Musikalische Glückwünsche für Bieler

Von Frank Piontek
Wolfram Graf, Anja Weinberger, Christoph Krückl, Bernd Kremling, Marina Palmer, Theresa Henkel und Tatjana Hubert gratulieren Helmut Bieler (vorne, 3. von links). Foto: Andreas Harbach Foto: red

Bayreuths Protagonist für Neue Musik feiert 75. Geburtstag - und seine Weggefährten gratulieren mit Musik: In der Evangelischen Hochschule für Musik spielten Kollegen wie Wolfgang Graf Werke des Juibilars.

 
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„Schattierungen“, so heißt das erste Stück. Schattierungen, so dunkel, wenn auch differenziert, möchte man weder das Leben noch die Werke übertiteln, die an diesem Abend in der Hochschule für Evangelische Kirchenmusik zur Aufführung kamen. Es galt, den 75. Geburtstag Helmut Bielers nachzufeiern.

Helmut Bieler ist der Doyen der Bayreuther Neuen Musik. Wenn man es genau betrachtet, ist er sogar der einzige ansässige, wenn auch nicht in Bayreuth geborene Musiker, der sich jahrzehntelang und immer noch unermüdlich um die Gegenwartsmusik in Bayreuth kümmert. Grund genug für einige seiner Weggefährten, sich im Auftrag des Tonkünstlerverbandes Bayreuth im Orgelsaal zu treffen. trafen, um ihn zu ehren, der ebenso über ein „liebenswürdiges Wesen“ wie über ein „immenses Wissen“ verfügt. Das sagte Hans Schmidt-Mannheim in seiner kleinen Festrede.

Ein Buch über den Komponisten

Wesentlich mehr Worte hat man über Bieler gemacht, indem man in der bekannten, renommierten Reihe „Komponisten in Bayern“ den jüngsten Band dem Jubilar widmete. Theresa Henkel stellte ihn an diesem Abend im Orgelsaal vor und kommt zum Schluss: „Bielers Musik ist das Abbild seiner Biographie“. Sie scheint sehr ernst gewesen zu sein, Bieler ist ein Kriegskind, Prägungen durch diese Zeit blieben nicht aus. Die Musik tönt herb in den Raum: sehr bewegt – und gleichzeitig auch sehr ruhig. Bieler ist nach außen ein Mann des freundlichen Ausgleichs und des bestimmten, aber zurückhaltenden Worts, dem manchmal ein verschmitztes Lächeln übers Gesicht gleitet. Schon die „Schattierungen“ für eine Soloflöten und Klavier, glänzend gespielt von Anja Weinberger und Marina Palmer, bezwingen durch Beides: die Meditation und die Eruption.

Am Ende aber wird es krachen

Die „Herbstmusik“ für Klavier und Violoncello, bravourös gebracht von Wolfram Graf und Tatjana Hubert, ist nicht die Musik eines Mannes in späteren Jahren, auch wenn Bieler sie mit 65 schrieb. Bieler bewegte sich in den letzten Jahren zunehmend auf den Pfaden einer nur undeutlich verhüllten Tonalität. Man mag das, in Abwehr aller Freitönigkeit, als „Altersweisheit“ bezeichnen, aber gleich blieben die Attacken: die Pranken lieben immer noch die clusterhaften, weit von einander entfernten Akkorde. 1993 schrieb er mit dem Choralvorspiel und der Meditation über „Der du die Zeit in Händen hast“ ein relativ stilles Orgelstück, das vom Schlagzeuger Bernd Kremling mit einem zauberischen Übergang versehen und von Christoph Krückl, natürlich, intim genug gebracht wird.

Am Ende aber wird es krachen: im Kriegsstück „Verleih uns Frieden gnädiglich“ für Orgel und Schlagzeug, das Bieler 1993 zur 800-Jahrfeier der Stadt Bayreuth komponierte. Es wurde ein Tongemälde, das nach dem konzentrierten Flötensolo „O Heiland reiß die Himmel auf“ (nebenbei: einer Bieler-Uraufführung) größte Wirkung machte. Ein flehentlicher Choral stößt da auf eine Schlagzeugbatterie, Haydns „Missa in tempore belli“ scheint nicht weit zu sein, der Rest muss – nicht allein angesichts des Terrors, der am Abend über Paris einbrach - Schweigen sein. In ihm mag die Musik Helmut Bielers sacht nachklingen.

Bielers Musik, man hörte es an diesem Abend, will immer den Dingen auf den Grund gehen. Dass er bei dieser Suche – als Komponist, Lehrer und Mensch – von Dogmen frei blieb: auch dafür müsste man ihn feiern.