Nicht-Notfälle teuer fürs Klinikum

Von Sebastian Richly und Elmar Schatz
Nicht nur ganz schwere Fälle werden in die Notaufnahme gebracht, viele Patienten mit weniger schweren Erkrankungen sollten zum Bereitschaftsarzt gehen, sagen Kassen und Kliniken. Foto: Archiv/Ritter Foto: red

Für Nicht-Notfälle in der Notaufnahme hat das Klinikum Bayreuth im vergangenen Jahr mehr als eine Million Euro aufwenden müssen, teilt Pressesprecher Frank Schmälzle auf Anfrage mit; warum kommen immer mehr Patienten direkt ins Krankenhaus?

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Die Zahl der sogenannten Patientenkontakte in der Notaufnahme der Klinikum Bayreuth GmbH sei in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen – von etwa 28 000 im Jahr 2008 auf mehr als 34 000 im vergangenen Jahr, teilt Schmälzle mit.

Etwa die Hälfte der Patienten bleibe nach der Erstbehandlung in der Notaufnahme zur weiteren stationären Behandlung im Klinikum. Die andere Hälfte allerdings verlasse das Krankenhaus nach der Abklärung und Versorgung in der Notaufnahme wieder.

„Für diese Patienten sind wir als Experten für die stationäre Versorgung eigentlich nicht die richtige Anlaufstelle“, sagt Joachim Haun, Geschäftsführer der Klinikum Bayreuth GmbH. Für sie wären ambulante Versorger zuständig.

Statistiken des Bayreuther Krankenhauses wiesen aus, dass regelmäßig dann die Patientenkontakte in der Notaufnahme steigen, wenn die ambulanten Praxen geschlossen sind. Und: „Die Notfallleistungen, die in den Krankenhäusern erbracht werden, sind deutlich unterfinanziert.“

Laut einer Studie der Deutschen Krankenhausgesellschaft legen die Krankenhäuser bei ambulanten Behandlungen in den Notaufnahmen pro Fall etwa 88 Euro drauf. Vorsichtig gerechnet habe die Klinikum Bayreuth GmbH damit im vergangenen Jahr deutlich mehr als eine Million Euro für solche Behandlungen aufgewendet.

Bagatellfälle belasten die Kliniken stark

Bagatellerkrankungen belasten gerade an Wochenenden und Feiertagen die Kliniken stark. Die Ärzte kommen mit der Behandlung kaum nach. Die Konsequenz: lange Wartezeiten und unzufriedene Patienten. Schließlich drohen die wirklichen Notfälle zu spät behandelt zu werden.

Der Ersatzkassenverband vdek fordert nun auf der Grundlage eines Gutachtens des Instituts „Aqua“, die ambulante Versorgung umzustrukturieren. Mit sogenannten Portalpraxen sollen die Kliniken entlastet und die Patienten effektiver versorgt werden.

Rund 25 Millionen Patienten versorgen die 1600 deutschen Notaufnahmen pro Jahr – Tendenz steigend, sagt Ulrike Elsner, Vorsitzende des Krankenkassenverbandes.

Jeder dritte Notfallpatient könne aber bedenkenlos in einer normalen Arztpraxis behandelt werden und müsse nicht gleich in die Notaufnahme kommen. Das Problem sieht Elsner in der Struktur der Notfallversorgung: „Es gibt keine einheitliche Regelung.

Im Zweifel in die Notaufnahme

Die undurchsichtigen Öffnungszeiten und Anlaufstellen der Ärzte sind ebenso ein Problem wie die unklare Aufgabenteilung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung.“ Das sei auch ein Dilemma für Patienten: „Sie wissen nicht, wohin sie sich wenden sollen und gehen dann im Zweifel in die Notaufnahme.“

Die flächendeckende Einrichtung von zentralen Anlaufstellen, angegliedert an die Krankenhäuser, soll das Problem lösen und die Patienten je nach Dringlichkeit an die richtige Stelle verweisen.

Portalpraxen sollen leichte Fälle behandeln

Ziel dieser Portalpraxen ist es „abzuklären, ob es sich um eine Bagatellerkrankung oder einen lebensbedrohlichen Notfall handelt“, so Elsner. Die Portalpraxen sind den Notaufnahmen vorgelagert, so dass dort nur echte Notfälle behandelt werden müssten.

Verstopfte Nasen und Mückenstiche versorge dann der Hausarzt, gegebenenfalls am darauffolgenden Tag. Was die Fälle zwischen den beiden Extremen angeht, so könnten in einer angeschlossenen Notdienstpraxis die akuten Fälle ambulant behandelt werden.

Bei bis zu zwei Dritteln der Patienten reiche eine rein ambulante Betreuung aus, sagt Joachim Szecsenyi vom Aqua-Institut.

Die Einteilung der Patienten sollen dabei nicht nur Ärzte übernehmen, die Ersatzkassen fordern, Klinikpersonal entsprechend auszubilden, „damit nicht der Pförtner für die Patienten entscheidet“, sagt Szecsenyi. Ziel sei es laut Elsner vom Krankenkassenverband, „die Patienten in den richtigen Behandlungspfad zu lotsen.“

Bilder