Neue Beratungsstelle für Schwerhörige

Von Peter Rauscher
Dank eines Cochlea Implantats kann der hörbehinderte Franz Elsner verstehen, was die neue Schwerhörigenberaterin Alexandra Schuberth (rechts) ins Mikrofon des Senders spricht. In der Mitte die Geschäftsführerin des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Oberfranken, Irene von der Weth. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Etwa jeder sechste Deutsche ist schwerhörig. 2,5 Millionen Menschen in Deutschland tragen nach Angaben des Deutschen Schwerhörigenbundes Hörgeräte. Ein Schicksal, das manchen zur Verzweiflung bringen kann. Beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Oberfranken in Bayreuth gibt es jetzt eine neue Beratungsstelle für Schwerhörige.

 
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Bei Margit Gamberoni (69) passierte es vor 19 Jahren. „Ich war 50 und stand mitten im Berufsleben als Lehrerin an Grund- und Hauptschulen. Plötzlich erlitt ich einen Hörsturz und verlor mein Hörvermögen. Ich war verzweifelt. Was sollte aus mir werden, wo ich doch die Kinder nicht mehr verstehen konnte“, berichtet sie. Gamberoni leitet heute die Selbsthilfegruppe für Schwerhörige und Cochlea Implantat (CI) Träger in Bamberg. Solche Implantate am Ohr können zum Einsatz kommen, wenn Hörgeräte nicht mehr ausreichen.

"Du brauchst dich nicht zu schämen"

„Damals hätte ich dringend Beratung gebraucht: Welche Hilfen gibt es für mich, was steht mir zum Beispiel nach dem Schwerbehindertenrecht zu? Mit der richtigen Unterstützung hätte ich vielleicht weiter arbeiten können. Außerdem brauchte ich seelischen Beistand. Jemanden, der mir klar macht: Du brauchst dich für deine Einschränkung nicht zu schämen.“

Thema findet zu wenig Beachtung

Eine solche Beratungsstelle ist nun geschaffen worden. Die neue Informations- und Servicestelle für Menschen mit Hörbehinderung ist angedockt an den Sozialdienst für Hörgeschädigte in Oberfranken beim Paritätischen Wohlfahrtsverband in Bayreuth, den Geschäftsführerin Irene von der Weth vor mehr als 30 Jahren aufgebaut hat. Finanziert wird die unbefristete Halbtagsstelle vom Bezirk Oberfranken und vom Land Bayern. Alexandra Schuberth hat bereits früher in der Gehörlosen- und Behindertenberatung gearbeitet und ist nun Ansprechpartnerin für Schwerhörige und Selbsthilfegruppen in ganz Oberfranken. Das Thema Schwerhörigkeit finde in der Öffentlichkeit viel zu wenig Beachtung, sagen Schuberth und von der Weth.

Nicht alt, dumm oder begriffsstutzig

Margit Gamberoni nennt es ein Tabuthema. „Schwerhörigkeit ist eine unsichtbare Behinderung. Sie wird oft in Verbindung gebracht mit  alt, dumm oder begriffsstutzig.“ Schwerhörige bekämen wenig Unterstützung von anderen. Wenn man andere darum bitte, langsam, deutlich und nicht durcheinander zu reden, werde das von der Umgebung rasch wieder vergessen. Meistens litten  Senioren darunter, aber auch viele Junge seien betroffen, die von Geburt an oder nach Mumps oder Gehirnhautentzündung schwerhörig seien.

"Der will nicht hören"

Gerd Sporer (62) aus Oberkotzau ist seit seiner frühen Kindheit hörbehindert. Entdeckt worden sei das erst mit sieben oder acht Jahren. „In der Schule kam ich anfangs nicht mit, habe nichts verstanden. Da hieß es bloß: Der will nicht hören“, erinnert er sich. Beratungsangebote wie heute gab es damals nicht. Erst in der Gehörlosenschule habe er aufgeholt, seinen Schulabschluss gemacht und Technischer Zeichner gelernt.

Arbeitsunfall kostet Hörvermögen

Bei Helmut Rühr (62) aus Glashütten war das Hörvermögen nach einem Arbeitsunfall 1981 von einem Tag auf den anderen weg. „Ich habe nichts mehr verstanden, konnte ja nicht einmal die Gebärdensprache - und niemand konnte mir helfen“, sagt er. Er war plötzlich in der anderen, der stillen Welt. Im Gehörlosenverein verständigte er sich zunächst mit primitiven Zeichen. „Für uns spät Ertaubte gab es damals überhaupt kein Beratungsangebot“, sagt Rühr, der dank eines Cochlea- Implantats wieder kommunizieren kann. 25 Jahre lang war er Vorsitzender im Gehörlosenverein. „Ich brauchte damals dringend Beratung, die ich verstehen konnte und wo man auch meine Anliegen verstand.“

Wer zahlt Hilfen?

Die neue Beratungsstelle informiert zum Beispiel über konkrete Hilfen wie die Finanzierung von teuren Hörgeräten oder  Ansprüche auf Reha-Maßnahmen. Wichtig sei sie auch für Tinnitus-Patienten, sagt Steffi Daubitz, Vorsitzende der Tinnitus Selbsthilfegruppe Kulmbach. „Von Ärzten werden Tinnitus-Patienten  oft abgespeist, weil man ja sowieso nichts machen könne. Aber kompetente Ansprechpartner zu haben, ist für Betroffene extrem wichtig.“

Info: Der Sozialdienst für Hörgeschädigte und die neue Beratungsstelle sind zu erreichen unter: Telefon 0921/990087330, Fax 0921/990087343 oder per Mail unter oberfranken@paritaet-bayern.de

In der Region gibt es mehrere Selbsthilfegruppen, zum Beispiel die Cochlear Implantat Selbsthilfegruppe (helmut.ruehr@gmx.de), die Tinnitus-Selbsthilfegruppe Bayreuth (Iris Schweppenstedde-Pörschke, Handy: 0178/5594058), die Tinnitus-Selbsthilfegruppe Kulmbach  (Herbert Rösch, 0171/3440072), Elternvereinigung zur Förderung hörgeschädigter Kinder in Oberfranken (Fam. Deichsel, 09221/83460), die Selbsthilfegruppe für Eltern mit CI-Kindern (Familie Frank, Bayreuth, Tel: 0921/9800274), den Stammtisch für Schwerhörige Kulmbach (steffidaubitz@gmx.de), und den Gehörlosenverein Bayreuth (thomas.zeidler@gmx.de).

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