Neuer Chef der Anästhesie am Klinikum

Von Frank Schmälzle
Jörg Reutershahn ist neuer Chefarzt der Anästhesie am Klinikum Bayreuth. Foto: Ronald Wittek Foto: red

Schmerzen müssen nicht sein, sagt Jörg Reutershan. Dagegen gibt es die Schmerztherapie und die ist ein wesentlicher Bestandteil seines Jobs. Der 45-jährige Professor ist neuer Chefarzt der Anästhesie am Klinikum Bayreuth. Er sagt: „Wir sind keine schmerzfreie Klinik. Aber eine schmerzarme.“ Er will noch mehr.

 
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Der Ruf des Klinikums ist nach den Querelen der vergangenen Monate angekratzt. Das gilt nicht für die Schmerztherapie. „Wir liegen in einer bundesweiten Studie, die die Patientenzufriedenheit abgefragt hat, auf Platz Zwei.“ Man könnte also zufrieden sein, Reutershan ist es nicht. Was er als neuer Chef des Anästhesieteams mit fast 40 Mitarbeiter als erstes geändert hat, betrifft die Narkose: Eltern, deren Kinder operiert werden müssen, gehen jetzt mit bis in die Schleuse vor dem Operationssaal. Sie sind dabei, wenn ihr Kind einschläft. Und dabei, wenn es wieder aufwacht. Das, sagt Reutershan, tut allen gut. „Die Eltern sind bei ihrem Kind, beruhigen es und sehen die Leute, denen sie ihr Kind anvertrauen.“ Und das Kind hat die Mutter oder den Vater an seiner Seite. „Wir wollen, dass sich eine Operation zumindest nicht als Negativerlebnis einbrennt“, sagt Reutershan, der selbst zwei Kinder hat. Weil man das nicht vergisst. Weil das ein Leben lang bei vielleicht notwendigen weiteren Operationen nachwirkt.

Schmerztherapie schon vor der Operation

Eine kleine organisatorische Veränderung ist das, von der sich Reutershan viel erwartet. Das gilt auch für das, was er in der Schmerztherapie im Klinikum umsetzen will. „Viele Patienten haben vor dem Schmerz und der Übelkeit nach einer Operation mit Narkose mehr Angst als vor dem eigentlichen Eingriff“, sagt der Mediziner, der vor seinem Wechsel nach Bayreuth als geschäftsführender Oberarzt am Universitätsklinikum Tübingen tätig war. „Man weiß ja schon vor einer Operation, ob das ein schmerzhafter Eingriff sein wird“, sagt Reutershan. Und deshalb setzen die Schmerztherapeuten des Klinikums schon vor der Operation an. Für jeden Patienten wird ein individueller Plan gemacht. Welche Narkose ist die beste und verträglichste? Wie kann der Patient danach weitgehend schmerzfrei bleiben? Das geht nicht nur mit Medikamenten, die Nebenwirkungen haben, sagt der neue Chefarzt. Das geht auch mit Hilfe von Akupunktur, mit Hilfe von psychologischer Betreuung. Oder mit einem Schmerzkatheter. Der funktioniert wie eine Fernbedienung. „Wir können damit bestimmte Nervenfasern ausschalten. Wir unterbrechen die Schmerzleitung zum Gehirn.“ Eine gute Schmerztherapie, sagt Reutershan, ist nicht das Sahnehäubchen obendrauf. „Es ist ein wesentliches Kriterium der Arbeit einer Klinik.“

Krankenhaus im Aufbruch

Dass er mit all dem eher in der zweiten Reihe steht, weiß Reutershan. „Die Blumen und Pralinen bekommt immer der Operateur“, sagt er mit einem Augenzwinkern. Macht nichts, für ihn ist die Anästhesie mit ihren vier Bereichen Narkose, Intensivmedizin nach Operationen, Notfallmedizin und Schmerztherapie trotzdem „die spannendste Aufgabe, die ich mir wünschen kann“. Anästhesisten sind nicht auf ein bestimmtes Organ oder eine bestimmte Methode spezialisiert. Sie sorgen dafür, dass Menschen überleben. Nach einem Unfall, während einer Operation, auf der Intensivstation. Und dass sie möglichst wenig Schmerz erleiden müssen. „Wir haben den gesamten Patienten im Blick. Unser Spektrum reicht vom Kleinkind bis zum Senior. Wir arbeiten mit verschiedenen medizinischen Disziplinen und mit der Pflege. Das ist faszinierend.“

Bayreuth hat Jörg Reutershan nicht abgeschreckt. Natürlich hat er von den Vorwürfen gehört und gelesen, Patienten seien ohne Not Herzklappen per Schlüssellochoperation eingesetzt worden. Patienten seien länger als notwendig künstlich beatmet worden. Dann hat er sich das Klinikum angesehen. „Dieses Krankenhaus ist im Aufbruch“, sagt er. Die Verantwortlichen haben seiner Meinung nach den Willen zur Veränderung, zu Verbesserung. Das gefällt ihm, da will er dabei sein. „Es gibt ja nichts Schlimmeres, als strukturell nichts voranbringen zu können.“ Wie sein Beitrag zu den strukturellen Veränderungen aussehen soll: Operationen sind teuer, Leerlaufzeiten sind Geldverschwendung. Bevor er nach Bayreuth kam, hat Reutershan an der Universitätsklinik Tübingen die Arbeit in 35 Operationssälen koordiniert. Und das wird er auch am Klinikum mit seinen 14 Operationssälen tun.

Und dann gibt es für den neuen Chefarzt noch so etwas wie ein Herzensanliegen. Wenn die Lunge eines Patienten nach einem Unfall oder einer Operation versagt, pumpen Mediziner Sauerstoff hinein. So überlebt der Patient – aber: die verletzte oder geschwächte Lunge kann Schaden nehmen. Das geht besser mit einem Lungenersatzverfahren. Mit einem Gerät, dass das Blut des Patienten ohne den Weg über die Lunge mit Sauerstoff versorgt. „Es funktioniert ähnlich wie eine Dialyse.“ Das, sagt Reutershan, will er für die Patienten des Klinikums Bayreuth.

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