Mutmaßlicher Prostituiertenmörder gesteht

Von Aleksandra Bakmaz,
Der Angeklagte hält sich im Landgericht Nürnberg-Fürth einen Ordner vor sein Gesicht. Der 22-Jährige soll im Mai 2017 in Nürnberg eine rumänische und eine chinesische Prostituierte ermordet haben. Foto: Sven Grundmann/dpa Foto: red

Zwei Morde, eine Handschrift: In Nürnberg werden zwei Prostituierte getötet, ein Freier wird verdächtigt und geschnappt. Nun steht er vor Gericht. Verhörvideos spielen eine wichtige Rolle.

 
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Es sind sexuelle Abenteuer, die R. einmal im Monat sucht. Auf einschlägigen Webseiten klickt er sich durch die Kontaktanzeigen. Eine chinesische Prostituierte hat es ihm an einem Juni-Abend 2017 angetan. Über das Netz kontaktiert er die 44-Jährige, fährt zu ihr in ein Nürnberger Wohnhaus im Rotlichtmilieu - auf der Klingel steht Winter.

Was genau in der Wohnung passiert, weiß nur noch der damals 21-Jährige. Denn die Asiatin ist nach seinem Besuch tot. Nun steht er vor Gericht - wegen zweifachen Mordes. Er soll noch eine zweite Prostituierte umgebracht haben.

Mit Handykabel erdrosselt

„Blasen, lecken, Verkehr, duschen, reden, fertig“ - mehr sei nicht gewesen, sagt der Deutsche drei Tage nach dem gewaltsamen Tod der Asiatin zu Nürnberger Kriminalbeamten - eine Kamera zeichnet das Verhör auf. Stunden zuvor hatte ihn die Polizei in der Innenstadt festgenommen. Der Vorwurf: Mord.

Wegen zweifachem Mord muss sich der Hartz-IV-Empfänger seit Dienstag vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth verantworten. Laut Anklage erdrosselt er die Chinesin mit einem Handykabel - während er gleichzeitig Sex mit ihr hat. Er fesselt den Leichnam und lässt den Ermittlungen zufolge noch Geld mitgehen. Laut Staatsanwaltschaft zündet der heute 22-Jährige das Bett mit der Toten an, um seine Spuren zu verwischen. Als Motiv für die Morde geht die Staatsanwaltschaft von Habgier aus.

Der letzte Freier

Auch Jennys Bett wird angezündet, auch die rumänische Prostituierte wird erdrosselt - mit Schnürsenkeln wird ihr während des Geschlechtsverkehrs im Mai 2017 die Luft abgeschnürt. Die 22-Jährige war den Ermittlungen zufolge gefesselt und ebenfalls beraubt worden.

Die Ermittler sehen einen Zusammenhang zwischen den beiden Morden, finden bei den Leichen identische Spermaspuren. Schnell sei klar gewesen, „wir suchen den letzten Freier“, sagt ein 50-jähriger Kriminalbeamter bei seiner Zeugenaussage vor Gericht. Verbindungsdaten auf dem Telefon des ersten Opfers führen die Beamten zum heutigen Angeklagten.

Zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft will sich der Nürnberger am ersten Prozesstag nicht äußern. Durch seinen Verteidiger Manfred Neder räumt er die Tötung der Frauen aber ein. Zum genauen Tathergang schweigt der Mann im grauen Sakko.

"So schee"

Das Schwurgericht lässt Videoaufnahmen von zwei Vernehmungen laufen - gegen den Willen der Verteidigers. Darin plaudert R. über seine Eltern, Großeltern, sein Leben in einer Jugend-Pension, über Freunde und Frauen. Bordelle seien ihm zu unpersönlich, „mir ist sowas Privates lieber“, sagt er. Man fühle sich einfach wohler - auch bei den zwei Frauen habe er sich wohlgefühlt.

Spezielle Vorlieben, was Sexpraktiken angehe, habe er nicht. Mit beiden Prostituierten habe er ungeschützten Verkehr gehabt. In der Regel habe er in den Wohnungen nur „die Arbeitszimmer und das Bad“ gesehen.

Auf Jenny sei er durch einen Bekannten aufmerksam geworden, sagt er den Beamten. Sie sei „so schee“, so schön und so gut, habe man ihm gesagt. „Man kann sagen, das Blasen war nicht gut“, sagt er bei der Vernehmung. Bei ihr habe er eine halbe Stunde für 50 Euro gebucht, bei der Chinesin seien es 150 Euro für 60 Minuten gewesen.

Doch nach mehr als drei Stunden gesteht der gelernte Koch bei der Polizei unter Tränen. Er habe die Frauen umgebracht. „Wir haben uns gestritten“, sagt er. Es sei um die Bezahlung der Liebesdienste gegangen. „Ich habe sie gepackt - ich wusste nicht, was ich tue in dem Moment.“ Danach sei er in Panik geraten.

Lautes Weinen

Während sein lautes Weinen aus den Verhörvideos zu hören ist, blickt der 22-Jährige im Gerichtssaal immer weiter nach unten - bis sein Kopf fast komplett hinter der Anklagebank verschwindet. Optisch hat er kaum noch etwas mit dem Mann auf dem Video zu tun. Die Haare sind länger, das Auftreten in Sakko und Hemd wirkt sicherer. Doch die Nervosität, sie ist bei der Vernehmung und auf der Anklagebank spürbar.

14 weitere Verhandlungstage sind bis zum 25. Juni für den Prozess angesetzt. Auch am zweiten Tag sollen wieder Verhörvideos gesichtet und weitere Zeugen gehört werden.

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