Luxuswohnung aus Beton: Greifbarer Unterricht im Artenschutz für Grundschüler Nistkasten für Falken unter Autobahnbrücke

Von Ralf Münch
Unterricht im Artenschutz zum Anfassen: An dem Kran hängt der Betonklotz, der eigentlich ein Nistkasten für Wanderfalken ist. Dieser wird in 30 Metern Höhe an der Autobahnbrücke befestigt. Foto: Münch Foto: red

„Das, was wir hier tun ist, sehr wichtig“, erklärt der Vorstand vom Artenschutz in Franken, Thomas Artur Köhler den Grundschulkindern. Die stehen unter der Autobahnbrücke und schauen nach oben. Auf den ersten Blick sieht das, was hier passiert aber gar nicht so wichtig aus.

 
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Denn im Grund genommen passiert hier nichts anderes, als dass ein Kran einen grauen Betonklotz dreißig Meter in die Höhe hievt. Der Klotz ist ein Nistkasten für Wanderfalken und wird auf ein Stahlgestell geschraubt – nur ein paar Meter unterhalb der eigentlichen Fahrbahn. 260 Kilogramm ist der eigentliche Nistkasten schwer. Später dann, wenn der unscheinbare Kasten mit Steinen befüllt ist, und das Anflugbrett angebracht ist, wiegt das Ganze sogar 350 Kilogramm.

„Wir haben schon öfter kleinere Nistkästen für Turmfalken angebracht“, so Köhler weiter, und zeigt auf einen, der an einem anderen Träger der Autobahnbrücke bereits schon seit längerer Zeit angebracht ist. Und zwar erfolgreich. Denn hier nistet bereits ein Turmfalkenpärchen und ist gerade dabei für Nachwuchs einer doch selteneren Art zu sorgen. Solche eine Betonbehausung, wie sie hier gerade angebaut wird, ist allerdings auch für den Artenschutz eher selten. Lediglich sechs solcher „Wohnungen“ in luftiger Höhe wurden bisher gebaut.

Billig ist dieses Projekt, das vom World Wildlife Fund (WWF) und von Bosch gesponsort wird nicht: 6000 Euro kostet es, bis alles fertig ist. Und die Frage nach dem Sinn einer Luxuswohnung für Falken beantwortet der Vorstand sofort: Es sei natürlich klar, dass es immer wieder Menschen gäbe, die mit Artenschutz nichts am Hut hätten. Aber wenn man sich überlege, dass man ohne zu zögern eine Menge Geld für andere Sachen, egal ob es Sportgeräte, Möbel oder Autos seien, ausgibt, und die an die Haltbarkeit von 30 bis 50 Jahren, die so ein Kasten hat, nicht annähernd herankamen, dann sei dies ein geringer Betrag. Und man tut eben auch etwas für die Erhaltung einer Tierart.

„Die Sache ist, dass ein Falke ein Brückenbauwerk nicht als Naturverschandelung, sondern als einen Felsen sieht. Und deswegen hatte hier immer wieder ein Pärchen versucht in den Widerlagern zu brüten“, erklärt Köhler. Die Widerlager sind dabei die Verbindungen zwischen der Fahrbahn und den gewaltigen Stützen. Dort sind kleine Spalte, die allerdings mit Plexiglas abgedeckt sind. Deswegen, weil man es vermeiden möchte, dass sich dort Tauben einnisten und mit dem Kot den Beton schädigen. Dass die Spalte abgedeckt sind, ist zwar gut für den Beton, allerdings nicht für die Brut des Wanderfalken – schon öfter wurden Gelege der geschützten Tierart viele Meter nach unten vom Winde verweht. Wenn sich Wanderfalken hier tatsächlich ansiedeln würden, dann wäre das Taubenproblem im wahrsten Sinne des Wortes „gegessen“. Falken haben Tauben nämlich zum Fressen gern. „Wir haben auch an einem Brückenpfeiler, oberhalb einer Tür, ein Schild angebracht. Und dort sind viele Informationen aufgedruckt. Auch Webadressen, wo man unter anderem via Livecam ein Falkenpärchen bei der Aufzucht beobachten kann. Die Jungtiere machen es wie Katze oder Hund. Die legen sich auf das Anflugbrett und lassen sich die Sonne auf das Gefieder scheinen. Das ist wirklich spektakulär“, schwärmt Köhler. Allerdings fügt er hinzu, dass nicht alle Nistkästen auch bevölkert werden. Etwa 80 Prozent werden deutschlandweit erfolgreich angenommen. Wildtiere wollen eben nicht immer so, wie es der Mensch gerne hätte und manchmal ist die Mühe eben nicht von Erfolg gekrönt.

Warum die Kinder der zweiten und der vierten Klassen hier unter der Brücke stehen und sich dieses Unterfangen ansehen, hat auch einen ganz einfachen Grund: Bereits im Vorfeld wurden die Kinder theoretisch in Verbindung mit der Umweltbildung vom Artenschutz unterrichtet. Anfassbar soll der Unterricht werden, und anfassbar ist er auch. Denn die Schüler können Falken in der Hand halten. Die sind zwar ausgestopft, aber immerhin eines natürlichen Todes gestorben. Auch Bürgermeister Uwe Raab ist von diesem greifbaren Unterricht, bezüglich der Greifvögel, begeistert: „Wir haben dieses Projekt mit Arbeitern der Stadt unterstützt. Ich sehe es als unglaublich wichtig an, dass sich bereits Schüler für den Artenschutz interessieren.“

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