Gemeinderat entscheidet sich für umweltfreundlichste Lösung – Baukosten: 4,1 Millionen Euro Neue Kläranlage bekommt einen Faulturm

Von Sarah Bernhard
Direkt neben dem Becken, in dem bisher der Klärschlamm gelagert wird, soll nun ein Faulturm gebaut werden, mit dem aus dem Klärschlamm Strom gewonnen wird. Foto: Sarah Bernhard Foto: red

Speichersdorf braucht eine neue Kläranlage. Und hatte drei Möglichkeiten zur Auswahl: die alte vergrößern, eine neue mit Faulturm und Blockheizkraftwerk bauen oder sein Abwasser in die Kemnather Kläranlage pumpen. Jetzt ist die Entscheidung gefallen: Speichersdorf macht tatsächlich aus Scheiße Geld.

 
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Beim Glücksrad würden Kläranlagen-Planer vermutlich immer gewinnen: Im „Kläranlagentagebuch“ können sie den Wasserdurchlauf ablesen, die „Nutriox-Dosierstation“ verhindert, dass Abwasser im Rohr fault und der „Projektkostenbarwert“ gibt an, wie viel ein Projekt kosten wird, wenn man es auf 60 Jahre hochrechnet.

Eineinhalb Stunden erklärte Diplomingenieur Stefan Wolf den Gemeinderäten mit diesen Worten am Montag, welche Vor- und Nachteile die verschiedenen Kläranlagen-Lösungen haben. Denn, so zeigt das Kläranlagentagebuch: Die Speichersdorfer produzieren immer mehr Abwasser, momentan durchschnittlich 75 Kubikmeter pro Tag. Die alte Kläranlage ist dafür zu klein. Außerdem entspricht sie weder den heute geltenden Hygiene- noch den Arbeitssicherheitsvorschriften.

Die günstigste Lösung: Bakterien fressen Fäkalien auf

Drei Möglichkeiten hatte die Gemeinde zur Auswahl: Die erste wäre ein Neubau mit derselben Technik wie bisher gewesen. Die Fäkalien wären also von den Mikroorganismen im Klärbecken so vollständig wie möglich zersetzt worden. Der übrige Klärschlamm hätte verbrannt werden müssen. Baukosten: 3,8 Millionen Euro.

Die teuerste Lösung: Alle Fäkalien nach Kemnath

Die zweite Möglichkeit hätte vorgesehen, das Abwasser in die Kemnather Kläranlage zu pumpen. Dazu wäre eine mehr als neun Kilometer lange Rohrleitung, samt Nutriox-Dosierstation, nötig gewesen. Kosten: 5,1 Millionen – ohne die Kosten für Grundstückskäufe, die für die Rohrleitung gebraucht würden.

Die klügste Lösung: Aus Fäkalien Geld machen

Die Räte entschieden sich für die dritte Variante: Der Schlamm soll künftig in einem fünf Meter hohen Faulturm Biogas produzieren, mit dem ein Blockheizkraft eigenen Strom für die Kläranlage produziert. Die Schlammmenge wird dadurch um die Hälfte reduziert. Baukosten: 4,1 Millionen Euro.

Betrachtet man den Projektkostenbarwert nach 60 Jahren, stellt sich die Situation ähnlich dar: Nach Kemnath pumpen ist am teuersten (bei einer Preissteigerung von zwei Prozent pro Jahr würde das insgesamt 21,3 Millionen Euro kosten), nur Bakterien die Arbeit machen zu lassen, ist am günstigsten (16,9 Millionen Euro), die Faulturm-Lösung ist etwas teurer (17,3 Millionen Euro), dafür hat sie eine positive Ökobilanz. Und am Schluss bleibt weniger Schlamm übrig, dessen Entsorgung immer schwieriger wird.

„Durch die geringe Baukostendifferenz und die große Wahrscheinlichkeit, dass der Strompreis steigt, ist der ökologische Gedanke auch ökonomisch. Und die Kredite sind günstig“, sagte Rudi Kirchberger (UBV). „Wir machen uns unabhängiger von Energielieferungen und haben weniger Schlamm, das ist zukunftsgerichtet“, sagte Rudolf Heier (SPD). „Das Wasserwirtschaftsamt hat die Lösung mit Faulung favorisiert“, sagte Bürgermeister Manfred Porsch. Die Entscheidung fiel einstimmig.

Aus dem Gemeinderat

Kommunalinvestitionsprogramm: Bürgermeister Manfred Porsch hat eine lange Liste an Projekten beim Landratsamt eingereicht, für die er sich eine Förderung durch das Kommunalinvestitionsprogramm wünscht. Unter anderem die energetische Sanierung des Jugendzentrums und des Hauses der Vereine, die Errichtung einer barrierefreien Bushaltestelle und den Bau eines Mehrgenerationenspielplatzes. Insgesamt käme so knapp eine Million Euro an Fördergeldern für Speichersdorf zusammen.

Der gesamte Landkreis kann mit rund zehn Millionen Euro Förderung rechnen. Das Landratsamt teilte allerdings bereits mit, dass alle Anträge zusammengenommen das dreifache Volumen hätten und deshalb finanzschwache Gemeinden und solche, die Stabilisierungshilfe bekommen, bevorzugt würden.

Porsch kritisierte das als den falschen Weg. Speichersdorf wolle versuchen, die Verschuldung moderat zu halten, um finanzielle Hilfen gar nicht erst zu brauchen. „Die Wünsche sind sehr hoch gegriffen, aber ich werde kämpfen wie ein Löwe“, sagte Porsch.

Sport Stacking-WM: Die Hochstapler bitten darum, dass ihnen für die Zeit der Sport Stacking-WM die Hallenmiete und die Nebenkosten der Sportarena erlassen werden. Der Gemeinderat beschloss, dass das möglich ist, wenn der Verein in der kommenden Sitzung sein Konzept vorstellt. Die WM findet von 1. bis 3. April statt, es werden rund 1000 Besucher aus 20 Nationen erwartet.

Radweg: Porsch kommentierte das Aus für den Radweg Wirbenz – Oberndorf mit den Worten: „Ich kann es nicht glauben, ich will es nicht glauben, ich bin so enttäuscht.“ Viele Menschen hätten viel Zeit in die Verhandlungen investiert, die jetzt an Einzelinteressen scheiterten. Franc Dierl (CSU) kritisierte, dass es jeweils nur um ein paar Quadratmeter gehe, die niemanden in seiner Existenz bedrohten.

Rudolf Heier (SPD) betonte, dass die Gemeinden etwas für die Landwirte leisteten, und dafür ein Entgegenkommen erwarten könnten. Zum Beispiel sei die Bahnbrücke nach Roslas so gebaut worden, dass auch große Fahrzeuge durchpassen. Porsch appellierte an die Landwirte, ihre Haltung nochmals zu überdenken, „weil wir kein Verständnis für ihr Verhalten haben“, und gleichzeitig an die Politik, das Planungsrecht so zu ändern, dass der Radweg trotz der Weigerung der Landwirte doch noch gebaut werden könne.

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