deutschkenntnisse machen Fortbildung schwierig

Seit rund einem Jahr ist es deshalb Nicht-EU-Ausländern mit sogenannten Mangelberufen möglich, einfacher nach Deutschland zu kommen, um hier zu arbeiten. Doch nur 170 Fachkräfte hätten dieses Angebot bisher genutzt, berichtet die Zeitung „Die Welt“, keiner kam bis nach Oberfranken. Denn auch die Unternehmer in der Region sind skeptisch.

Elektromeister Schmidt aus Bindlach etwa könnte von dem neuen Zuwanderungsprogramm profitieren, denn Elektrotechnik gehört zu den aufgelisteten Mangelberufen. Doch noch setzt er lieber auf Ausbildung: „Ich komme aus Berlin, wo manchmal von sechs Mann auf der Baustelle nur einer Deutsch konnte. Was macht das denn für einen Eindruck?“ Ohne Deutschkenntnisse könne man die schwierigen Fortbildungen nicht meistern, sagt auch Spediteur Siegbert König. Seien Kenntnisse vorhanden, wäre er aber durchaus bereit, auch ausländische Fachkräfte zu beschäftigen.

Zuwanderungsprogramme sind „Milchmädchenrechnung“

Elektromeister Schmidt hingegen hält solche Zuwanderungsprogramme für eine „Milchmädchenrechnung“: „Wir machen damit die Wirtschaft in den anderen Ländern kaputt. Und was ist, wenn ich extra jemanden herhole und er nicht in den Betrieb passt? Das ist ja unmenschlich.“

Doch die Zukunft, die Oberfranken laut IHK-Präsident Trunk droht, wenn nicht bald mehr Fachkräfte in die Region gelockt werden, ist düster: Fehlende Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, Standortverlagerung, wegbrechende Arbeitsplätze, sinkende Attraktivität der Region, noch weniger Wettbewerbsfähigkeit. Ein Teufelskreis.

„Ist doch alles schon Realität“, sagt dazu Elektromeister Ronald Schmidt. In Ostdeutschland. Dort seien ganze Landstriche leergefegt, seitdem die jungen Leute und mit ihnen die Betriebe abgewandert seien. „Wir hier in Bayern, wir jammern doch auf hohem Niveau.“ Noch.

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