Tödliches Erwachen Nicht stören: Fledermäuse in Gefahr

Von Thorsten Gütling

Sie hängen kopfüber von der Decke, ihre Körper sind nur acht Grad warm. Langsam erwachen sie. Den Körper auf Betriebstemperatur zu wärmen kostet viel Energie. Finden sie dann keine Nahrung, sterben sie. Die Rede ist von Fledermäusen. Jetzt, zwischen März und Mai, erwachen sie in den Felsenkellern und Höhlen der Fränkischen Schweiz aus ihrem Winterschlaf. Darunter eine Art, die in unserer Region bereits als ausgestorben galt.

 
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Thomas Striebel ist Geoökologe, Höhlenforscher und Fledermausexperte. Er kennt die Felsenkeller im Landkreis, in die sich viele Fledermäuse zurückziehen, um den nahrungsarmen Winter kräfteschonend zu verschlafen. Fledermäuse schätzen die Keller entlang früherer Handelswege, in denen Händler schon vor Hunderten Jahren ihre Waren kühlten. Keller, wie sie in Busbach, Neustädtlein und Obernsees zuhauf zu finden sind.

Im Innern herrschen konstant acht Grad. Die Keller sind belüftet, die Sandsteindecken nicht zu locker, um sich mit den Füßen nicht darin festkrallen zu können. Die meisten Arten, sagt Striebel, hängen aber gar nicht von der Decke. Viele quetschen sich lieber in enge Spalten, wo sie kaum zu sehen sind, oder überwintern im Liegen. Niemals aber auf dem Boden. dort lauern die Feinde wie Katzen, Marder und Füchse.

Daumengroße Kleine Hufeisennase

Wenn Laien an Fledermäuse denken, dann komischerweise an Arten, die es kaum mehr gibt. An die nur daumengroße Kleine Hufeisennase zum Beispiel, die tatsächlich frei von der Decke hängt. Ihre hufeisenförmige Nase hat ihr ihren Namen gegeben. Doch die sieht man nur, wenn sie wach ist. Schläft sie, versteckt die Nase hinter ihren Flügeln. Fast so, also möchte sie nicht verraten, dass sie eines der seltensten Tiere im Land ist. Doch genau an dieser Körperhaltung wird sie Experten entlarvt.

Warum die bereits als ausgestorben gegoltene Art im Kreis Bayreuth wieder anzutreffen ist, kann selbst der Fachmann nicht erklären. Wahrscheinlich, sagt Striebel, hat ein Paar in den über 1500 Höhlen und Felsenkellern des Landkreises unbemerkt überlebt. Mehr Quartiere als hier gibt es in ganz Deutschland nicht. Gut möglich, dass dieses eine Paar irgendwo am wärmenden Kamin irgendeines Bauernhauses seinen Nachwuchs aufgezogen hat. Auch möglich, dass der Eigentümer davon überhaupt nichts mitbekommen hat. Fatal, sollte diese Wochenstube wegfallen, weil der Besitzer seine Heizung saniert.

Sieben Tiere sollen heute wieder im Landkreis leben. Es könnten auch mehr sein. Schließlich sind die meisten Quartiere dem Menschen gar nicht bekannt, geschweige denn zugänglich.

Von den rund 1000 Arten, die es weltweit gibt, leben nur etwa 25 in Deutschland. Die meisten Arten leben in den Tropen. Wo es Quartiere für sie gibt, ballen sie sich. Im Winter sind das für die Arten, die in Deutschland überwintern Höhlen und Felsenkeller. Im Sommer Kirchtürme und Dachstühle. Vorausgesetzt, der Mensch zerstört ihre Quartiere nicht, indem er beim energetischen Sanieren seiner Dächer nicht auch noch das letzte Schlupfloch stopft. „Wo sie einmal vertrieben wurden, kommen sie lange nicht mehr hin", sagt Höhlenforscher Striebel.

Natürliche Feinde von nachtaktiven Insekten

In Bayreuther Kirchendachstühlen könnten leicht 1000 Fledermäuse wie das große Mausohr leben, schätzt der Geoökologe. Wenn diese Quartiere wegfielen, wäre das eine Katastrophe – auch für das Ökosystem. Denn für nachtaktive Insekten sind sie in der Luft die einzigen natürlichen Feinde.

In welchen Felsenkellern die Fledermäuse bald aus dem Winterschlaf erwachen, will Striebel nicht verraten. Aus Angst davor, Menschen könnten die Tiere dort stören. Denn ein vorzeitiges Erwachen könnte für sie tödlich enden. Normalerweise dauert die Aufwachphase der Fledermäuse aus dem Winterschlaf bis zu zwei Stunden.

Werden sie aber unsanft aus dem Schlaf gerissen, versuchen sie zu fliehen. Innerhalb kürzester Zeit müssen sie ihre Körpertemperatur dazu um rund 30 Grad anheben. Das kostet viel Energie und verbrennt die Fettdepots, die zum Aufwachen da sind, danach aber schnell wieder gefüllt werden müssen. Findet die Fledermaus daraufhin nicht genügend Insekten, könnte sie noch bei der Nahrungssuche verhungern.

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